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Urteil gegen Hoeness
Keine Gnade mehr

Zumwinkel, Steuer-CDs und jetzt Hoeneß - für Steuersünder gebe es keine Gnade mehr, sagte die Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung im DLF. Man könne schon von einer Strategie sprechen.

Annette Ramelsberger im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 14.03.2014
    Bayern-Präsident Hoeneß am 12.03.2014, dem dritten Prozesstag
    Bayern-Präsident Hoeneß am 12.03.2014, dem dritten Prozesstag (dpa / picture-alliance / Michael Dalder)
    Christoph Heinemann: Die Verurteilung des FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Gefängnis hat den Fußballklub und seine großen Sponsoren verstummen lassen. Der FC Bayern, Adidas, Audi, Volkswagen und die Deutsche Telekom wollten sich erst mal nicht zu der Entscheidung des Münchner Landgerichts äußern. Auch von der Allianz war keine Stellungnahme zu erhalten. Die Gremien des Vereins wollen sich erst beraten, das erklärte ein Sprecher des FC Bayern.
    Über das Verfahren und das Urteil gegen Uli Hoeneß hat mein Kollege Tobias Armbrüster mit Annette Ramelsberger gesprochen, der Gerichtsreporterin der "Süddeutschen Zeitung", und sie bewertete zunächst das Urteil.
    Annette Ramelsberger: Es ist ein erwartbares Urteil, auch wenn es niemand glauben wollte. Auch bei mir kamen immer wieder Leute an, vor allem Fans des FC Bayern, die sagten, die können doch den Uli nicht ins Gefängnis tun, das geht doch nicht. Und es war für alle fast immer unvorstellbar, dass so ein Mann wirklich verurteilt wird, und zwar zu einer Strafe, die nicht mehr zur Bewährung auszusetzen ist. Aber ich kann nur sagen: Nach allem, was man wusste, und auch, was die Höhe betraf und bereits die ersten Zahlen, die sich auf 3,5 Millionen beliefen, war eigentlich eine Bewährungsstrafe nicht mehr zu erwarten.
    Geringere Strafe in der Revision?
    Tobias Armbrüster: Was schätzen Sie denn? Hat dieses Urteil auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand?
    Ramelsberger: Das ist abzuwarten. Die Verteidigung von Herrn Hoeneß will ja zum Bundesgerichtshof und so eine grundsätzliche Entscheidung finden, nämlich wie geht man mit Selbstanzeigen um, die fehlschlagen. Das Problem ist nur: Diese Selbstanzeige ist ja nicht nur fehlgeschlagen, die war ja im Ansatz nicht vollständig. Das hat auch der Richter sehr deutlich gemacht. Und ob sich Uli Hoeneß wirklich für so ein Grundsatzurteil eignet, das wird man sehen. Das Einzige, was jetzt passieren kann, ist, dass der Bundesgerichtshof sich natürlich Zeit lässt, dann möglicherweise selbst entscheidet oder auch zurückverweist. Das alles kann mit Zeitablauf verbunden sein und das heißt, dann kommt vielleicht eine etwas geringere Strafe heraus. Aber ob es dann wirklich eine Bewährungsstrafe wird, das wage ich zu bezweifeln.
    Armbrüster: Wir haben jetzt die Verteidigung schon erwähnt. Was war Ihr Eindruck über die vergangenen Tage? Haben die Verteidiger da eine richtige Strategie gewählt?
    Ramelsberger: Was ist schon richtig? Auf jeden Fall ist es jetzt eine Niederlage geworden, weil sie wollten ja entweder Freispruch oder zumindest eine Bewährungsstrafe. Nun sind es 3,5 Jahre geworden. Das ist schon ganz schön heftig.
    Armbrüster: Na ja, ich habe das deshalb gefragt, weil wir hatten am Anfang eine Zahl von um die drei Millionen hinterzogener Steuern, die ist dann direkt am ersten Tag auf das Sechsfache gestiegen und wurde dann noch mal raufgesetzt, und wir hatten dann zwischendurch immer auch diese Berichte von Verteidigern, die Uli Hoeneß ins Wort gefallen sind. Es gab da doch so ein bisschen den Eindruck, da knirscht es ein bisschen, oder war das ein falscher Eindruck?
