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Regionale Netzentgelte
Warum der Strompreis vom Wohnort abhängt

Netzentgelte werden für die Leitungen erhoben, durch die Strom zum Kunden transportiert wird. Sie sind der größte Einzelposten beim Strompreis und fallen sehr unterschiedlich aus. Wie viel Netzbetreiber kassieren hängt auch von der Besiedlungsdichte ab, weswegen Strom auf dem Land tendenziell teurer ist als in der Stadt.

Von Philip Banse | 03.04.2018
    Atomkraftwerke Isar 1 und 2 mit dem Kühlturm nahe Essenbach (Niederbayern), aufgenommen am 25.08.2009. Foto: Armin Weigel dpa/lby +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
    Der Strompreis steigt tendenziell, je dünner besiedelt das zu versorgende Gebiet ist (dpa)
    Die Kilowattstunde Strom kostet für Privatkunden heute knapp 30 Cent. Dieser Preis setzt sich aus vielen Kosten zusammen, Steuern und Abgaben etwa und vor allem aus den sogenannten Netzentgelten. Das sind Gebühren für die Leitungen, durch die der Strom zum Kunden transportiert wird. Diese Netzentgelte machen rund ein Viertel des Strompreises aus und sind damit der größte Einzelposten.
    Diese Netzentgelte sind auch der Grund dafür, dass Strom in Süd- und Westdeutschland günstiger ist als in Nord- und Ostdeutschland. Denn in Deutschland gibt es vier Betreiber der bundesweiten Übertragungsnetze und noch einmal rund 900 sogenannte Verteilnetzbetreiber: Unternehmen wie die MainNetz GmbH, die Stromkontor Rostock GmbH oder die Netzwerke Merzig GmbH bringen den Strom über ihre Leitungen bis ins Haus. Alle Netzbetreiber kassieren dafür eine Gebühr.
    Je dünner besiedelt die Gegend, desto teurer die Verteilung
    Die hängt vom Kostenaufwand des Unternehmens ab, und der fällt regional sehr unterschiedlich aus, erklärt Olaf Peter Eul von der Bundesnetzagentur, der staatlichen Aufsichtsbehörde:
    "Wenn Sie ein geschlossenes Stadtgebiet haben, dann ist die Stromverteilung einfacher. Es sind möglicherweise auch viele Industriekunden da, die Netzentgelte zahlen, dadurch verteilt sich schlicht alles etwas mehr. Wenn Sie dagegen in die Fläche gehen und müssen ein sehr dünn besiedeltes Gebiet anschließen, dann ist das ein Faktor, der für weniger Kunden mehr Kosten produziert."
    Der lokale Stromkunde muss zahlen
    Strom auf dem Land ist also tendenziell teurer als in der Stadt. Dazu kommt: Werden in einer Region besonders viele Wind- und Sonnenkraftanlagen aufgestellt, müssen die ans lokale Stromnetz angeschlossen werden, und auch das wurde bislang nur auf die Kunden des lokalen Stromnetzes umgelegt, was Strom in Brandenburg teurer macht als etwa in Bayern.
    Und weil dieser ganze Ökostrom dann auch noch aus dem dünn besiedelten Osten in den industriellen Süden geschafft werden muss, müssen neue Stromtrassen her, die – genau – auch die Kunden des lokalen Stromnetzes bislang alleine zahlen müssen:
    "Ich kann das für Thüringen sagen. Wir haben dort aktuell zwei größere Hochspannungsleitungen im 110-KV-Bereich errichtet, die nur für den Wegtransport von Windenergie gebaut worden sind", sagt Martin Schreiber von der TEAG, einer Firma, die das Stromnetz in Thüringen betreibt, also auch modernisiert und ausbaut.
    "Diese Kosten finden sich dann eindeutig in den Netznutzungsentgelten wieder, denn das ist ein Netzausbau, und den müssen wir irgendwie umlegen."
    Verbraucherschützer fordern gerechtere Umlegung
    Richtig, sagen Verbraucherschützer, aber doch bitte nicht nur auf die Stromkunden des jeweils regionalen Stromnetzes, sondern bitte auf alle deutschen Stromkunden. Denn Windräder anschließen und Trassen für Windstrom bauen, das sei eine Gemeinschaftsaufgabe. Genau dieses Ziel – Verteilung der Ausbau- und Anschlusskosten auf alle Schultern – soll ein Gesetz erreichen, dass die letzte Bundesregierung noch verabschiedet hat, sagt Anett Ludwig vom Verbraucherzentrale Bundesverband:
    "Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz wurde eine zentrale Forderung des vzbv umgesetzt, nämlich, dass die Netzentgelte schrittweise vereinheitlicht werden. Das begrüßen wir und finden wir gut."
    Manche Betriebe zahlen wenig oder keine Netzentgelte
    Dadurch dürften die Strompreise in Nord- und Ostdeutschland sinken, allerdings erst im nächsten Jahr. Viel billiger dürfte der Strom für Privatleute werden, wenn mehr Industrieunternehmen Netzentgelte zahlen müssten, sagen Verbraucherschützer. Aktuell müssen nämlich rund 4.500 Industriebetriebe in Deutschland gar keine oder geringe Netzentgelte zahlen. So kämen 2,4 Milliarden Euro zusammen, die dann allein die Verbraucher tragen.
    "Aus unserer Sicht ist das nachvollziehbar", kommentiert Martin Schreiber vom Stromnetzbetreiber TEAG aus Thüringen, "denn in der Endkonsequenz würden Sie eine De-Industrialisierung vorantreiben."
    Deswegen müssten energieintensive Industrien weiter vom Netzentgelt befreit bleiben. Verbrauchschützer wie Anett Ludwig beklagen, dass längst nicht nur Aluminiumwerke befreit sind, sondern auch normale Industrie, "wie Versicherungen, Banken, Fast-Food-Filialen. Und aus Verbrauchersicht braucht es eine gerechte Finanzierung der Energiewende und dazu gehört auch, dass Verbraucher nicht überproportional belastet werden im Netzentgelt."