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US-Band Spoon
Rock fast ohne Gitarren

Seit über 20 Jahren spielt die Band Spoon aus Austin Musik zwischen Indierock und Postpunk. Jetzt erscheint ihr neuntes Studioalbum "Hot Thoughts". Darauf reichern sie ihren smarten Sound mit Funk- und Diskovibes an und entdecken das Saxofon. Ihre Gitarren lassen sie zum Teil im Schrank. Rockmusik ohne Gitarren?

Von Anke Behlert | 05.03.2017
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    Spoon (Beggars Group)
    Ein Synthieteppich, ein programmierter Hi Hat-Beat im 4/4 Takt, der kratzige Gesang von Spoon-Sänger Britt Daniel, dann ein Diskobass und ein Gitarrenriff, das im Ohr hängen bleibt. Ohrwürmer wie den Titeltrack ihres neuen Albums "Hot Thoughts" haben Spoon im Laufe ihrer Karriere schon einige geschrieben. Ein Geheimrezept dafür haben sie aber nicht, erklärt Britt Daniel.
    "Ich hatte vor einiger Zeit einen Beat programmiert und dazu Orgel und Celeste gespielt, so hat sich das angehört (Spielt Stück an, kurz hochziehen). Ich dachte wow, das klingt cool! Aber es war erstmal nur ein Akkord. Letztes Jahr im Frühling war meine Freundin in Japan und sie hat mir erzählt, dass sie eines Nachts in Shibuya unterwegs war und ein Typ zu ihr sagte, dass ihre Zähne so wunderschön weiß wären. Mit dieser Geschichte im Hinterkopf habe ich den Text geschrieben. Ich rauche zwar nicht, habe mir aber immer gesagt: wenn ich noch ein bisschen an dem Song arbeite, kann ich eine halbe Zigarette rauchen. Der Song ist also von Nikotin inspirit."
    Aufnahmestudio als Experimentierraum
    1993 haben Sänger Britt Daniel und Schlagzeuger Jim Eno die Band gegründet. Ihre ersten Alben klangen noch ziemlich roh, ihr Sound war deutlich von Bands wie den Pixies geprägt. Im Laufe der Zeit haben sie ihrer Liebe zu Popmusik auch in ihren eigenen Songs immer mehr Platz eingeräumt und das Aufnahmestudio als Experimentierraum entdeckt. Wo vorher laute verzerrte Gitarren das Klangbild prägen, wird später das Klavier mehr und mehr zum tragenden Element. So auch in "The Way We Get By", einem ihrer bekanntesten Songs vom Album "Kill The Moonlight" aus dem Jahr 2002.
    Mit ihrem neuen Album "Hot Thoughts" erweitern Spoon nun nochmals ihr Soundspektrum. Schon auf dem letzten Album "They Want My Soul" erklangen vereinzelt ambienthaft wabernde Synthieteppiche. Dafür verantwortlich zeichnet auch der Produzent Dave Fridmann, der unter anderem bei vielen Alben der Flaming Lips und Mercury Rev an den Reglern saß. Bei "Hot Thoughts" hat er Spoon in für sie bis dahin unerschlossene Klangterritorien begleitet.
    "Wenn wir anfangen an einer Platte zu arbeiten, setzen wir uns nicht mit einem vorgefertigten Plan hin und sagen: Ok, dieses Mal machen wir es so. Wir fangen an, einen bestimmten Weg zu gehen. In der Vergangenheit haben wir eher traditionelle Alben mit Bass, Gitarre und Schlagzeug aufgenommen. Ich wollte, dass wir den nächsten Schritt gehen und weniger erdig und altmodisch klingen. Das habe ich dann futuristische Musik genannt."
    Das ganze Album ist von einer unterschwelligen Spannung durchzogen. Die Aufnahmen waren schon im Oktober beendet, also noch bevor der neue Präsident gewählt wurde. Aber die aufgeladene Stimmung der vergangenen Monate findet ihren Weg in die Songs. Und obwohl Spoon keine ausgesprochen politische Band sind, beziehen sie mit der Botschaft in dem Stück "Tear it down" doch recht eindeutig Stellung.
    Die Songs auf "Hot Thoughts" grooven und sind tanzbar. Die Synthies schimmern, mal geben Percussions und eine zarte Marimba den Ton an, dann wieder scheppert das Blech der Schlagzeugbecken. Daniels Texte bewegen sich zwischen sinnlich und frustriert, stets vorgetragen mit der ihm eigenen nervösen Heiserkeit.
    Überraschendes Saxophon-Instrumentalstück
    Disco, Funk und Glamrock werden zitiert, Verweise auf David Bowie und Kiss tauchen auf und am Ende überrascht ein Saxophon-Instrumentalstück den Hörer. Das war einer dieser erfreulichen Zufälle, erzählt Britt Daniel.
    "Wir hatten einen recht langen Song, ohne Text und ich dachte mir: ein Saxophon am Anfang wäre schön. Ein Freund von unserem Keyboarder Alex kam dann ins Studio und hat nicht nur den Anfang gespielt, sondern gleich den ganzen Song zwei Mal. Er war an etwas dran und hat einfach weitergespielt. Als er fertig war, hab ich die anderen Spuren ausgemacht und mir nur das Saxophon angehört. Es klang großartig und so ganz anders und neu für uns. Wir hatten nicht geplant das Album mit einem Song zu beenden, der zum Großteil aus Saxophon besteht. Es ist einfach passiert und ich freue mich sehr darüber."
    Spoon machen jetzt also Musik mit Synthies, Saxophon und programmierten Beats - das ist erstmal gewöhnungsbedürftig. Und "Hot Thoughts" klingt auch ganz anders, als alles was sie vorher gemacht haben. Aber wenn man sich auf den neuen Sound eingelassen hat, stellt man fest, es sind immer noch Spoon - die Band mit einem Händchen für Ohrwürmer und lässig-coole Pop/Rocksongs - die auf Gitarren größtenteils verzichten.
    "Es gibt heutzutage wohl nicht so viele Leute, die Rockplatten machen, vor allem solche, auf denen man fast keine Gitarren hört. Aber der Beat und die Vocals sind doch sehr Rock‘n‘Roll. Und man braucht nicht unbedingt eine Gitarre, ich meine, Jerry Lee Lewis ist doch Rock‘n‘Roll, oder nicht?!"