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Urteil erwartet
Ein politischer Prozess

Geert Wilders, rechtspopulistischer Politiker in den Niederlanden, steht vor Gericht wegen menschenverachtender Äußerungen. Auch wenn er die Verhandlung boykottiert hat und erst am letzten Tag persönlich erschienen ist, hat er durch das Verfahren ein enormes Podium erhalten, sagen Kritiker. Heute wird das Urteil erwartet.

Vom Ludger Kazmierczak | 09.12.2016
    Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders spricht am 13.04.2015 auf einer Kundgebung des islamkritischen Pegida-Bündnisses in Dresden.
    Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hier bei einem Besuch in Dresden. (dpa / picture-alliance / Jan Woitas)
    Eine Kneipe in Den Haag am Abend der Kommunalwahl 2014. Geert Wilders spricht zu seinen Anhängern. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ist jeder Satz gut vorbereitet und wohl kalkuliert. Auch jene Frage an seine Parteifreunde, die mehr als 6.000 Niederländer dazu bewogen hat, den Rechtspopulisten anzuzeigen.
    "Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?"
    Für Wilders ein politisches Statement, das durch das Recht auf freie Meinungsäußerung legitimiert ist. Staatsanwalt Wouter Bos sieht das anders.
    "Wir beantragen, Wilders wegen der Beleidigung einer Menschengruppe und wegen Anstiftung zum Hass und zur Diskriminierung zu verurteilen und fordern eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro."
    Wilders hat den Prozess boykottiert. Erst am letzten Tag erschien der Angeklagte persönlich, um das letzte Wort zu ergreifen. Er kritisierte das Verfahren als absurden, politischen Prozess, beklagte sich über sein Leben mit Leibwächtern, in gepanzerten Autos und stets wechselnden Wohnungen. Er lebe in der Hölle, so Wilders, weil er es als einziger Politiker im Land wage, Probleme zu benennen und der politischen Elite die Stirn zu bieten.
    "Ich habe meine Freiheit dafür aufgeben müssen, und ich werde weiter machen. Für immer. Und Menschen, die mich stoppen wollen, müssen mich erst ermorden."
    "Wir haben gesehen, dass dieser Prozess keine kluge Idee war"
    Sein Land sieht Wilders auf dem Weg zur Diktatur, die Unterschiede zur Türkei seien nur noch gering. Die Staatsanwälte bezeichnet er als Marionetten des Kabinetts. Ziel des Prozesses sei es, ihn mundtot zu machen. Man mag über diesen Mann denken, was man will. In einem Punkt gibt der Rechtspsychologe Peter van Koppen dem Angeklagten auf jeden Fall Recht:
    "Es ist ein politischer Prozess. Und der Nachteil daran ist, dass Herr Wilders dadurch ein enormes Podium erhalten hat – nicht als Abgeordneter, der vernünftige Dinge sagt, sondern als Märtyrer, dem vermeintlich Schreckliches widerfahren ist. Wir haben gesehen, dass dieser Prozess keine kluge Idee war."
    Egal, wie das Gericht entscheidet - für van Koppen und viele Medien, steht Wilders schon jetzt als Sieger dieser juristischen Auseinandersetzung fest. Aktuelle Meinungsumfragen bestätigen das. Würde heute gewählt, wäre die rechtspopulistische Partei für die Freiheit mit Abstand stärkste politische Kraft im Land. In den letzten Wochen hat Wilders noch mal deutlich zugelegt – nicht nur wegen des Brexits und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, so Peter van Koppen, sondern auch wegen dieses überflüssigen Prozesses im Hochsicherheits-Gericht von Amsterdam-Schiphol.
    "Meinungen musst du mit anderen Meinungen bekämpfen und nicht versuchen, sie zu verbieten."