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US Space & Rocket Center
Auf den Spuren der Reise zum Mond

In den 60er-Jahren wurde ein großer Traum der Menschheit wahr: die Reise ins Weltall. In Huntsville, Alabama, kann man den Wurzeln des Traums ganz nahe kommen: Im US Space & Rocket Center lassen sich noch immer Menschen antreffen und erleben, die von Anfang an dabei waren.

Von Rudi und Rita Schneider | 24.07.2016
    Apollo 16-Kommandokapsel im US Space & Rocket Center in Huntsville, Alabama
    Apollo 16-Kommandokapsel im US Space & Rocket Center in Huntsville, Alabama (Deutschlandradio/Rita und Rudi Schneider)
    Nicht alle, die davon träumten auf den Mond zu fliegen, haben es geschafft. Um genau zu sein, es waren wohl bis auf längere Zeit hinaus insgesamt nur zwölf Menschen, die je ihren Fuß auf einen anderen Himmelskörper als die Erde gesetzt haben. Charlie Duke war einer von jenen zwölf Menschen, denen das Schicksal wohlgesonnen war.
    Das Reisemittel für seine Reise zum Mond war die Saturn V Rakete. Diese Rakete ragt noch heute mehr als 100 Meter in den Himmel von Huntsville in Alabama. Die Geschichte ihrer Entwicklung reicht bis Peenemünde, das ist lange her, aber noch heute kann man in Huntsville Menschen treffen, die nahezu von Beginn an dabei waren. Einer von ihnen ist Brooks Moore. Er ist heute 90 Jahre alt. Während wir unter der Saturn V stehen, meint er lachend: Einer der Booster für die Raumfahrt, um in der Sprache der Raketenentwickler zu sprechen, war die Rede von John F. Kennedy am 12. September 1962.
    Brooks Moore: "Nicht weil es einfach ist, sondern weil es hart ist - und das war es wirklich. Von Braun war begeistert und die meisten von uns waren extrem beunruhigt. Können wir das wirklich realisieren? Das ist kein kleiner Schritt, jemanden auf den Mond zu bringen. Wir waren zwar im Erdorbit zu dieser Zeit, aber wir waren noch in den Kinderschuhen."
    Häussermann: "Er war ein höflicher und freundlicher Mann"
    Brooks Moore arbeitete im Wernher von Braun Team. In seinem Bereich wurde das Kontrollsystem der Steuerung der Raketentriebwerke entwickelt. Sein direkter Vorgesetzter und Mentor war Dr. Walter Häussermann. Beim Stichwort "Peenemünde" huscht ein Lächeln über seine Lippen.
    "Wenn wir gerade über Peenemünde sprechen. Ich habe den Namen so viele Male gehört. Als junger Ingenieur hatte ich natürlich öfter eine 'zündende Idee' etwas in der Elektronik des Steuerungssystems zu verbessern. Mein Mentor war ein sehr höflicher und freundlicher Mann. Ich höre ihn heute noch sagen: Das haben wir schon in Peenemünde probiert, es hat nicht funktioniert."
    Mit Brooks wandern wir im Space and Rocket Center auf den Spuren des Wernher von Braun Teams. In der großen Ausstellungshalle im Obergeschoss befindet sich eine Saturn V Rakete, die waagerecht an der Decke so aufgehängt ist, dass man in die einzelnen Stufen und Baugruppen hineinschauen kann. Unter der ersten Stufe befinden sich die gewaltigen F-1-Triebwerke und dort treffen wir Alex McCool, der ebenfalls im Wernher von Braun-Team war. Alex McCool ist heute 92 Jahre alt und beschreibt uns im weißen Kittel sein Baby, wie er lächelnd sagt:
    Die Saturn V Rakete
    Die Saturn V Rakete (Deutschlandradio/Rita und Rudi Schneider)
    "Eineinhalb Millionen Pfund Schub, das ist das größte und stärkste Triebwerk der Welt. Schau Dir die fünf Triebwerke der ersten Stufe an. Das mittlere bewegt sich nicht, die vier äußeren können mit Stellmotoren bewegt werden, um die Rakete zu steuern. Brooks Moore hat das Kontrollsystem für diese Steuerung entwickelt und ich die Sensoren und Instrumente, die dieses System ansteuerten, ich habe praktisch für ihn gearbeitet."
    Und während Alex McCool uns die Stellmotoren zeigt, gesellt sich Charly Johnson zu uns:
    "Ich entwickelte das Hydraulik-System für die Stellmotoren der F1-Triebwerke. Das war mein Beitrag. Alex war damals der Chef meines Chefs. Wir nutzten Kerosin als Hydraulik-Fluid unter hohem Druck, das funktionierte prima."
