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Urteile gegen Völkermord

Das Statut zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs wurde am 17. Juli 1998 mit 120 Ja-Stimmen gegen sieben Nein-Stimmen bei 21 Enthaltungen von der UN-Bevollmächtigtenkonferenz in Rom angenommen. Kurz nach Hinterlegung der 60. Ratifikationsurkunde ist das Rom-Statut am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Die feierliche Vereidigung der ersten 18 Richter fand am 11. März 2003 statt. Das Statut wurde inzwischen von 106 Staaten ratifiziert.

Von Annette Wilmes | 17.07.2008
    "Auf den Tisch der Staatenkonferenz in Rom wird heute das Schlussdokument gelegt, in dem der bisher kleinste gemeinsame Nenner für ein internationales Strafgericht festgehalten ist."
    Meldeten die Rundfunkanstalten am 17. Juli 1998.

    "Ein Strafgericht, das Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen ganz allgemein ahnden soll, so jedenfalls die ursprüngliche Idee, um die bis zum letzten Augenblick gerungen wurde."

    Es war schließlich eine überwältigende Mehrheit in der UN-Bevollmächtigten-Konferenz, die das Rom-Statut annahm: 120 Ja- gegen sieben Nein-Stimmen bei 21 Enthaltungen. Endlich war der Weg frei für einen ständig arbeitenden, internationalen Strafgerichtshof. Seit 2002 ist das Statut in Kraft, 2003 wurden die ersten Richter vereidigt. Sitz des Gerichtshofs ist Den Haag.

    "Es war ein großer Schritt vorwärts, einen Durchbruch hatten wir ja doch schon drei, vier Jahre vorher, mit der Errichtung des Jugoslawien-Gerichtshofes und des Ruanda-Gerichtshofes. Und dann war 1998 das ein großer Schritt vorwärts, weil man jetzt ein Gericht eingerichtet hat, das nicht nur in bestimmten, eng begrenzten Konstellationen zuständig ist, sondern grundsätzlich für Straftaten überall auf der Welt."
    Gerhard Werle, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und juristische Zeitgeschichte an der Berliner Humboldt-Universität, begleitet die Entwicklung des Völkerstrafrechts seit vielen Jahren.

    "Eine wichtige Begrenzung ergibt sich daraus, dass das Gericht nur zuständig ist, soweit die Staaten vertraglich dem Statut für den Internationalen Strafgerichtshof beigetreten sind. In diesem Rahmen allerdings hat das Gericht eine weltweite Kompetenz."
    Aber nur dann, wenn der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, diese Verbrechen selbst zu verfolgen.

    "Also wenn entweder die staatliche Justiz zusammengebrochen ist, und nichts geht mehr, oder wenn ein Staat die Täter schützt, weil die staatlichen Stellen selbst beteiligt waren an Großverbrechen, was ja nun auch vorkommt."
    Das Rom-Statut, das am 17. Juli 1998 verabschiedet wurde, steht in der Tradition der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Robert Kempner, ehemaliger stellvertretender Chefankläger, wollte immer, dass die Nürnberger Prozesse Folgen haben für die Bekämpfung von Straftaten gegen das Völkerrecht in aller Welt:

    "Also Nürnberg wurde zu einem Rechtsbegriff und einem politischen Begriff und ist eigentlich bis zum heutigen Tage auch nicht vergessen worden und immer wieder erwähnt worden."
    Kempner selbst erlebte die Errichtung des Strafgerichtshofs nicht mehr. Dabei hatte es schon Anfang der 50er Jahre erste Entwürfe gegeben. Dass jahrzehntelang nichts daraus wurde, lag in der Befürchtung mächtiger Staaten, selbst wegen Kriegsverbrechen in Schwierigkeiten zu geraten; die Amerikaner wegen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, auch wegen der Kriegsverbrechen in Vietnam. Die Sowjetunion musste nach dem Krieg in Afghanistan mit Konsequenzen rechnen. Der Kalte Krieg tat ein Übriges, musste doch jede Seite eine Anklage der anderen befürchten. Erst mit dem Ende des West-Ost-Konflikts stiegen die Chancen für einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof.

    Werle: "Heute noch ist Nürnberg das wichtigste Symbol für die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen, aber auch schlicht wegen der Größe der Verbrechen, die dort verfolgt worden sind. Und es ist der klassische Präzedenzfall für das Völkerstrafrecht."
    Zurzeit läuft in Den Haag ein Verfahren gegen einen kongolesischen Milizenführer, der Kinder als Soldaten rekrutiert und in den Tod geschickt haben soll. In zahlreichen weiteren Fällen wird ermittelt. Während die Republik Kongo den Fall selbst an den Gerichtshof überwiesen hat, verweigert die Regierung des Sudan jegliche Zusammenarbeit, so dass es schwierig ist, die Menschenrechtsverletzungen in Darfur zu ahnden. Inzwischen haben 106 Staaten das Rom-Statut ratifiziert. Die Arbeit des Gerichts wird jedoch dadurch erschwert, dass zum Beispiel die USA, Russland und China das Statut abgelehnt haben. Außerdem hat das Gericht keine eigene Polizei und keine eigenen Vollstreckungsorgane. Dennoch, meint Professor Werle, sei es ein wichtiges Instrument im Kampf gegen die Kriegsverbrechen.

    Werle: "Es gibt ja auch Entwicklungen, beispielsweise Japan, jetzt der größte Beitragszahler des Gerichtshofs, ist vor einem Jahr beigetreten und die Japaner haben auch sehr lange gewartet, also da hat es eine Bewegung gegeben, und ich denke, es gibt schon gewisse Anzeichen dafür, dass beispielsweise die USA sich in Zukunft bewegen könnten.
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