Glen Hansard: "This wild willing"

Zeit für stille Momente

06:07 Minuten
Glen Hansard.
Der irische Singer-Songwriter Glen Hansard: "Wenn man ohne Erwartung ins Studio geht, dann geht man vielleicht mit etwas Wundervollem wieder heraus." © Agentur:agency
Von Diviam Hoffmann · 10.04.2019
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Der irische Künstler Glen Hansard fühlte sich ausgelaugt, als er in Paris auf drei iranische Musiker stieß. Mit den Khoshravesh-Brüder nahm er sein neues Album "This wild willing" auf. Sie ergänzen seine Folksongs auf ungewöhnliche Weise.
Als Glen Hansard 2012 mit 42 Jahren seine erste Soloplatte veröffentlichte, machte er schon fast 30 Jahre lang Musik. Zwischen seinen beiden letzten Alben nun liegt nur ein Jahr. Das Produzieren der eigenen Musik besitzt für ihn heute eine weitaus größere Bedeutung.
"Ins Studio zu gehen ist wie ein Labor zu betreten, in dem ein Zauber passieren kann – oder Songs sterben können. Oh ja, manchmal müssen wir sie direkt dort sterben lassen. Das kommt vor, wenn wir alles kontrollieren wollen. Das ist genau das, was ich in den letzten Jahren – und ganz besonders mit diesem Album gelernt habe: Wenn man komplett ohne Erwartung ins Studio geht, dann geht man vielleicht mit etwas Wundervollem wieder heraus."
Glen Hansards neues Album "This Wild Willing" ist in Paris entstanden, in einer Residenz für irische Künstler. Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch. Hansard war ausgelaugt vom langen Touren, verschleppte eine Bronchitis. Hier schaltete er ab, nutzte seine Schreibpause, um durch die Straßen der französischen Hauptstadt zu flanieren - bis er Freunde fand, die ihn in ihre Mitte aufnahmen.

Der Wendepunkt

"Der Wendepunkt war für mich auf einer Party, bei einer Freundin zu Hause. Dort habe ich diese drei Brüder aus dem Iran getroffen, die wundervolle persische Musik gespielt haben. Ich habe zugehört, irgendwann meine Gitarre genommen und einen Song gespielt, den ich aufnehmen wollte. Sie begannen, dazu zu spielen – und mein Song verwandelte sich in etwas ganz anderes."
Es sind die Khoshravesh-Brüder, die im Iran klassische und traditionelle Musik studiert hatten und nach Paris gezogen waren, um dort zu spielen. "Ich hab sie gefragt, ob sie mich im Studio begleiten würden. Sie waren sehr erfreut und sehr warmherzig. Wir waren eine Woche zusammen im Studio und sie haben mein Album komplett verändert."
Die Instrumente der Khoshravesh-Brüder sind die Kamantsche, eine im Schoß stehend gespielte Violine, die Ney, eine persische Flöte und die Sitar. Sie ergänzen Hansards ruhige Folk-Songs auf ungewöhnliche Weise. Vor allem haben sie aber den Rhythmus und die Energie der Platte verändert, so der irische Musiker.
"Sie haben den Songs eine Art Sinnlichkeit, eine Offenheit gegeben. Es klingt sehr rhythmisch. Die Khoshravesh-Brüder haben diesen Rhythmus in ihren Noten. Damit haben sie uns alle beeinflusst. Dieses Album hat einen besonderen Rhythmus, einen Groove – und diese Jungs haben das sofort verstanden."

Viel improvisiert

Hansard gibt seinen Songs Zeit, sich zu entwickeln. Streicher, Pianos, Gitarre, die persischen Instrumente steigern sich immer wieder und lassen gleichzeitig auch stillen Momenten Platz. Man hört das Umgreifen auf den Gitarrenseiten, das Atmen vor einem Gesangseinsatz, den Raum, in dem das Album entstanden ist. Doch da ist noch mehr, was auf diesem Album passiert: Das Zusammenspiel zwischen den Menschen im Studio.
"Auf dem Album ist nur ein Song, den ich vorher geschrieben habe. Alles andere ist im Studio entstanden, es ist ziemlich viel improvisiert. Manche Songs habe ich bisher nur einmal gespielt – und das war bei der Aufnahme."

Intimes Dokument des Zusammenspiels

Diese Atmosphäre einzufangen, gelingt Glen Hansard auf seinem Album. "This Wild Willing" mag das Rad introspektiver Folkmusik nicht neu erfinden – aber es ist ein intimes Dokument des Zusammenspiels eines Songwriters mit seinen Mitmusikerinnen und Musikern, mit so viel Liebe und Sorgfalt eingespielt, wie man ihnen heute nur selten begegnet.
"Darin liegt die wahre Energie. Manchmal müssen wir dafür auf Perfektion verzichten. Ich liebe es, wenn man hören kann, wie die Band etwas findet. Ganz anders, als wenn jemand das 17. oder das 117. Take spielt."
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