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US-Notenbank
Trumps Casting für die Fed

In den nächsten drei Wochen will US-Präsident Donald Trump über die Besetzung der Spitzenposten bei der US-Notenbank entscheiden. Für Trump bietet sich damit eine Möglichkeit, die amerikanische Geldpolitik neu auszurichten. Wird er dabei die Unabhängigkeit der Federal Reserve antasten?

Von Thilo Kößler | 05.10.2017
    Das Hauptgebäude der US-Notenbank (Federal Reserve) in Washington DC, USA, am 5. August 2011.
    Die Spekulationen kochen hoch: Wie wird Trump die insgesamt fünf Spitzenpositionen bei der US-Notenbank besetzen? (EPA / Jim Lo Scalzo)
    In der jüngeren Vergangenheit war wohl kaum ein US-Präsident in einer so komfortablen Lage wie Donald Trump. Wären da nicht die Widerstände in den eigenen Reihen der Republikaner, er könnte der Politik machtvoll in die Speichen greifen und auf allen Ebenen einen neo-nationalistischen Paradigmenwechsel Marke "America first" einleiten. Donald Trump gelang zwar bis dato noch kein einziger Reformanlauf - weder bei Gesundheit oder Steuern, noch beim Infrastrukturprogramm. Und doch verfügt er über Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses. Er kann dem Supreme Court über Jahre ein konservatives Facelifting verordnen. Und er hat nun auch noch freie Hand bei der Besetzung der Spitzenposten in der amerikanischen Notenbank. Geht es doch nicht nur um die Nachfolge von Fed-Chefin Janet Yellen, deren Amtszeit im Februar nächsten Jahres endet. Sondern auch um die Nachfolge von Vizepräsident Stanley Fischer, der unlängst überraschend seinen Rücktritt erklärte.
    Will Trump eine geldpolitische Wende?
    Damit nicht genug, sind weitere drei von insgesamt sieben Posten im Gouverneursrat der Fed vakant. Für Trump bietet sich damit die Chance, die US-amerikanische Geldpolitik neu auszurichten und die globale Wirtschaft zu beeinflussen. Mehr noch: Trump könnte versucht sein, die Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank anzutasten. Davor hatte Stanley Fischer nach seinem Rücktritt noch in einem Fernsehinterview gewarnt: Die Unabhängigkeit der Fed sei deshalb so wichtig, weil sie die Kontrolle über den Zinssatz habe.
    Die Frage nach dem künftigen Kurs der Fed - und damit nach dem Personal, das Donald Trump an den Schaltstellen dieser mächtigen Institution etablieren möchte - beschäftigt auch die internationalen Märkte und die Finanzexperten in den USA. Robin Brooks zum Beispiel, einen gebürtigen Frankfurter, der 1993 nach New York kam und zu einem der Chefstrategen bei Goldman Sachs aufstieg. Heute ist er Chefvolkswirt beim einflussreichen Institute of International Finance in Washington DC. Die Experten an der H-Street beraten die amerikanische Administration in allen Finanzfragen - mithin den Präsidenten selbst. Brooks hält es nicht für ausgeschlossen, dass Donald Trump eine geldpolitische Wende einleitet, einen Shift, wie er sagt.
    "Was wir zurzeit beurteilen ist, ob Donald Trump nachhaltige Wirkung hat. Ich denke schon, dass da ein Shift stattfinden wird."
    Viele Namen im Spiel
    Donald Trump steht unter Zeitdruck, wenn er die Schlüsselpositionen in der Zentralbank rechtzeitig besetzen möchte. Dieser Zeitdruck und die Vielzahl der vakanten Posten sind zwar ungewöhnlich, meint Robin Brooks - das Räderwerk dieser mächtigen Institution Fed sei aber so gut eingespielt, dass damit keinerlei Risiken verbunden seien.
    "Es gibt ja schon einige Vacancies, die schon länger offenstehen und die Fed macht ihre Arbeit nach wie vor. Ich kann mir vorstellen, wenn es Verzögerungen gibt, die amerikanische Geldpolitik wird genauso funktionieren wie vorher."
    Und doch macht sich angesichts des anstehenden Führungs- und Personalwechsels Nervosität in der Finanzwelt breit. Spekulationen schießen ins Kraut, wer denn an die Spitze der mächtigsten Notenbank der Welt rücken könnte. Namen werden genannt, die Robin Brooks allesamt kennt und einsortieren kann in den geldpolitischen Richtungsstreit, der sich im Wesentlichen um die Zinsentwicklung dreht.
    Dieses Thema steht folglich auch im Mittelpunkt des Castings, das der Präsident persönlich leitet. Als möglicher Kandidat für die Nachfolge Yellens gilt Kevin Warsh, mit dem Trump bereits gesprochen hat. Er ist zwar erst 47 Jahre alt, verfügt aber über eine immense Erfahrung, wie Brooks sagt. Zudem kennt er die Fed bereits von innen, weil er während der Finanzkrise in ihr Entscheidungsgremium berufen wurde und zuvor zum mächtigen Beraterstab von Präsident George W. Bush gehörte. Doch wofür steht er?
    "Da kratzen wir uns alle den Kopf zur Zeit, weil wir wissen, dass die Politik dieser Regierung für ein Erstarken der amerikanischen Wirtschaft steht, für mehr Beschäftigung, für schnelleres Wachstum, und eine straffere Geldpolitik bedeutet, dass die Zinsen schneller hochgehen und dass der Dollar möglicherweise um einiges hochgehen könnte. Und das ist nichts, worüber sich der Präsident unheimlich freuen dürfte."
    Auch eine Möglichkeit: alles bleibt beim Alten
    Deshalb stehen die Chancen auch für einen Geldtheoretiker und Finanzwissenschaftler nicht so gut. John Taylor gilt zwar als äußerst konservativ, ist aber als Verfechter der nach ihm benannten "Taylor-Rule" der Meinung, dass die US-amerikanischen Zinsen mit Blick auf die gute Arbeitslosen- und niedrige Inflationsrate eigentlich schon viel höher liegen müssten. Bleibt als prominenter Anwärter für die Nachfolge Yellens noch Gary Cohn, der wichtigste Wirtschaftsberater Donald Trumps, der vermutlich auch großen Einfluss auf den Entwurf seiner Steuerreform hatte. Gary Cohn soll zwar beim Präsidenten in Ungnade gefallen sein, weil er mit Trumps umstrittenen Äußerungen nach den rechtsextremen Unruhen in Charlottesville nicht einverstanden war. Aber Cohns Karten stehen nicht schlecht, sagt Robin Brooks vom Institut für internationale Finanzen.
    "Cohn hat das Attribut, dass er sehr gängig auf Wallstreet ist und den Finanzsektor sehr gut kennt. Und das ist für Donald Trump ein sehr wichtiger Sektor der amerikanischen Wirtschaft."
    Es könnte aber auch sein, dass alles ganz anders kommt - und dass sich Donald Trump dazu entschließt, alles beim Alten zu lassen. Will sagen: Mittlerweile wird gar nicht mehr ausgeschlossen, dass er Janet Yellen eine zweite Amtszeit anbietet. Nachdem er ihr wegen ihrer strengen Zinspolitik im Wahlkampf noch unterstellt hatte, seiner Kontrahentin Hillary Clinton politisch in die Hände spielen zu wollen, hat er sich jüngst auffallend positiv über Yellen geäußert.