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US-Nachwuchswissenschaftler will habilitieren

Brandon Dotsons Vorschlag für seine Habilitation wurde von der Fakultät genehmigt. Jetzt kann es losgehen - aber warum nur will der US-Amerikaner überhaupt habilitieren - das muss er in seiner Heimat doch gar nicht.

Von Hedwig Thomalla | 31.01.2011
    Buddhismuskonferenz in München. Drei Tage lang ist Brandon Dotson auf Hochtouren gelaufen, hat Kontakte mit Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland geknüpft, hat Vorträge gehört - und nebenbei den Umzug in sein neues Büro über die Bühne gebracht.

    Ab jetzt aber heißt es den Schalter umlegen und sich ganz gezielt wieder auf die eigentliche Forschungsarbeit konzentrieren. Denn seit heute weiß der junge Tibetologe, dass der Vorschlag für seine Habilitation von der Fakultät an der Uni München angenommen ist:

    Jens Uwe Hartmann: "Das heißt, ab heute läuft die Habilitationsphase. Das Thema ist sehr gut aufgenommen worden. Der einzige Diskussionspunkt, den ein Kollege angebracht hat, ist: Warum wird die Arbeit auf Englisch und nicht auf Deutsch verfasst?"

    Brandon Dotson will sich mit der Übersetzung eines der wichtigsten historischen tibetischen Schriftstücke, dem "Tibetan Chronicle" habilitieren.

    Brandon Dotson: "Das ist ein sehr interessantes Dokument: Es besteht aus einer Rolle, die ungefähr sechs, sieben Meter lang ist und in einer Höhle in Zentralasien erhalten wurde. Es ist eine Chronik, der Anfang davon, was man nationales Gedankengut nennt – eine Geschichte darüber, wer die Tibeter sind, wo sie herkamen und welche Werte sie hatten."

    Die eigentliche Übersetzung von Alttibetisch auf Englisch hat Brandon Dotson schon in den letzten Jahren gemacht. Für seine Arbeit will er diese sehr poetischen Texte nun mit anderen epischen Werken der gleichen Zeit vergleichen und wissenschaftlich einordnen. Eine gute Basis für eine schnelle Habilitation: Deshalb wurde der Vorschlag vom Fakultätsrat auch einstimmig angenommen, sagt Jens Uwe Hartmann Professor für Indologie, einer von Brandon Dotsons Mentoren in München. Nur eine kleine Irritation gab es:

    "Es wurde im Fakultätsrat gefragt, warum will der sich überhaupt habilitieren. Der kommt doch aus dem angelsächsischen Wissenschaftsbereich, wo das gar nicht notwendig ist."

    Darauf hat Brandon Dotson eine einfache Antwort:

    "Einer der Gründe für die Habilitation ist, dass man habilitiert sein muss, um Doktoranden zu betreuen. Im Rahmen meines Projekts werde ich zwei Doktoranden haben. Das Thema hat sich also angeboten, weil ich es schnell genug, sagen wir in zwei Jahren, abschließen kann, um dann noch eines der Projekte abzuschließen und der echte Betreuer meiner Doktoranden zu sein."

    Würde Brandon Dotson sich nicht habilitieren, müsste offiziell einer seiner betreuenden Professoren diese Doktorandenbetreuung übernehmen.

    Eine Tücke des deutschen Hochschulsystems, die selbst Mentor Jens Hartmann (noch kurz) überrascht:

    "Stimmt, da habe ich gar nicht dran gedacht. Weil das ist für mich so selbstverständlich, dass ich das darf. Aber das ist richtig. Das muss ein Habilitierter sein, der das Erstgutachten bei einer Dissertation schreibt."

    In England, wo Dotson vorher wissenschaftlich tätig war, gab es dieses Problem nicht. Dort musste Brandon lediglich ein zweitägiges Seminar besuchen, um Doktoranden betreuen zu können. So bedeuten die deutschen Hochschulbestimmungen für den jungen US-Forscher zwar erst mal viel zusätzliche Arbeit. Doch er kann diesem Prozess durchaus auch etwas Positives abgewinnen:

    "Es wird wohl angenommen, dass man nach seiner Dissertation losgeht und ein Professor oder Dozent wird und dass man weiß, wie das geht, weil man den Großteil seines Lebens in der Wissenschaft war und diese Fähigkeit irgendwie aufgesogen hat. Aber da gibt es wirklich einiges, worüber es sich nachzudenken lohnt: wie man Lernprozesse anstößt, wie man eine gute Lernumgebung schafft und darum geht es bei der Habilitation auch. Es geht nicht nur um Forschung, sondern auch um Pädagogik."

    In den nächsten Wochen muss Brandon Dotson nun zusammen mit einem Mentorat, das aus drei betreuenden Professoren besteht, eine Art Zeitplan für die Habilitation aufstellen. Darin wird ganz genau festgelegt, wann er seine wissenschaftliche Arbeit abgeschlossen haben soll, wie viele Lehrveranstaltungen und Vorträge er zu halten hat und ob er Konferenzen besuchen muss. Und Ende dieses Monats steht dann auch der nächste große private Schritt an: der Umzug in die erste eigene Wohnung in München.