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US-Kampf gegen den IS
Reichen Luftangriffe nicht mehr aus?

Am Montag jährt sich die Ausrufung des IS-Kalifats. Seit einem Jahr verbreitet die Terrormiliz durch Anschläge und Enthauptungen Angst und Schrecken, kontrolliert große Gebiete im Irak und in Syrien. Und der Kampf gegen den Islamischen Staat? Kommt nicht entscheidend voran. Das weiß auch die US-Politik - und streitet über die nächsten Schritte.

Von Martin Ganslmeier, ARD-Studio Washington | 27.06.2015
    Kobane an der syrisch-türkischen Grenze: Schauplatz von US-Angriffen aus der Luft
    US-Präsident Obama scheut den Einsatz von Bodentruppen gegen die IS-Miliz (picture alliance/dpa/Kyodo)
    Die Bilder von den Terroranschlägen in Tunesien, Frankreich und Kuwait sorgten auch in den USA für Entsetzen. Das Weiße Haus verurteilte die Taten mit scharfen Worten: "Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Opfern dieser abscheulichen Verbrechen, bei ihren Angehörigen und bei der Bevölkerung dieser drei Länder". Für eine direkte Verbindung der Anschläge gibt es nach Einschätzung der US-Regierung noch keine Hinweise. Aber gemeinsam mit den betroffenen Ländern sei Amerika entschlossen, die "Plage des Terrorismus" zu bekämpfen. Dennoch mehren sich in den USA die kritischen Stimmen. Der republikanische Senator John McCain hält es für einen schweren Fehler, dass sich die Obama-Regierung im Kampf gegen den IS auf Luftangriffe beschränkt:
    "75 Prozent unserer Kampfflugzeuge kehren zurück, ohne eine Bombe abgeworfen zu haben. Sie haben einfach niemanden am Boden, der ihnen Ziele durchgibt."
    Obama: IS ohne Bodentruppen bekämpfen
    US-Präsident Obama hatte lange gezögert, dem Islamischen Staat den Krieg zu erklären. Noch Anfang 2014 verglich er die IS-Milizen mit einer Nachwuchstruppe. Doch spätestens nach den brutalen Enthauptungen mehrerer Geiseln im vergangenen August wuchs in den USA der Druck, den IS-Terror zu bekämpfen. Im September verkündete Obama als Ziel: Amerika werde den IS "schwächen und letztlich zerstören". Allerdings ohne kämpfende US-Bodentruppen, um nicht erneut Zehntausende amerikanischer Soldaten in einen Krieg im Irak zu verwickeln. Dafür hätte Obama weder die Unterstützung der Bevölkerung noch die seiner Demokratischen Partei. Mehr US-Soldaten im Irak wären sogar kontraproduktiv, warnte der demokratische Senator Chris Murphy:
    "Wollen Sie die größte Rekrutierungsoffensive für den IS? Dann schicken Sie Zehntausende US-Soldaten in den Nahen Osten. Das wäre die beste Werbe-Maßnahme für den IS."
    Doch ohne "amerikanische Augen auf dem Boden" komme man gegen den Islamischen Staat nur langsam voran, sagen Militärexperten. Obama entschied sich für einen vorsichtigen Mittelweg. Anstelle kämpfender Bodentruppen schickte er Militärberater, deren Zahl schrittweise auf 3.500 erhöht wurde. Republikanische Außenpolitiker kritisieren dies als "halbherzigen Kampf mit angezogener Handbremse" und fordern den Einsatz von mindestens 10.000 US-Bodentruppen. Dagegen sehen die Demokraten jetzt schon gefährliche Parallelen zum Vietnam-Krieg, der vor 50 Jahren auch mit einigen hundert Militärberatern begann. Für Verteidigungsminister Ashton Carter liegt der Schlüssel zum Sieg über den IS letztlich bei der irakischen Regierung in Bagdad. Bisher fehle es der irakischen Armee jedoch am "Willen zum Kampf", kritisierte Carter nach dem Fall der Stadt Ramadi:
    "Wir können sie ausbilden und bewaffnen. Aber den Willen zum Kampf können wir ihnen natürlich nicht geben."
    Carters offene Worte sorgten für Verstimmung bei der irakischen Regierung. Sie fordert mehr amerikanische Waffen. Doch die landen allzu häufig in den Händen der IS-Milizen. Auch da ist die Obama-Regierung vorsichtig geworden. Und keinesfalls will Washington den Eindruck vermitteln, Amerika kämpfe an der Seite der Schiiten gegen die Sunniten. Deshalb besteht Obama darauf, dass der neue irakische Präsident alle Bevölkerungsgruppen und Religionen im Kampf gegen den IS vereint. Nur wenn Sunniten und Schiiten im Irak gemeinsam den IS bekämpfen, werde der Islamische Staat geschwächt und letztlich zerstört.