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US-Forschungserfolg
Milz fischt Bakterien aus dem Blut

Sie ist eine der weltweit häufigsten Todesursachen: Die Sepsis, im Volksmund auch Blutvergiftung genannt. Bei einer Infektion geraten Krankheitserreger, meist Bakterien, im Körper außer Kontrolle. Ein Forscherteam aus den USA hat eine künstliche Milz entwickelt, mit der sie das Blut eines septischen Patienten außerhalb des Körpers von den gefährlichen Keimen befreien könnten.

Von Marieke Degen | 15.09.2014
    Zwei Hände fassen eine Petrischale mit Bakterienkulturen zur Genvermehrung.
    Mehr als 90 verschiedene Krankheitserreger werden nach Angaben der Forscher auf diese Art unschädlich gemacht: Viren, Pilze, Parasiten, Toxine und Bakterien. (dpa / picture alliance / Michael Rosenfeld)
    Die Ratte liegt auf dem Bauch, tief in Narkose. Forscher hatten ihr Bakterien in die Blutbahn injiziert, Staphylokokken, die sich rasant vermehrt haben. Jetzt sickert ihr Blut über einen Schlauch durch ein graues Kästchen, nicht viel größer als ein Smartphone - und von dort wieder zurück in ihren Körper.
    "Innerhalb von wenigen Stunden konnten wir 99 Prozent der Bakterien, die im Blut zirkulierten, auf die Weise entfernen."
    Sagt Don Ingber von der Harvard Medical School in Cambridge, der die Apparatur mit entwickelt hat. Vielleicht könnte sie eines Tages Leben retten - das Leben von Menschen, die an einer Sepsis erkrankt sind.
    Weltweit sterben jedes Jahr rund 18 Millionen Menschen an Sepsis
    "Sepsis ist ein großes Problem in der heutigen Medizin. Sehr viele Menschen sterben daran. Deshalb wollten wir einen einfachen Apparat entwickeln, mit dem sich eine Sepsis behandeln lässt - auch wenn man noch nicht den genauen Erreger, die genaue Ursache der Sepsis kennt. Einen Apparat, der sämtliche Krankheitserreger, die eine Sepsis auslösen können - Bakterien, aber auch Viren, Pilze, Toxine - einfach aus dem Blut fischt."
    Don Ingber und sein Team haben sich dafür die Milz zum Vorbild genommen. Denn die Milz macht in unserem Körper genau das: Sie fischt Krankheitserreger aus dem Blut. Zwar mithilfe von bestimmten Proteinen, die die Krankheitserreger ganz gezielt erkennen. Die Wissenschaftler haben diese Proteine im Labor nachgebaut und sie zusätzlich mit winzigen magnetischen Kügelchen versehen.
    Simples Prinzip - große Wirkung
    "Sobald das Blut den Körper verlassen hat, vermischen wir es mit unseren magnetischen Proteinen. Und die heften sich dann gezielt an die Krankheitserreger an. Das Blut fließt dann weiter in unsere Apparatur, die wiederum mit einem Magneten versehen ist. Damit werden die Krankheitserreger - die ja an die magnetischen Proteine gebunden sind - aus dem Blut gezogen. Und das gereinigte Blut fließt anschließend wieder zurück in den Körper. Das Prinzip ist wirklich simpel."
    Mehr als 90 verschiedene Krankheitserreger werden nach Angaben der Forscher auf diese Art unschädlich gemacht: Viren, Pilze, Parasiten, Toxine und Bakterien.
    "Das Verfahren funktioniert auch bei Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind."
    Erfolge in ersten Tests
    In den ersten Tierversuchen hat sich die künstliche Milz bewährt. Sie hat das Blut von Ratten zuverlässig von Staphylokokken befreit, und nicht nur das:
    "In einem zweiten Versuch haben wir den Ratten Endotoxine injiziert, das sind Gifte, die zum Beispiel bei einer Infektion mit Escherichia-Coli-Bakterien freigesetzt werden. Die Dosis war tödlich. Die Tiere, die nicht behandelt wurden, starben innerhalb von nur fünf Stunden an einem septischen Schock. Aber von den Tieren, die wir an die künstliche Milz angeschlossen hatten, haben die meisten überlebt."
    Weitere Versuche mit septischen Schweinen
    Besondere Risiken haben die Forscher noch nicht ausgemacht. Das Blut sah nach der Prozedur genauso aus wie vorher, von seiner Zusammensetzung her; und es sei auch nicht geronnen. Inzwischen sind die Wissenschaftler schon einen Schritt weiter gegangen: Sie testen die künstliche Milz jetzt an Schweinen.
    "Wir denken, dass eine Sepsis beim Schwein immer noch das beste Tiermodell für eine Sepsis beim Menschen ist. Wenn wir dann die entsprechenden Daten zusammenhaben, dann bekommen wir hoffentlich die Erlaubnis, das Verfahren auch beim Menschen zu testen - aber das wird noch ein paar Jahre dauern."