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US-Vorwahlen
"Trump ist jetzt beschädigte Ware"

Der erzkonservative Ted Cruz hat die Vorwahlen der Republikaner in Iowa gewonnen. Das liege daran, dass Iowa eine Ausnahme unter den US-Bundesstaaten sei: dünn besiedelt, weiß und konservativ, sagte der Politikwissenschaftler Andrew Denison im DLF. In den Umfragen zuvor lag der Milliardär Donald Trump vorne. Er sei mit seinem zweiten Platz "beschädigte Ware".

Andrew Denison im Gespräch mit Dirk Müller | 02.02.2016
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison.
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Denison betonte, bei der nächsten Vorwahl in New Hampshire könne schon wieder alles anders sein. Iowa zeige aber, wie falsch Meinungsumfragen sein könnten. Diese hätten beispielsweise für Trump 31 Prozent vorausgesagt, für Cruz 24 Prozent und für den moderaten Marco Rubio 17 Prozent.
    Stattdessen hat Cruz mit knapp 28 Prozent vor Trump (24 Prozent) gewonnen. Rubio hat 23 Prozent erhalten. "Das Problem mit Trump: Er hat zu viele Feinde in Amerika." Wer Rubio wähle, mache das zudem, weil ihm Chancen bei einer Präsidentschaftswahl eingeräumt werden. Wer dagegen Cruz wähle, mache das, weil er glaube, dieser teilte seine Werte.
    Sanders gilt als vertrauenswürdiger
    Das knappe Rennen bei den Demokraten zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders zeige: "Die Demokraten vermissen bei Clinton Leidenschaft, sie halten sie auch nicht unbedingt für vertrauenswürdig." Sie strahle nicht die Wärme aus, die manche gerne hätten. Sanders dagegen gelte als ehrlich. Dennoch seien viele der Ansicht, dass Clinton bessere Chancen bei einer Präsidentschaftswahl habe.
    Der Politikberater betonte, am Ende neige Amerika zu eher rationalen Entscheidungen. "Das heißt, der, der in der Mitte in den wichtigsten Bundesstaaten wie Ohio oder Florida die Wähler gewinnen kann, der hat Chancen."

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Iowa, die ersten Vorwahlen in den Vereinigten Staaten, möglicherweise mit größerer Signalwirkung. Bei den Republikanern setzt sich Ted Cruz durch vor Donald Trump. Und bei den Demokraten führt noch Hillary Clinton ganz, ganz knapp vor Bernie Sanders. Diese Auszählung läuft noch aktuell.
    Am Telefon ist nun der amerikanische Politikwissenschaftler Andres Denison. Guten Morgen.
    Andrew Denison: Guten Morgen.
    Müller: Herr Denison, scheitert Hillary Clinton schon wieder?
    Denison: Ja, sie hat schon immer noch Angst. Das muss man sagen. Allerdings die Meinungsumfragen zeigen sogar die Möglichkeit eines Sanders-Sieges. Die letzte Quinnipeac Mall Meinungsumfrage hatte Sanders mit 49 gegen Clinton mit 46. Es wird Kopf an Kopf, es ist für sie eine Erleichterung und es zeigt, dass traditionelle politische Arbeit und Organisation doch noch zählen kann in unserer Zeit.
    "Es ist knapp"
    Müller: Sie sagen, doch noch zählen kann, aber wir reden hier von 0,1, 0,2 Prozentpunkten, wenn wir das gerade hier auf CNN auf der Tafel verfolgen. Knapper geht's ja gar nicht.
    Denison: Eindeutig knapp. Aber wie gesagt, sie hatte wirklich Angst, dass sie wie 2008 auf dem zweiten Platz stehen würde. Damals war es Barack Obama, ein Aufständler, diesmal Senator Bernie Sanders, auch einer, der ständig von Revolution spricht. Es ist knapp. Die Demokraten, die vermissen bei Hillary Clinton Leidenschaft. Sie meinen auch, dass sie nicht unbedingt vertrauenswürdig ist. Das ist, was sie bei Bernie Sanders schätzen. Aber am Ende die meisten Demokraten denken, Hillary Clinton hätte bessere Chancen im November als Bernie Sanders, und das zählt auch.
