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US-Justizminister im Geheimdienstausschuss
"Eine wenig eindrucksvolle Performance"

US-Justizminister Jeff Sessions habe bedrängt gewirkt, sagte die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller im Dlf. Besonders bemerkenswert sei seine Aussage, dass er nie nach Details zu einer angeblichen russischen Einmischung in die amerikanischen Wahlen gefragt habe.

13.06.2017
    Die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller sitzt im Studio während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner".
    Die Politikwissenschaftlerin und US-Expertin Constanze Stelzenmüller (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Christiane Kaess: Mitgehört am Telefon hat die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Guten Abend, Frau Stelzenmüller.
    Constanze Stelzenmüller: Guten Abend, Frau Kaess!
    Kaess: Hatten Sie diesen Auftritt von Sessions so erwartet?
    Stelzenmüller: Ich habe ihn einmal bei einer Konferenz erlebt auf einem Panel und muss sagen, das ist jetzt auch schon zwei, drei Jahre her, und fand ihn wenig eindrucksvoll, aber doch auch ziemlich aggressiv. Und ganz ähnlich war er heute Abend, muss ich sagen, beziehungsweise in Washington ist ja noch Nachmittag. Das ist eine – er wirkt eigentlich, als sei er – er wirkt bedrängt, er mauert, er blockt, wie Herr Kößler gesagt hat. Er zieht sich darauf zurück, dass er keine Notizen habe, er zieht sich darauf zurück, dass er keine Erinnerungen habe. Das ist dafür, dass er immerhin ein Kollege dieser Senatoren ist und selbst Jurist, eine wenig eindrucksvolle Performance.
    Kaess: Aber er war sehr klar mit seinen Aussagen zu Russlandkontakten, von denen er eben abstreitet, dass es die zumindest in einer ungünstigen Art und Weise oder in einer unerlaubten Art und Weise gegeben hat. Wie glaubhaft ist er da für Sie?
    Stelzenmüller: Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Es ist natürlich ein bisschen – ich glaube, dass da – das wird man noch sehen. Jedenfalls wird ihm das möglicherweise noch vorgehalten werden. Schon erstaunlich ist, dass er in seinem Amt, in seinem Auftrag als Justizminister behauptet, er habe nie nach Details gefragt zu einer angeblichen russischen Einmischung in die amerikanischen Wahlen. Das ist für einen amerikanischen Justizminister in diesen Zeiten schon eine sehr bemerkenswerte Aussage.
    Kaess: Wenn Sie sagen, wir werden es eventuell noch sehen, auf wen würden Sie da noch setzen, wer könnte da noch aussagen?
    Stelzenmüller: Es ist nicht unbemerkt geblieben, dass der Sonderbeauftragte Robert Mueller, ein Vorgänger von [James Comey als FBI-Chef, der gerade eine Untersuchung leitet zu all diesen Fragen, gerade sozusagen die nukleare Option eines Untersuchungsteams zusammenstellt. Nach allem, was man hört, rekrutiert er die berühmtesten Anwälte und vor allen Dingen Staatsanwälte des Landes, und das lässt ahnen, dass er sozusagen sein Untersuchungsfeld auf den Bereich strafrechtlich relevanter Tatsachen ausdehnt.
    "Weitgehende Einmischungen russischer Medien"
    Kaess: Frau Stelzenmüller, wann wären denn Grenzen überschritten gewesen bei diesen Kontakten mit russischen Vertretern vonseiten der Trump-Kampagne? Denn wir haben jetzt gerade von Sessions gehört, dass er das ja so als routinemäßig darstellt. Was wäre denn eine Grenzüberschreitung tatsächlich gewesen?
    Stelzenmüller: Dafür gibt es keine klaren Demarkierungen, keine roten Linien sozusagen. Das ist eigentlich eine Frage des politischen [Com ... unverständlich], aber das Problem ist wohl momentan eher, dass sich so viele Einzeltatsachen, so viele Mosaiksteine, die darauf deuten, dass Russland sich auf wirklich bösartige Weise in die Meinungsbildung der Amerikaner eingemischt hat. Nicht in den Wahlprozess selbst, das behauptet zurzeit keiner, dass Wahlmaschinen manipuliert worden seien. Aber, wie ein Kommentator geschrieben hat, warum soll man Wahlmaschinen manipulieren, wenn man die Köpfe der Menschen hacken kann? Es hat einfach weitgehende Einmischungen russischer Medien und Trolle und Bots in die öffentlichen Debatten gegeben. Es hat offensichtlich unstatthafte Begegnungen gegeben mit russischen Diplomaten vonseiten der Trump-Kampagne, vonseiten des entlassenen Nationalen Sicherheitsberaters Flynn, wie es scheint, auch vonseiten des Schwiegersohns, Jared Kushner, wie es scheint, auch von Jeff Sessions. Und all diese Dinge fügen sich zusammen zu einem Bild, das doch vielen Leuten in Washington, auch einigen Mitgliedern dieses Senatsausschusses hochgradig suspekt erscheint. Man sollte nicht vergessen, dass bei der Anhörung von Comey letzte Woche auch die republikanischen Senatoren bemerkenswert vorsichtig waren.
    Kaess: Aber es kann auch sein, dass wir uns auch in den nächsten Wochen und Monaten weiterhin im Bereich des Ungefähren und der Interpretation bewegen werden und letztendlich zum Schluss dabei überhaupt nichts herauskommt?
    Stelzenmüller: Das ist, glaube ich, sehr gut möglich, es sei denn, Robert Mueller, der mit Sicherheit sehr genau langwierig, ausführlich recherchieren wird, plötzlich irgendeine dramatische Enthüllung machen kann. Ich glaube, das ist eher der unwahrscheinlichere Fall, und deshalb mutmaßen die meisten Analysten in Washington, dass die politische Abrechnung mit dieser Regierung frühestens in den Zwischenwahlen, in den Midterm Elections 2018 kommen wird.
    Kaess: Und dann durch die Wähler.
    Stelzenmüller: Durch die Wähler, genau. Wenn dann die Wähler beschließen, dass ihnen das eine oder andere nicht mehr gefällt oder doch. Das wäre nach der Einschätzung der meisten der erste Zeitpunkt, zu dem eine politische Abrechnung kommen könnte.
    "Robert Mueller zu feuern, wäre möglicherweise doch eine Grenzüberschreitung"
    Kaess: Was glauben Sie, wenn wir nochmal auf die momentane Situation blicken, wie sehr Trump selbst unter Druck steht?
    Stelzenmüller: Das ist auch immer so schwer einzuschätzen, weil er ja notorisch dafür ist, fast täglich zu tweeten, und diese Tweets eine große Gereiztheit verraten. Gleichzeitig scheint das aber auch sein Dauerzustand zu sein. Diese Gereiztheit kennen wir nun schon seit vielen Wochen und Monaten. Und möglicherweise ist auch da eine größere Dauerbelastbarkeit denkbar, als man sich das sonst hätte vorstellen können. Andererseits, es hat gerade Gerüchte gegeben darüber, dass Trump mit einem Freund darüber gesprochen habe – das hat dann dieser Freund der Presse gesagt, dass er überlege, Robert Mueller zu feuern. Das wäre, glaube ich, möglicherweise dann doch eine Grenzüberschreitung im politischen Washington, die auch für die Republikaner sehr schwer zu ertragen wäre.
    Kaess: Sagt die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Danke für Ihre Zeit heute Abend!
    Stelzenmüller: Gern geschehen. Ihnen einen schönen Abend, tschüs!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.