    "Ich hätte nicht gedacht, dass sie so stark vibriert"
    Ich kenne es nur von Filmen, auf denen man sehen und hören kann, welches ungeheures Inferno sich entwickelt, wenn diese fünf Triebwerke zünden. Die Kurskorrekturen, die die Stellmotoren unten in der untersten Stufe bewirkten, waren selbst oben in der Kommandokapsel während der Startphase zu spüren erzählt Apollo 16 Astronaut Charlie Duke. Er saß damals in 110 Meter Höhe zusammen mit John Young und Thomas Mattingly in der Kommandokapsel. Für Charlie war es eine Premiere, er war in seinem Leben bis dahin noch nie mit einer Rakete geflogen, insofern erlebte er also alles zum ersten Mal:
    "Die Saturn Rakete war 120 Meter hoch und hatte einen Durchmesser von elf Metern. Die Triebwerke waren unten an der Basis der Rakete, und Du warst oben am anderen Ende. Wenn sich die Triebwerke bewegten um die Flugrichtung zu steuern, dann war das eine Vibration, die sich von unten nach oben fortpflanzte, ähnlich wie eine Schall- oder Druckwelle. Es war eine ganze Welle von solchen Bewegungen, ein seitliches Schütteln. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so stark vibriert, wir hatten wohl eine Rakete, die sehr stark vibrierte. John erzählte später, Apollo 10 sei weit weniger schlimm gewesen. Ich habe zuerst gedacht, irgendwas ist falsch mit diesem Ding. Nun, es war offensichtlich doch alles OK."
    Alex McCool und Brooks Moore im Interview.
    Alex McCool und Brooks Moore haben im Team von Wernher von Braun gearbeitet. (Deutschlandradio/Rita und Rudi Schneider)
    Alex McCool erinnert sich noch an die ersten Testläufe des F-1-Triebwerks in Huntsville. Wenn die fünf F-1-Triebwerke feuern, erzählt Alex, dann ist das das zweitlauteste Geräusch der Erde, das lauteste ist eine Atomexplosion. Wir wandern mit Alex weiter unterhalb der Saturn V. Bei der Kommandokapsel, die zusammen mit der Landfähre zum Mond geflogen ist, treffen wir David Stevenson. Er begrüßt uns neben dem Fahrzeug, mit dem die Astronauten auf dem Mond umher gefahren sind und das er in den 60er-Jahren mit entwickelt hat.
    "Das ist ein Fahrzeug mit Allrad-Antrieb. Jedes Rad hat seinen eigenen Motor. Selbst wenn drei der Elektromotoren ausfielen, konnte es immer noch fahren. Und wenn alles ausfiel, konnte man es schieben. Das Fahrzeug wiegt 250 Kilogramm. Es war total zusammengefaltet und in einem speziellen Geräte-Raum im unteren Teile der Landefähre untergebracht. Es war wie ein 'Jack in the Box' und entfaltete sich selbst, wenn die Astronauten es aus dem Geräte-Raum nahmen."
    "Der Mond war sehr rau, als wir mit dem Auto fuhren"
    David zeigt uns die Reifen des Lunar Rovers, sie sind wegen der hohen Temperatur des Mondstaubs nicht aus Gummi, sondern aus Klaviersaiten konstruiert. Charlie Duke fuhr mit diesem Rover während seines Aufenthalts auf dem Mond und er erinnert sich noch sehr lebhaft an seine Querfeldein-Fahrten, denn Wege gibts dort nicht, lacht er:
    "Der Mond war sehr rau, als wir mit dem Auto fuhren. Es ging sehr schnell über einen Berg-Kamm in ein Tal und schon hatten wir die Sicht auf unsere Landefähre verloren. Das ging immer weiter so, in kurzen Abfolgen, über einen Hügel, runter in die Senke, dann wieder rauf und runter ins Tal, wir müssten immer schauen, dass wir die kleinen Krater und Steine umrundeten. Trotzdem hatten wir nie das Gefühl, wir hätten die Orientierung verloren. Wir hatten immer die größeren Geländemerkmale im Auge. Ich hatte die Aufgabe uns zu den Zielen zu navigieren, die wir ansteuern sollten. John war der Fahrer des Autos. Wir hatten viel Spaß mit dieser Fahrerei, besonders, als wir am zweiten Tag auf den Gipfel des Stone-Mountain gefahren sind."
    Der Lunar Rover, mit dem Charlie auf dem Mond gefahren ist, befindet sich natürlich noch dort, aber die Original Kommandokapsel von Apollo 16, die ihn dort hin brachte, ist direkt neben dem Mondauto in Huntsville ausgestellt. Allein der Verschlussmechanismus der Einstiegsluke ist hochkomplex. Die drei Astronauten, die darin zum Mond und zurück reisten, waren professionelle Spezialisten. Und doch offensichtlich auch Menschen, wie du und ich, erinnert sich Charlie Duke an seine Gefühle, als er seinen Fuß zum ersten Mal in den Mondstaub setzte.