    "Eines ihrer größten Schwächen ist, dass ihr nicht zu truaen ist"
    Müller: Herr Denison, es gibt ein Menetekel, was Hillary Clinton immer anhängt. Das kann man häufiger lesen in den amerikanischen Zeitungen, auch im Internet. Sie wird ganz, ganz häufig als Lügnerin bezeichnet. Warum ist das so?
    Denison: Ja, da ist ein Hauch von Skandal. Das fing schon bei der Bill Clinton Präsidentschaft an und wir haben heute diesen E-Mail-Skandal, wo das FBI immer noch am untersuchen ist, ob da Gesetze gebrochen worden sind. Und unter den Leuten, die in Iowa zum Caucus gegangen sind, meinten die, die Bernie Sanders unterstützt haben, er ist ehrlich und vertrauenswürdig, dies mit einem Vorteil von 73 Prozent gegenüber Hillary Clinton.
    Das ist eine ihrer größten Schwächen, dass ihr nicht zu trauen ist, und die andere ist, dass sie nicht die Wärme ausstrahlt, die manche Demokraten so gern haben.
    Müller: Ist das Glaubwürdigkeitsproblem das größte Problem von Hillary Clinton, was auch bleiben wird in den nächsten Wochen und Monaten?
    Denison: Glaubwürdigkeit im Sinne von Vertrauen. Auf der anderen Seite sagen die Wähler, sie hat Erfahrung, und keiner kann das bestreiten. Sie hat Erfahrung und das ist ein schwieriger Job, und die meisten denken auch, trotz ihrer Nachteile ist sie am fähigsten, im November die große Gruppe der Wähler aus der Mitte zu gewinnen, und schon jetzt in den Vorwahlen zählt das auch, wer am besten im November siegen kann.
    "Politische Organisation zählt"
    Müller: Reden wir über die Republikaner. Dort ist das Rennen in Iowa entschieden. Ted Cruz ist die Nummer eins, schlägt Donald Trump. Der kommt auf die zweite Position und dicht dahinter Marco Rubio. Auch so ein bisschen in dieser Reihenfolge aus Ihrer Sicht erwartet?
    Denison: Da waren die Erwartungen auch ganz anders. Die Meinungsumfragen haben gesagt, dass Trump mit 31 Prozent Cruz schlagen würde mit 24 Prozent, Rubio mit 17. Das war der letzte von Quinnipeac. So ist es nicht geworden.
    Cruz hat gewonnen, Trump hat verloren und der Marco Rubio ist auch aufgestanden.
    Erstens sehen wir, Meinungsumfragen können nicht immer uns sagen, wie viele Leute wirklich dieses langwierige Verfahren der Caucus durchmachen werden. Ich denke auch, dass wir hier gesehen haben, dass das Problem mit Trump ist, dass er wirklich zu viele Feinde hat in Amerika, und deshalb hätte er schlechte Chancen im November. Und zum Sieg von Ted Cruz: Ihre Zuhörer wissen wahrscheinlich, wie gut er unter den Evangelikalen organisiert war, und er hat diese Leute dann bewegt, zum Caucus an dem Abend zu gehen und für ihn zu stimmen.
    Wie gesagt, das heißt, Meinungsumfragen können oft falsch sein und politische Organisation zählt, aber auch die Fähigkeit, im Herbst zu gewinnen.
    "Vorwahlen in Amerika ist wie die Olympiade mit 50 Disziplinen"
    Müller: Sie haben es gerade angesprochen, Andrew Denison: die soziologische Struktur, sehr religiös geprägt dieses Iowa. Ein eindeutiger Vorteil für Ted Cruz, was beim nächsten Mal sein Nachteil sein kann?
