Aus den Feuilletons

"Der Science-Fiction ist die Zukunft abhanden gekommen"

"The Last Jedi" – Premiere der achten Episode der Star-Wars-Saga am 6. Dezember 2017 in der japanischen Hauptstadt Tokio: Regisseur Rian Johnson, die Schauspieler Mark Hamill und Adam Driver sowie die Produzentin Kathleen Kennedy
"The Last Jedi" – Premiere der achten Episode der Star-Wars-Saga am 15.12. 2017 in der japanischen Hauptstadt Tokio: Regisseur Rian Johnson, die Schauspieler Mark Hamill und Adam Driver sowie die Produzentin Kathleen Kennedy © picture alliance / Morio Taga/Jiji Press Photo/dpa
Von Hans von Trotha · 12.12.2017
Die neue "Star Wars"-Episode beschäftigt die Feuilletons. Gespickt mit rund 5000 Zitaten und Anspielungen seien "Die letzten Jedi" ein ausgezeichneter Film, schreibt die "Welt". Die "Süddeutsche" meint hingegen, es sei Zeit, die Sache zu Ende zu bringen.
"Das Buch gehört augenblicklich zu den entbehrlichsten Gegenständen des täglichen Lebens". Das sprach Siv Bublitz, neue Programmleiterin der S. Fischer Verlage, auf einer Podiumsdiskussion, bei der es um einen FAZ-Leitartikel von Sandra Kegel ging, der so etwas Ähnliches weniger pointiert zum Ausdruck gebracht hatte.
In Frankfurt wird übers Feuilleton immerhin noch diskutiert, wovon das Feuilleton dann wiederum erzählen kann, in diesem Fall das der Süddeutschen, wo Volker Breidecker aus der Diskussion mitgenommen hat, es sei "ein gesellschaftliches Problem (…) , wenn sich junge Leute nicht mehr in eine Buchhandlung trauen oder in ihren Landstrichen weit und breit keine mehr finden, oder wenn sie es nicht mehr schaffen, von ihren Smartphones und Bildschirmen auch nur vorübergehend loszukommen".
Dabei versammeln sich genau dafür in den Feuilletons immer mehr Gründe. Aktuell vermeldet die FAZ: "Netflix forscht Nutzer aus und macht Witze darüber (...) So geschehen", berichtet Axel Weidemann, "in den frühen Morgenstunden des 11. Dezembers. Da heißt es auf dem Account von 'Netflix US' (…) in einem Tweet an die Nutzer: 'An die 53 Leute, die sich 'A Christmas Prince' in den vergangenen 18 Tagen jeden Tag angesehen haben: Wer hat euch weh getan?' (…) Der Nutzer Grant Hamilton antwortete auf den Tweet: 'An den Netflix-Mitarbeiter, der jüngst '1984' gesehen hat: Das ist keine Bedienungsanleitung.'"
Also Bildschirm aus und Bücher raus! Zumal Sibel Schick in der taz feststellt: "Die Netflix-Serie 'Nola Darling' hält nicht alle Versprechen ein". Frage: Welche Serie seit Dallas hätte das getan? Wer sich von der Zukunft mehr verspricht, wird vom Welt-Feuilleton desillusioniert, wo RTL-Unterhaltungs-Chef Philipp Steffen droht: "Wir nehmen unser Schicksal bei RTL stärker selbst in die Hand", denn, so Steffen: "Deutsche Zuschauer haben Lust auf deutsche Serien." – Wer, fragt sich da, hat denen weh getan?

Star Wars: Stoff für ein bis zwei Fernsehstaffeln

Auch das ganz große Kino wird ja längst nach TV-Kriterien vermessen. So schreibt Peter Huth in der WELT zur neuen Star-Wars-Episode: "'Die letzten Jedi' dauert über zweieinhalb Stunden, das ist für einen Kinofilm sehr lang, entspricht aber nur gut drei Folgen einer vernünftigen TV-Serie. Trotzdem böte der Film Material für ein bis zwei Fernsehstaffeln: vier Handlungsstränge, vier Schauplätze, zwei Waffengänge in der Luft, einer am Boden." - So also sieht die Grundausstattung von zwei Fernsehstaffeln aus. Mal sehen – oder vielleicht auch besser nicht –, was RTL im Zuge der Selbstversorgung daraus macht.
"Die letzten Jedi" ist Thema des Tages, schließlich, so Andreas Busche im Tagesspiegel, ist 'Star Wars' "heute popkulturelles Allgemeingut … Mehr noch", meint Busche, "als Tolkien-Romane oder Marvel- Comics prägten die ersten Filme die Biografien einer ganzen Generation."
Vielleicht werden die Rezensenten deswegen so persönlich. Peter Huth etwa protokolliert in der Welt: "An drei Stellen musste ich fast weinen, einmal laut lachen". Immerhin. Obwohl – in zweieinhalb Stunden … ? So gerechnet, scheint "Paddington 2" deutlich besser abzuschneiden.
Insgesamt gibt Huth übrigens Entwarnung: "Lassen Sie", schreibt er, "Ihr Diazepam ruhig zu Hause." Schließlich scheint man viel Altbekanntes zu sehen. Susanne Ostwald meint in der NZZ, dass "in den neuen Episoden munter Recycling betrieben" werde; Peter Huth zählt "circa 5.000 Anspielungen und Zitate", und Juliane Liebert schreibt: "Alles ist voller Rückverweise und Vorwärtsverweise und Inside Jokes".
"Trotz Papageientauchern", fasst Peter Huth zusammen, sei "Teil acht der 'Star Wars'-Saga (…) ein ausgezeichneter Science-Fiction-Film. Trotzdem". Er findet: "Es ist Zeit, die Sache zu Ende zu bringen." Zumal Juliane Liebert in der Süddeutschen beobachtet, "dass der aktuellen Science-Fiction irgendwie die Zukunft abhanden gekommen ist."
Wodurch sie zumindest perspektivisch der Vergangenheit angehören müsste. Was allerdings auch nicht weiter schlimm wäre: Weil eh alles wiederkommt. Oder gleich bleibt. Wie das mit den Büchern. Der Siv-Bublitz-Satz "Das Buch gehört augenblicklich zu den entbehrlichsten Gegenständen des täglichen Lebens" stammt nämlich gar nicht von Siv Bublitz, sondern von ihrem Verlagsgründer Samuel Fischer, aus dessen "Bemerkungen zur Bücherkrise" von 1926. Und er geht so weiter: "Man treibt Sport, man tanzt, man verbringt die Abende am Radio oder im Kino."
Erwischt.
Mehr zum Thema