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US-Raum
Letzte Botschaft von Messenger

Sie ist seit zehn Jahren im All unterwegs, ihren elften Geburtstag wird sie nicht mehr erleben: Messenger. In dieser Woche wird erwartet, dass sie auf den Planeten Merkur stürzt, den sie momentan noch umkreist.

Von Guido Meyer | 27.04.2015
    Am Wochenende hat die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA noch einmal versucht, rauszuholen was nur irgendwie rauszuholen war. Ein letztes Mal noch hat sie die Umlaufbahn ihrer Raumsonde Messenger angehoben - um zehn auf jetzt 18 Kilometer Höhe. So nah kreist keine andere Sonde im Sonnensystem um einen Planeten. Da Merkur jedoch keine Atmosphäre hat, kann MESSENGER solche Tiefflüge gefahrlos ausführen - jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt.
    "Nach diesem letzten Bahnkorrekturmanöver sinkt der tiefste Punkt der Umlaufbahn bei jedem Umlauf ein wenig nach unten. Beim letzten Orbit liegt die Höhe über Grund dann bei null."
    Was der Chefwissenschaftler der Messenger-Mission, Sean Solomon, hier so nüchtern umschreibt, soll heißen: Früher oder später wird die Sonde auf den Planeten stürzen. Seit dem Wochenende sinkt sie bei jedem Umlauf 1,5 Kilometer tiefer. Somit dürfte der Aufschlag am Donnerstag erfolgen.
    "Nach dem letzten Korrekturmanöver ist kein einziger Tropfen Treibstoff mehr übrig. Das Hydrazin für die Bordtriebwerke hatten wir schon Anfang April verbraucht. Am Wochenende haben wir nun auch das übrige Helium ausgestoßen, das bislang eigentlich nur als Treibgas diente."
    Anziehungskraft der Sonne
    Doch irgendwann gehen alle lebensverlängernden Maßnahmen zu Ende. Ohne Treibstoff und damit ohne Schub hat die Sonde der Anziehungskraft der Sonne nichts entgegensetzen. Denn ohne bremsende Atmosphäre ist es nicht Merkur selbst, der an der Sonde zieht, sondern die nur rund 60 Millionen Kilometer entfernte Sonne, erklärt Daniel O'Shaughnessy, der Systemingenieur von Messenger.
    "Über die nördliche Halbkugel fliegt Messenger mit nur 18 Kilometern Höhe sehr niedrig hinweg, über der südlichen befindet sich die Sonde hingegen auf 11.000 Kilometern Höhe ihrer stark elliptischen Umlaufbahn. Die benachbarte Sonne zieht an dem tiefsten Punkt der Bahn, sodass er sich immer mehr absenkt."
    Das Ende von Messenger nun wird ein unrühmliches sein. Zum einen wird es keinen Film geben, der die letzten Sekunden bis zum Aufprall aufzeichnet. Zum Schluss wird sich die Sonde nämlich mit vier Kilometern pro Sekunde nahezu horizontal über die Planetenoberfläche bewegen - eine Geschwindigkeit, die keine brauchbaren Bilder zulässt. Zum anderen spielt die Himmelsmechanik nicht mit.
    "Unglücklicherweise wird der Einschlag für uns verdeckt erfolgen. Wenige Minuten vor ihrem Absturz wird die Sonde ein letztes Mal - von der Erde ausgesehen - hinter den Planeten fliegen. Dort, auf Merkurs Rückseite, wird sie zerschellen, bevor sie wieder hinter dem Planeten aufgetaucht wäre."
    Hinweise für die Folgemission
    Wann genau das sein wird, das hängt auch von der Topografie der Oberfläche ab. Steht ein Berg im Weg, ist Messenger Tiefflug frühzeitig beendet. Da die NASA die Fehlertoleranz selbst mit plusminus einem Orbit angibt, könnte es auch sein, dass die Sonde doch noch einmal hinter Merkur auftaucht und eine Ehrenrunde dreht. Selbst wenn der Einschlagkrater nicht einsehbar ist, dürfte er wichtige Hinweise für Folgemissionen liefern, glaubt Principal Investigator Sean Solomon.
    "Wir wissen durch unsere bisherigen Merkurbeobachtungen, dass junge Krater heller sind als ältere. Daraus können wir Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich eine Planetenoberfläche verändert, die lange Zeit dem offenen Weltraum ausgesetzt ist. Wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis der Sonnenwind und die kosmische Strahlung Krater auf Merkur verdunkeln – und ob das schneller oder langsamer passiert als auf dem Mond oder auf Asteroiden. Ein frischer Krater, und sei er noch so klein, dessen Einschlagdatum genau bekannt ist, könnte uns dabei helfen."
    In neun Jahren soll Europas Raumsonde BepiColombo am Merkur eintreffen, und sich dann auch auf die Suche nach dem Einschlagkrater ihres Vorgängers machen.