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Urteil zur Causa Böhmermann
"Schmähgedicht" bleibt in Teilen verboten

Beleidigung oder Kunst? Das Oberlandesgericht in Hamburg hat über den Streit zwischen ZDF-Moderator Böhmermann und dem türkischen Präsidenten Erdogan entschieden: Das Gedicht darf auch künftig nicht komplett veröffentlicht werden. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz will nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Von Bettina Köster | 15.05.2018
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann in verschiedenen Aufnahmen nebeneinander.
    Der türkische Staatspräsident Erdogan und ZDF Moderator Jan Böhmermann streiten weiter vor Gericht (dpa / Robert Ghement)
    Die Richter des OLG Hamburg urteilten heute: Massive Kritik am türkischen Staatsoberhaupt sind erlaubt. Die verbotenen Äußerungen von Jan Böhmermann hätten aber ein anderes Ziel gehabt. Der Satiriker habe Erdogan mit seinen Äußerungen in seiner persönliche Würde angreifen wollen. Damit seien die Passagen aber nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt.
    Böhmermanns "Schmähgedicht" sei keine Kunst, urteilten die Richter weiter, dafür fehle es an der notwendigen Schöpfungshöhe.
    Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte bereits vor der Urteilsverkündung erklärt, dass er im Zweifel vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will. Im Gespräch mit @mediasres sagte er, es sei eine befremdliche Entwicklung, dass Richter darüber entscheiden, was Kunst ist. "Wenn das Urteil Bestand haben sollte, wird es für Satiriker schwierig, Staatmänner zu kritisieren."
    Deshalb will Scherz vom Bundesverfassungsgericht klären lassen, ob die Rahmenbedinungen für Kunst so eingeschränkt werden können. Er sieht einen Präzedenzfall in der Causa Böhmermann für den Handlungsspielraum aller anderen Satiriker in Deutschland.
    Rückblick auf den Fall Böhmermann
    Vor gut zwei Jahren präsentierte Jan Böhmermann in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazine Royale" eine Schmähkritik, in der der Satiriker wüste Beschimpfungen gegen Erdogan vortrug und ihm beispielsweise Sex mit Tieren unterstellte.
    Der türkische Staatspräsident war nicht nur aufgebracht, er zog auch direkt vor Gericht, um ein Verbot des Gedichts durchzusetzen. Außerdem wurde das politische Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei auf eine Belastungsprobe gestellt.
    Das Hamburger Landgericht verbot in erster Instanz einzelne Aussagen von Böhmermanns Text. Die Richter entschieden im Februar letzten Jahres, dass Erdogan die strittigen Passagen nicht hinnehmen müsse, weil sie sein allgemeines Persönlichkeitsrecht im Kernbereich berührten. Jan Böhmermann weigerte sich aber, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Auch sein Anwalt Christian Schertz ließ sich von dem Urteil nicht beeindrucken und ging in Berufung. Schertz argumentiert, dass das Schmähgedicht ein Gesamtkunstwerk sei, das nicht zerstückelt werden darf.