    Ramelsberger: Der Eindruck ist so: Sie wollten wohl Dinge vorlegen, die ganzen Belege, die Unterlagen, und wollten sie möglichst rechtzeitig vorlegen, um dem Gericht auch zu zeigen, wir legen jetzt wirklich alles auf den Tisch. Bloß das Zeug kam und kam nicht und dann haben sie es wirklich eine Woche vor Prozessbeginn noch abgeliefert, und das hat dann, glaube ich, eher zu mehr Problemen geführt, weil dann musste sich die Steuerfahndung die ganze Faschingswoche damit herumschlagen. Auch die Richter haben sich darum gekümmert, das war alles ziemlich dicht genäht. Und man kann nur sagen: Ja, sie haben jetzt alles auf dem Tisch, und wenn es ihre Strategie war, möglichst Augen zu und durch und weg mit Schaden, dann ist es jetzt genau so gekommen. Ich glaube, Uli Hoeneß war das sogar recht. Der wollte nicht noch das alles länger hinziehen und noch mal vertagen und die ganzen Zahlen durchzuklamüsern. Ne, ne, der wollte da möglichst schnell wieder aus diesem Gerichtssaal, der so wirklich gar nicht der Platz war, auf dem er steht.
    Hoeneß im Gerichtssaal: "Man sah so ein Zucken an den Händen"
    Armbrüster: Welchen Eindruck hatten Sie denn in diesen Tagen von Uli Hoeneß?
    Ramelsberger: Einen sehr angespannten. Am Anfang versuchte er noch, am ersten Tag so ein bisschen dieses Uli-Hoeneß-Lächeln aufzusetzen, so von wegen "das wird schon was", aber schon am zweiten, als die Steuerfahnderin da war und wirklich die Millionen aufgezählt hat, eine Zahl nach der anderen immer schlimmer, und man konnte richtig zusehen, wie Uli Hoeneß immer mehr versteinerte. Heute war es wirklich so: Schon am Morgen, als der Staatsanwalt sprach und fünfeinhalb Jahre forderte, da war er wie versteinert. Man sah so ein Zucken an den Händen. Das war etwas, was er nicht für möglich gehalten hatte. Ich glaube, er hat bis zum Schluss gehofft, dass es so nicht kommen wird, und wirklich am Schluss hat man schon das Gefühl gehabt, jetzt hält er es bald nicht mehr aus und er will raus.
    Armbrüster: Geht von so einem Urteil auch eine Signalwirkung aus? Ist das möglicherweise eine Zäsur?
    Ramelsberger: Ich glaube, unbedingt! Uli Hoeneß ist wirklich einer derjenigen Menschen, die am höchsten Ansehen in der Republik hatten, die überall vernetzt waren, ein Berater der Kanzlerin, ein Freund des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, einer, der mit allen gut konnte, und der zu einer Haftstrafe verurteilt, das hätte sich kaum jemand vorstellen können. Ich glaube, das hat schon fast eine Strategie, erst führt man Zumwinkel öffentlich vor, dann gibt es Steuer-CDs, dann geht man an einen wie Hoeneß heran und sagt, auch für ihn gibt es Haft. Ich glaube, jetzt ist deutlich, es gibt keine Gnade mehr für Steuersünder.
    Armbrüster: Glauben Sie, da werden sich einige Leute in Deutschland überlegen, vielleicht mache ich das doch lieber mit der Selbstanzeige gleich morgen Früh?
    Ramelsberger: Unbedingt! Aber sie wissen jetzt auch, dass eine Selbstanzeige nicht eben mal so über Nacht gebastelt werden kann, sondern dass man sich da ordentlich hinsetzen und vorbereiten muss. Also es geht jetzt möglicherweise los.
    FC Bayern muss sich Hoeneß "aus dem eigenen Fleisch reißen"
    Armbrüster: Frau Ramelsberger, Sie schreiben für die "Süddeutsche Zeitung", Sie haben deshalb auch so ein bisschen den bayerischen Horizont. Können Sie uns erklären, wieso der FC Bayern München so lange an ihm festhält?
    Ramelsberger: Ich glaube, weil der FC Bayern Uli Hoeneß ist und Uli Hoeneß FC Bayern und sie müssten ihn sich aus ihrem eigenen Fleisch reißen, und keinem dort ist eigentlich verständlich, wie man ohne Uli Hoeneß weiter leben, weiter siegen soll. Deswegen tun sie sich so schwer. Aber ich glaube, nach diesem Urteil bleibt ihnen kaum mehr irgendwas anderes übrig.
    Heinemann: Annette Ramelsberger, die Gerichtsreporterin der "Süddeutschen Zeitung", im Gespräch mit meinem Kollegen Tobias Armbrüster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.