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Urteil gegen Oleg Senzow
Fernab der Rechtsstaatlichkeit

20 Jahre muss der ukrainische Regisseur Oleg Senzow in Haft - hauptsächlich deshalb, weil er sich gegen den Anschluss der Krim an Russland engagiert hatte. Ein unberechtigtes Urteil, das mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht zu tun hat, meint unser Autor Uli Hufen. Aber der Irrsinn des Rostower Gerichts habe Methode.

Von Uli Hufen | 25.08.2015
     Oleg Senzow hinter Gitterstäben
    Senzow hinter Gitterstäben - selbst nach russischen Maßstäben sei das Urteil unfassbar hart, sagt Uli Hufen. (picture alliance / dpa / Mikhail Pochuyev/TASS)
    Dieses Urteil ist unberechtigt, es ist brutal und es spricht Bände über den Zustand, in dem Russland sich nach zwei Jahren beinahe unaufhörlicher hurra-patriotischer Propaganda befindet. Die Anklage gegen Oleg Senzow lautete auf Terrorismus. Im Frühjahr 2014 sollen Senzow und sein Mitangeklagter Alexander Koltschenko auf der Krim Brandanschläge auf Büros der Putin-Partei Einiges Russland und der "Russischen Gemeinschaft auf der Krim" verübt haben. Verletzt wurde niemand, es entstand ein Sachschaden von 4.000 Euro. Senzow bestreitet die Vorwürfe. Dass er sich im Frühjahr 2014 gegen den Anschluss der Krim an Russland engagiert hat, ist allerdings kein Geheimnis. Und genau das war in den Augen der Ankläger sein eigentliches Verbrechen.
    Mit rechtsstaatlichen Prinzipien hatte der Prozess in Rostow nichts zu tun. Senzow wurde wahrscheinlich gefoltert, die Beweislage war mehr als dünn. Zudem ist das Urteil selbst nach russischen Maßstäben unfassbar hart.
    Ein Urteil als Warnung an die eigene Bevölkerung
    Tschetschenische Terroristen, deren Anschläge Dutzende Menschenleben forderten, sind zum Teil weniger hart bestraft worden. Aber der Irrsinn des Rostower Gerichts hat Methode. Oleg Senzow hat in den Augen der russischen Staatsanwaltschaft Wichtigeres angegriffen und zerstört, als Menschen. Der ukrainische Regisseur wurde verurteilt, weil er mit seinem Protest gegen den Anschluss der Krim ein Mythos gestört hat: Bei weitem nicht alle Bürger der Krim waren und sind begeistert darüber, dass sie im Frühjahr 2014 zu Bürgern Russlands gemacht wurden. Das aber ist eine gefährliche Botschaft. Die Euphorie über die Rückkehr der Krim, die das Land im vergangenen Jahr wie ein Virus erfasste, ist in diesem Jahr erheblich abgeflaut, sogar auf der Krim. Das Urteil gegen Senzow ist darum auch als Hinweis an die eigene Bevölkerung zu sehen. Widerstand wird nicht geduldet.
    Gut möglich allerdings, dass eine andere Botschaft aus Rostow am Don größere Wirkung hat: In seinem Schlusswort an das Gericht erklärte Senzow vergangene Woche, man müsste bereit sein, für seine Ideale zu leiden und zu sterben. Als heute das Urteil verkündet wurde, sangen er und Koltschenko die ukrainische Nationalhymne.