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Urteil für Musikliebhaber

Eigentlich ist der Kampf schon längst verloren – und doch hat die Musikindustrie fieberhaft auf den gestrigen Tag gewartet. Doch die illegalen Tauschplattformen sind äußerst populär – und das Urteil anfechtbar.

Von Philip Banse | 18.04.2009
    Das Urteil hätte kaum schärfer sein können: eins Jahr Haft für jeden der vier Angeklagten. Außerdem sollen sie umgerechnet 2,7 Millionen Euro Schadenersatz zahlen an Unternehmen der Unterhaltungsindustrie, darunter Sony, EMI und Warner. Der Richter begründete das Urteil so:

    "Die vier Betreiber von Pirate Bay haben massiv mit geholfen, Urheberrechte zu verletzten. Das ist ein Verbrechen und deswegen wurden sie verurteilt."

    Die vier in erster Instanz verurteilten Männer hinter der The Pirate Bay zeigten sich auch nach dem Urteil siegesgewiss. Auf ihrer Website schreiben sie: "Wie in allen guten Filme verlieren die Helden am Anfang, fahren am Ende aber einen ruhmreichen Sieg ein. Das ist das einzige, was Hollywood uns je beigebracht hat." Peter Sunde, verurteilter Mitbetreiber von Pirate Bay, kündigte an in Berufung zu gehen:

    "Ich gehe nicht in hinter Gitter. Je höher man kommt im schwedischen Rechtssystem, desto fairer werden die Verfahren. Und das hier kein faires Urteil. Wir kennen die Gesetz und wissen, dass unser Wirken nicht illegal ist. Aber selbst wenn, sind Haftstrafen völlig überzogen. Auch die Schadenersatzzahlungen! Die können und werden wir nicht zahlen. Eher verbrenne ich das Geld. Aber bis das ganze Verfahren abgeschlossen ist, kann es noch sechs Jahre dauern. Und am Ende werden wir gewinnen."

    22 Millionen Menschen nutzen Pirate Bay seit Jahren, um Dateien auszutauschen. Für viele Kreative ist das ein neuer, günstiger Vertriebskanal, um ihre Filme, Fotos und Lieder weltweit zu veröffentlichen. Doch The Pirate Bay ist auch erste Adresse für alle, die Raubkopien suchen: Vom Hollywood-Blockbuster bis zu aktuellen Microsoft-Produkten - Pirate Bay weiß, wo die Ware zu laden ist. Im Kern ging es bei dem Prozess um die Frage: Ist es bereits illegal, die Technik zum Austausch von Raubkopien zu stellen? Denn die monierten Raubkopien selbst sind nicht auf den Servern der Piratenbucht gespeichert. Als so genannter Torrent Tracker bietet Pirate Bay nur winzige Dateien zum Download an, die lediglich den Weg weisen und den Download koordinieren von urheberrechtlich geschützten Filmen, Musik und Software irgendwo im Internet. Die Chefs der Piratenbucht hatten sich jahrelang als Robin Hoods inszeniert, die für einen freien Austausch von Kultur und Meinung kämpfen und der gierigen Unterhaltungsindustrie aus dem liberalen Schweden eine lange Nase drehen. Gottfrid Svartholm Warg, Beitreiber der Pirate Bay:

    "Das ist kein Diebstahl, nicht moralisch, nicht rechtlich. Nach schwedischem Recht begeht kein Verbrechen, wer nur auf Raubkopien verweist. Man muss aktiv am Tauschprozess beteiligt sein."

    Die Unterhaltungsindustrie feierte das gestrige Urteil als Meilenstein im Kampf gegen Datei-Piraten. Ein Ende des Massenphänomens File-Sharing bedeute das Verdikt aus Stockholm aber nicht, sagt auch Ludvig Werner, Chef der schwedischen IFPI, einer Gesellschaft, die für die Musikindustrie weltweit nach Raubkopien fahndet. Denn die Server von Pirate Bay sind weiterhin online und werden es wohl auch bleiben. Piraten-Fahnder Werner kündigte daher an, was Bürgerrechtler lange prophezeit haben:

    "Nach dem Urteil werden wir natürlich mit Internet-Anbietern reden über deren Verpflichtung, den Zugang zu sperren zu einer Seite, die als illegal verurteilt wurde."

    Internetzensur sei der falsche Ansatz, entgegnet Frank Rieger vom Chaos Computer Club:

    "Das war abzusehen und passt ja auch zur Debatte, was die Sperrungen in Sachen Kinderpornografie angeht. Es war völlig klar, dass die Musikindustrie die nächsten sein werden, die solche Forderungen stellen. Am Ende wird das nicht dazu führen, dass die Tauschbörsen aus dem Netz verschwinden. Sie werden nur technisch eine andere Form annehmen und noch schwerer zu sperren sein."

    Das Internet habe den Medien-Konsum der Massen völlig verändert. Die Unterhaltungsindustrie könne nicht länger ignorieren, dass Millionen Menschen ihre Dateien im Netz tauschen. Neue Geschäftsmodelle seien gefragt, so Rieger. Schon beugen sich Sony und Co. dem Druck des Netzes. Nolens volens willigten Musik-Konzerne ein, ihre Songs ohne Kopierschutz zu verkaufen. Auch US-Filmriesen zeigen ihre Bewegt-Bild-Produkte bei Portalen wie Hulu.com zum Nulltarif. Und auch die Pirate-Bay-Ankläger wollen nicht mehr nur auf Repression setzen. Piratenjäger Ludvig Werner:

    "Der nächste Schritt muss sein, dass wir den Menschen legale Angebote machen, die besser sind als die illegalen."