Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

US-Verteidigungsminister Carter
Der "Oberstreber" wird Minister

Ashton Carter soll das mächtige US-Verteidigungsministerium leiten - eine herausfordernde und zugleich undankbare Aufgabe. Auch ihn wird das Weiße Haus wohl an der kurzen Leine halten, so wie es Carters Vorgänger schilderten. Sie waren es leid, die Strategielosigkeit der Obama-Regierung nach außen zu vertreten.

Von Marcus Pindur | 06.12.2014
    US-Präsident Barack Obama nominiert Ashton Carter für das Amt des Verteidigungsministers.
    US-Präsident Barack Obama nominiert Ashton Carter für das Amt des Verteidigungsministers. (dpa / picture-alliance / Shawn Thew)
    Die Liste der Aufgaben für einen amerikanischen Verteidigungsminister ist lang: Sie reicht von der Terrorbekämpfung im Jemen über die Ebola-Hilfe in Westafrika bis zur Pflege der atlantischen Allianz und dem Zusammenhalt der Anti-IS-Koalition. Kaum jemand ist mit dem Pentagon so gut vertraut wie Ashton Carter. So gut, dass sein ehemaliger Chef Robert Gates den Yale- und Oxford-Absolventen einmal als "Uber-Wonk", als Oberstreber, bezeichnet hatte. Carter war mehrere Jahre für das Pentagon-Budget zuständig.
    "That great strategic transition, which we need to make, coincides with ..."
    Ashton Carter mit einem Referat über den 300-Milliarden-Dollar-Haushalt des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Das war vor anderthalb Jahren, in Harvard. Damals war Carter der Manager des Pentagons und seiner 2,4 Millionen Mitarbeiter. Jetzt muss er strategische und politische Entscheidungen treffen - eine völlig neue Herausforderung. Die Afghanistan-Mission muss umgewandelt werden in eine Sicherheitspartnerschaft. Die IS-Miliz im Irak und in Syrien muss bekämpft und nach Möglichkeit zerschlagen werden. Gleichzeitig muss die Zusammenarbeit in der Nato gepflegt und die Ausrichtung nach Südostasien ausbalanciert werden.
    Carter tritt ein schwieriges und oft undankbares Amt an, und ob der bürokratisch versierte, akademisch gebildete Carter auch politisches Gewicht gewinnen kann, das wagen viele zu bezweifeln - allen voran seine Amtsvorgänger, die teilweise sehr zwanglos über die Zwänge ihres Amtes reden. So zum Beispiel Leon Panetta:
    "Als Kabinettsmitglied ging man oft zu einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates und stellte fest, dass Mitarbeiter des Weißen Hauses bereits beschlossen hatte, was der Präsident tun oder lassen sollte", berichtete Panetta.
    Carters ehemaliger Chef Robert Gates beschrieb in seinen Memoiren ausführlich, wie sehr ihn die Unbelehrbarkeit und die Einmischung in kleinteilige organisatorische Fragen aus dem Weißen Haus genervt hätten. Das Mikro-Management habe ihn wahnsinnig gemacht, bekannte Gates.
    "And it was that Micro-Management that drove me crazy."
    Doch es geht nicht in erster Linie um Fragen des Bürokratie-Managements, sondern um die Gestaltung der politischen Leitplanken. Alle drei Vorgänger Carters hatten größere politische Differenzen mit dem Weißen Haus. Bei Gates und Panetta ging es um den Irak und Afghanistan, bei Hagel ging es um die richtige Antwort auf die Terror-Armee Islamischer Staat. Ein neuartiges Phänomen, dessen Gefährlichkeit Hagel lange vor Obama erkannt hatte.
    Nach allem, was das Weiße Haus an Gerüchten streut, liegt die Vermutung nahe, dass Hagel gehen musste, weil Obamas Anti-Terror-Strategie keine Wirkung zeigte. Die taktischen Vorgaben Obamas im Kampf gegen die Terrormiliz IS hätten den Einsatz gehandicapped, beklagte sich Hagel bei seinem Freund John McCain.
    "Er kam in mein Büro und sagte: 'Wir haben keine Strategie gegen den IS, wir haben keine Strategie in der Ukraine, wir dürfen ihnen noch nicht einmal Waffen liefern, um sich zu verteidigen. Wir sind Zuschauer im Fernen Osten, wo China die Muskeln spielen lässt. Der Einfluss der USA verfällt rapide.' Hagel hat seinen Job sehr gut gemacht, er hat nur nie Zugang zu dem geschlossenen Führungszirkel bekommen, der alle Entscheidungen trifft", so John McCain.
    Ob Carter einen besseren Zugang zum Weißen Haus findet, bleibt dahingestellt. Er genießt jedenfalls parteiübergreifendes Vertrauen, seine Bestätigung im Senat gilt als sicher. Carters wichtigste Aufgabe in den nächsten zwei Jahren wird der Kampf gegen die IS-Miliz sein. John McCain ist nicht der einzige, der dabei ein robusteres Auftreten fordert.
    "Es muss eine stufenweise Eskalation geben. Wir brauchen Fliegerleitoffiziere am Boden. Wir brauchen Spezialeinsatzkräfte und wir brauchen mehr Berater."
    Eine weitere offene Frage der amerikanischen Strategie ist das Vorgehen gegen den syrischen Diktator Assad. Ein schneller Sturz Assads ohne gleichzeitige Stärkung der moderaten Opposition würde nur den Extremisten der IS und Al-Nusra nutzen, befürchten viele. Ashton Carter wird die amerikanische Militärstrategie im Nahen Osten einerseits vorantreiben, und andererseits ausbalancieren müssen – auch mit Blick auf eventuelle strategische Begehrlichkeiten des Iran. Die Frage für Carter ist, wie viel Spielraum ihm Präsident Obama dabei lassen wird.