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Urvogel
Archaeopteryx hatte hochspezialisiertes Federkleid

Paläontologie. - Archaeopteryx markiert vor rund 150 Millionen Jahren den evolutionären Übergang von Reptilien zu Vögeln, auch wenn man inzwischen eine ganze Zahl paralleler Arten gefunden hat. In "Nature" berichten Paläontologen von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie über ein besonders gut erhaltenes Exemplar. Einer der Wissenschaftler, Christian Foth, erläutert ihn im Gespräch mit Ralf Krauter.

Christian Foth im Gespräch mit Ralf Krauter | 03.07.2014
    Ein Mäusebussard fliegt über ein Feld.
    Das Gefieder des Archaeopteryx hatte etwas vom Greifvogel, sein Flug eher nicht. (picture-alliance / dpa / Boris Roessler)
    Krauter: Herr Foth, was macht diesen neuen Archaeopteryx so außergewöhnlich?
    Foth: In dem neuen Exemplar haben wir halt zum ersten Mal das komplette Gefieder erhalten, dass wir halt Rückschlüsse nicht nur über die Befiederung der Arme und Beine, sondern halt auch auf das Körpergefieder und die [Befiederung] des Schwanzes rückschließen können. Zum ersten Mal haben wir halt eine komplette Erhaltung der Schwanzfedern zum Beispiel.
    Krauter: Und welche Rückschlüsse erlauben Ihnen diese Federn, die Sie da jetzt sehen können?
    Foth: Also der Körper von Archaeopteryx war halt generell mit Konturfedern - also das, was man sich allgemein unter einer Feder vorstellt, so eine flächige Feder mit einer zentralen Rachis, oder einen zentralen Schaft - damit war der ganze Körper sozusagen bedeckt. Die Flügelmorphologie entspricht im Wesentlichen heutigen Vögeln. Also der war wahrscheinlich auch flugfähig, nicht besonders gut, aber sicherlich ausreichend. Zum ersten Mal können wir genau nachvollziehen, wie die Federn an den Beinen ausgebildet waren: Sie hatten ein Erscheinungsbild, wie man das bei den heutigen Raubvögeln findet. Und die Schwanzfedern sind daher interessant, dass die hinteren Schwanzfedern am Ende des Schwanzes extrem lang sind und die Federn an den Seiten des Schwanz ebenfalls eine aerodynamische Form zeigen, was also ebenfalls für die Flugfähigkeit von diesem Tier spricht.
    Krauter: Heißt das, der Archaeopteryx war wirklich der Urvogel, als der er ja lange Zeit gehandelt wurde?
    Foth: Naja, das ist halt schwierig. Wir wissen nun mittlerweile durch Funde aus China, dass Archaeopteryx nicht das einzige Tierchen war, was halt diese Übergangsform darstellt, sondern dass die ganze Evolution sehr, sehr viel komplexer war. Also, es gibt dort wirklich auch nahe Verwandte von Archaeopteryx, die halt nur im Detail zu unterscheiden sind. Aber sagen wir mal, vom wissenschaftshistorischen Aspekt bleibt Archaeopteryx der Urvogel. Aber er war halt nicht der einzige, sozusagen.
    Krauter: Und welche neuen Erkenntnisse können Sie beisteuern durch diese detaillierte Analyse des Federkleid, die jetzt möglich ist?
    Foth: Also, wir haben das erste Mal also quasi untersucht, nicht nur ob bestimmte Federtypen vorhanden sind oder nicht an verschiedenen Raubdinosauriern, sondern das auch auf die Körperregionen fokussiert. Das heißt also: Wie sieht die Befiederung an den Beinen aus? Wie sieht die Befiederung am Schwanz aus? Und anhand dieser Bemusterung haben wir eben versucht abzuleiten, welche Funktionen diese Federn gehabt haben könnten. Wir sehen dabei, dass wir in verschiedenen Körperregionen eine sehr, sehr große Variation haben von verschiedenen Federtypen. Aber auch halt eben in den verschiedenen Raubdinosaurier, das war also eine sehr mosaikartige Evolution und keine gerichtete Evolution. Und wir denken, dass wir dieses mosaikartige Muster halt am besten damit erklären können, dass Federn zum Beispiel für Schaufunktionen halt wichtig waren, oder halt eben für die Brut als Schutzfunktion, aber das halt eben, sagen wir mal, der Flug als Funktion eine eher unbedeutende Rolle am Anfang gehabt hat und erst am Nachhinein quasi sich entwickelt hat.
    Krauter: Das heißt, die Fähigkeit zu fliegen war nicht die Triebfeder für die Entwicklung? Es war andersrum: Erst waren die Federn da und irgendwann mal kam die Vögel sozusagen auf die Idee, die auch für etwas anderes zu benutzen?
    Foth: So kann man das vereinfacht darstellen, ja. Wir sehen halt eben auch, dass das eventuell mehrmals unabhängig entstanden ist, also diese Rekrutierung für die Flugeigenschaften bei vogelähnlichen Raubdinosauriern. Da gibt es einmal einen Vertreter aus China, der Microraptor, der diese Federn rekrutiert hat, um einen vierflügeligen Gleitflug zu machen. Auf der anderen Seite haben wir halt Archaeopteryx, der wahrscheinlich mit seinen Federn einen primitiven Flatterflug ausgeübt hat. Das heißt jetzt nicht, dass der Vogelflug mehrmals unabhängig voneinander entstanden ist, sondern der Vogelflug ist nur einmal entstanden. Aber innerhalb naher verwandter Arten unserer heutigen Vögel, also bei den Raubsaurier gab es halt eben auch andere Arten, die sagen wir mal, ein wenig experimentiert haben.