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Urananreicherungsanlage zu verkaufen

Das deutsch-niederländisch-britische Unternehmen Urenco betreibt in Deutschland eine Urananreicherungsanlage. Diese wollen die Gesellschafter nun an Kapitalgesellschaften verkaufen. Umweltschützer sehen mit einem Verkauf die Sicherheit der Kernenergietechnik gefährdet.

Von Annette Eversberg | 29.05.2013
    Die Urananreicherungsanlage in Gronau liegt mitten im Grünen. Udo Buchholz, Sprecher des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz, hat die Gründung und den Ausbau der rund 70 Hektar großen Anlage seit 1985 mit verfolgt.

    "Wir stehen jetzt hier vor der Baustelle des neuen Zwischenlagers, das 2014 in Betrieb gehen soll. Die Zwischenlagerhalle und auch die Anreicherungsanlagen sind nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert."
    Das sieht die Betreibergesellschaft Urenco anders und wirbt mit dem im März diesen Jahres bestandenen Stresstest durch die Entsorgungskommission, die das Bundesumweltministerium berät. Ein positives Signal an potenzielle Investoren. Einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag zufolge gibt es bereits Interessenten für die zum Verkauf stehenden Anteile. Zumal der E.ON-Vorstandsvorsitzende Dr. Johannes Teyssen die Möglichkeit eines - so wörtlich - "offenen Bieterverfahrens" in Aussicht gestellt hat. Dabei könnten sowohl Rosatom in Russland aber auch Kapitalbeteiligungsgesellschaften wie Apax, KKR oder Carlyle der kleinen Anfrage der Linken zufolge ins Spiel kommen. Gesellschaften, die bisher mit preisgünstiger Kleidung, Kosmetik oder Bahnhöfen ihr Geld verdienen. Udo Buchholz vermutet, dass man ihnen das neue Geschäft zutrauen würde.

    "Wir sind da in größter Besorgnis, dass das Material eben irgendwelchen Menschen in Russland vor die Tür gekippt wird, oder dass die Technik ganz anderswo zum Atomwaffenbau genutzt werden könnte."

    Der Leiter der zuständigen Atomaufsicht im Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen, Michael Geßner, teilt diese Bedenken so nicht. Er vertraut dabei auf den Vertrag von Almelo zwischen Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden aus dem Jahre 1970.

    "Das liegt ganz einfach daran, dass sich hier die Vertragsparteien damals bei der Gründung der Urenco verpflichtet hatten, auch völkerrechtlich verbindlich, zum Beispiel Proliferation, also die Abgabe von Kernbrennstoffen an andere Staaten, die nicht den entsprechenden Nuklearabkommen unterliegen, nicht zuzustimmen. Insoweit - ganz frei kann eigentlich dieses Bieterverfahren aus meiner persönlichen Sicht nicht ablaufen."

    Ganz so eindeutig scheint der Vertrag aber nicht zu sein. Denn die Bundesregierung betont auf Anfrage wörtlich:

    "Die drei Regierungen sowie die deutschen Anteilseigner sind im Kontakt, um einen Rechtsrahmen zu gewährleisten, der die Durchsetzbarkeit des Vertrags von Almelo in der Zukunft sicherstellt."

    Michael Geßner möchte nicht ganz ausschließen, dass Hedgefonds oder Pensionsfonds die Anteile erwerben können, wenn sie die Vertragsbedingungen erfüllen. Entscheidend ist für die rot-grüne Düsseldorfer Regierung jedenfalls die Arbeit des Betreibers.

    "Der ist ja derjenige, der nachher überwacht wird, der Genehmigungsanforderungen erfüllen muss, und der in die Lage versetzt werden muss durch den Besitzer, alle Auflagen, die wir erteilen als Landesregierung, als Atomaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen, zu erfüllen."
    Die Urenco wie auch E.ON ließen durch ihre jeweiligen Pressesprecherinnen verlauten, dass sie derzeit keine Stellung nehmen wollten. Bei der Urenco in Gronau glaubt man an eine unveränderte Fortführung des Betriebes. Auch nach einem Besitzerwechsel. Der jüngste Brand auf einem Frachter im Hamburger Hafen, der Uranhexafluorid für die Urananreicherungsanlage im niederländischen Almelo geladen hatte, lässt dagegen Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz wieder einmal an einer lückenlosen Kontrolle zweifeln.

    "Wir sehen ja schon, dass es schwer genug ist, deutsche Firmen zu kontrollieren aus unserer Sicht. Wir kriegen ja auch nicht alle Informationen. Wenn nun eine Firma aus dem europäischen oder dem übereuropäischen Raum einen Zugriff hätte mit Firmensitz in Frankreich, Japan oder sonst wo, dann würde es natürlich noch schwieriger sein zu gucken, was eigentlich los ist. Und dann wird es auch für die Landes- und Bundesregierung schwieriger, den Finger da rein zu kriegen."

    Atomkraftgegner fordern daher eine komplette Stilllegung der Anlage. Als logische Konsequenz aus der Energiewende. Das lehnt die Bundesregierung ab. Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist – so Michel Geßner – da jedoch anderer Ansicht.

    "Politisch ist vonseiten der Landesregierung - im vorletzten Jahr war das sogar schon - ein Antrag auf den Weg gebracht worden, auch aus der Urananreicherungstechnik auszusteigen. Dieser Antrag ist aber letztlich gescheitert."