Donnerstag, 25. April 2024

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Streaming-Plattform byNWR
Hommage an die B-Movie-Subkultur

Regisseur Nicolas Winding Refn hat seine eigene Streaming-Plattform und zeigt dort neu aufbereitete Trashfilme aus den 1960er- und 70er-Jahren. Die Plattform byNWR ist ein Sammelsurium an schrägen Fundstücken - und eine Reise auf popkulturelle Nebenwege.

Von Julian Ignatowitsch | 06.08.2018
    Der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn.
    Der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn (imago/Starface)
    Wenn Regisseur Nicolas Winding Refn über Kino und seine Lieblingsfilme spricht, dann beginnt er gerne in der Kindheit: Er sei Legastheniker gewesen, habe bis zum Alter von 13 Jahren kaum lesen können - und Bilder, Filme seien seine Quelle der Unterhaltung gewesen: "So images became my main source of seeing the world."
    Refn kann ewig vom Kino erzählen: von Splatter-Filmen wie "Texas Chainsaw Massacre", Klassikern wie Fellinis "La Dolce Vita" oder quasi unbekannten Billig-Streifen wie "The Nest of the Cuckoo Birds". Solchen unbekannten, abseitigen, oft nerdig-trashigen B-Movies aus den 60er-/70er-Jahren setzt Refn jetzt in seiner kostenlosen Streaming-Webseite byNWR, also by Nicolas Winding Refn, ein Denkmal.
    Auf eigene Rechnung restauriert
    In "The Nest of the Cuckoo Birds" geht es um einen abgehalfterten Detektiv, der auf einer Insel eine nackte, maskentragende Massenmörderin sucht und dabei zahlreichen skurrilen Gestalten - im "Cuckoo Bird Inn" - begegnet, die nicht ganz cuckoo sind, also nicht ganz richtig ticken. Refn hat den Film aufwendig auf eigene Rechnung restauriert und präsentiert ihn nun schick mit ausführlichem Begleitmaterial über die Produktions- und Entstehungsgeschichte sowie die beteiligten Personen.
    So erfährt man zum Beispiel in einem mehrere Seiten langen Essay mit Bildern und Video-Clips alles über Regisseur und Hauptdarsteller Bert Williams, der eigentlich Turmspringer war und heute völlig vergessen ist. Oder über die Film-Restauration in Zusammenarbeit mit der Film-Fakultät der Harvard Universität.
    Refns Streaming-Seite hat enzyklopädischen Charakter. Man merkt sofort: das ist ein Herzensprojekt. Ein Sammelsurium an schrägen Fundstücken und eine Reise auf popkulturelle Nebenwege - unter anderem zur New Yorker Punkband The Cramps, zu Soft-Pornostreifen von Phil Prince oder den Songs des Country-Sängers Frankie Miller.
    Und natürlich korrespondiert das alles irgendwie mit den gezeigten Filmen. Neben "The Nest of the Cuckoo Birds" sind bislang zu sehen: der Sexploitation-Streifen "Hot Thrills and Warm Chills" und der Trashfilm "Shanty Tramp". Jeden Monat kommt ab sofort ein neuer Film dazu.
    Chance für Film und Kino
    Wer sich das Ganze anschaut, versteht dadurch übrigens auch die Filme von Refn besser, in denen es nur so wimmelt von schnellen Autos und Auftragsmördern (in "Drive"), fernöstlicher Martial-Arts-Kampfkunst (in "Only God Forgives") oder blutigem Metzelhorror (wie in "The Neon Demon"). Sie sind immer auch: Eine Hommage an die B-Movie-Subkultur.
    Refn begreift Streaming-Portale und digitale Vertriebswege offenbar nicht als Gefahr, sondern als Chance für Film und Kino, Das zeigt sich daran, dass er die sozialen Netzwerke ganz selbstverständlich nutzt, um seinen Fans einen Blick hinter die Kulissen des Filmemachens zu geben. Auch aktuell: Er dreht gerade seine erste Serie für Amazon Prime: "Too Old To Die Young". Irgendwie passt auch das ganz wunderbar zu den jetzt restaurierten Filmen byNWR. Sie sind alt, aber zu jung und durchgeknallt, um schon vergessen zu werden.