    Denison: Ja. Das ist auch gut, Herr Müller, dass Sie sagen, Iowa ist natürlich eine Ausnahme: dünn besiedelt, weiß, konservativ. Die Vorwahlen in Amerika, das ist wie die Olympiade mit 50 Disziplinen, und man muss in jeder Disziplin gewinnen können. Iowa ist eine Art Disziplin, nächste Woche werden wir in New Hampshire sehen, da geht es anders vor. Da hat Donald Trump einen noch größeren Vorsprung in den Meinungsumfragen. Aber jetzt ist er beschädigte Ware, er hat verloren. Also es gibt auch noch Überraschungen in der Zukunft, kein Zweifel. Das wird noch eine lange, harte Vorwahlsaison sein.
    Müller: Sie blicken auch immer wieder in Ihrer Analyse, Herr Denison, in Richtung November. Das heißt, wer hat da die größten Chancen, das Rennen zu machen. Ist das so, wenn die Amerikaner jetzt an die kleine Urne gehen und den Kandidaten ihrer Partei bestimmen, dass das auch ein wesentlicher Faktor ist, nämlich sich die Frage zu beantworten, ist das auch der Kandidat, der die größten Chancen hat, dann gegen den demokratischen Kandidaten, gegen die demokratische Kandidatin zu gewinnen?
    Denison: Genau, das taktische Wahlverfahren. Oft sagt man auch, man wählt gegen jemand und nicht für jemand. Das heißt, all die Republikaner, die Marco Rubio unterstützten, die wählen eher gegen Hillary Clinton als für Marco Rubio. Aber sie wissen, er kann in der Mitte eher von Clinton Stimmen klauen als ein Donald Trump, der eher die Mitte Richtung Hillary Clinton bewegt.
    So fragen sich auch die Caucus-Teilnehmer. Die meisten, die Rubio unterstützt haben, haben das getan, weil sie meinen, er kann im November gewinnen. Die Leute, die Cruz unterstützt haben, die haben ihn unterstützt, weil sie meinen, er teilt ihre Werte und ihre Prinzipien, auch ihre Religion.
    "Amerika neigt am Ende eher zu den rationalen Entscheidungen"
    Müller: Machen wir es einmal besonders spannend, Andrew Denison. Reden wir von Ihrem Geheimfavoriten. Könnte das Marco Rubio sein?
    Denison: Prognosen sind schwer, besonders über die Zukunft. Aber ich denke, Amerika neigt am Ende zu den eher rationalen Entscheidungen nach all dem Theater, was wir schon gesehen haben, und das heißt: Der, der in der Mitte in den wichtigsten Bundesstaaten wie Ohio oder Florida die Wähler gewinnen kann, der hat die Chancen. Manche Wähler in Amerika sind taktisch und sie werden dem Mann zustimmen, der im November die besten Chancen hat. Oder Frau natürlich auch.
    "Jeb Bush ist nicht so charismatisch wie die anderen"
    Müller: Oder eine Frau, genau.
    Reden wir noch ganz kurz zum Schluss über einen Namen, der mir eben noch aufgefallen ist. Ich konnte nicht alle Zahlen notieren. Wenn ich das richtig abgelesen habe, kommt Jeb Bush auf zwei Prozent, der berühmte Jeb Bush aus der noch berühmteren Familie Bush. Warum ist das so, dass er aussichtslos am Ende dieser ganzen Litanei liegt?
    Denison: Eine Mischung aus der Tatsache, er ist Teil des Establishments, der etablierten Kräfte wie kein anderer wegen seiner Familie, Vater und Bruder, und wir sind in einer Zeit, wo das Establishment, ob Washington oder Wall Street, stark unter Kritik geraten ist.
    Zweitens: Er ist nicht so charismatisch wie die anderen. Und drittens: Ich denke, nehmen wir wieder die Frage, ist er ein Mann, den die Amerikaner wirklich im November haben wollen, oder haben die schon zu viel George Bush? Das sind die Gründe, die erklären, warum der Jeb Bush, der ehemalige Gouverneur von Florida, jetzt so schlecht abgeschnitten hat.
    Müller: Die Vorwahlen in Iowa in den Vereinigten Staaten haben wir besprochen mit Andrew Denison. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Denison: gleichfalls.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.