    "Die Gefühle, die ich dort hatte, waren anders als hier zu Hause. Es war so aufregend. Es war ein Abenteuer. Kannst Du Dir vorstellen, was in einem Fünfjährigen vorgeht, wenn er Weihnachten Geburtstag und Ferien in einem Moment hat, diese Art von Aufregung war es, die uns packte. Wir waren wirklich wie zwei Fünfjährige, wir waren so aufgedreht, wir hüpften herum, wir lachten, wir juksten, wir hatten eine tolle Zeit, wir waren einfach überdreht, natürlich. Wir hatten auch eine Menge Arbeiten zu erledigen und wir erledigten das selbstverständlich alles sehr ordentlich."
    Auf diesen Fahrten, so erzählt Charlie Duke, wurden natürlich auch etliche Exemplare von Mondgestein eingesammelt. Einen davon können wir direkt neben der seiner Kommandokapsel in einer Glasvitrine bewundern.
    Space-Camp: Weltraumstation für Kinder und Jugendliche
    Apollo war nur ein Schritt in den Weltraum, das Space Shuttle Programm folgte. In Huntsville kann man natürlich das gesamte Weltraumprogramm der NASA mit vielen Original Objekten sehen und erleben. Die junge Generation tummelt sich im "Space Camp" und dorthin lädt uns Pat Ammons vom Space and Rocket Center zu einer weiteren Entdeckungsreise ein.
    "Die Idee zum Space Camp stammt direkt von Wernher von Braun. Er wollte, dass Huntsville als Entwicklungszentrum der Mondrakete neben all den anderen NASA-Standorten in Erinnerung bleibt und dokumentiert wird. Die Kinder, die an dem Programm teilnehmen, kommen aus der ganzen Welt zu uns und verbringen in der Regel eine Woche in unserem Space-Camp, wo sie alles über die Raumfahrt lernen und erleben können."
    Jugendliche üben im Space Camp
    Jugendliche üben im Space Camp (Deutschlandradio/Rita und Rudi Schneider)
    In der großzügigen Halle mutet es an, als wäre man im Weltraum. Elemente und Module der ISS Raumstation sind zu sehen, und "kleine" Astronauten in Raumanzügen hantieren an modularen Steckgestängen, die sie in simulierter Schwerelosigkeit zusammenbauen sollen. Eine der "jungen" Astronautinnen nimmt ihren Helm ab und berichtet von Ihren Erkenntnissen.
    "Was ich hier gelernt habe, ist sehr interessant. Wir haben über die Geschichte der Raumfahrt gelernt, wir haben Geräte und Fragmente anfassen dürfen, die im Weltraum waren. Wir durften auch einen Raumanzug anziehen und darin spezielle Aufgaben lösen, damit wir ein Gefühl vom Arbeiten in der Schwerelosigkeit bekamen. Das war echt kompliziert und da drin ist mir richtig heiß geworden, so ein Gefühl hatte ich noch nie zuvor."
    "Mein erster Flug war unglaublich"
    Die jungen Astronauten werden im Space Camp unter anderem auch von echten Astronauten betreut. Einer von Ihnen ist Robert Springer, der zur CREW der beiden Space Shuttle Missionen 29 und 38 gehörte. Wenn er dem Weltraumnachwuchs von seinen Erlebnissen berichtet, befindet sich der Aufmerksamkeitspegel der Jungastronauten bei 110 Prozent.
    "Mein erster Flug war unglaublich. Ich erzähle den Teilnehmern im Space Camp immer, dass so eine einzigartige Möglichkeit nicht von selbst kommt, dass es eine viel harte Arbeit bedeutet, und sehr viele Trainingsstunden nötig sind. Aber wenn dann die Booster des Shuttles zünden und Dich mit sieben Millionen Pfund Schub in den den Orbit schießen, wenn Du achteinhalb Minuten später ist im Erdorbit bist und die Erde alle 90 Minuten umkreist, das ist einfach unglaublich, was für eine Möglichkeit, das tun zu dürfen."
    Die Space-Camp-Teilnehmer schütteln Robert Springer die Hand. Das Wort "hands on" hat hier sicher eine ganz besondere Bedeutung, zumal man neben den vielen authentischen Ausstellungsobjekten der Raumfahrt auch Menschen treffen kann, die die Reise der Menschheit ins Weltall von Beginn an mitgestaltet haben. Und ein bisschen hat das auch Anna Dupin im Launch Simulator gefühlt, die mit ihren Eindrücken unsere Reise im Space and Rocket Center in Huntsville, Alabama, abrundet.
    "Wenn's raufgeht, hat man das Gefühl zu fliegen, oben ist es, als wäre man einen Moment schwerelos, bevor man einfach wieder runter fällt. Das ist schon ganz schön irre, aber es macht Spaß."