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US-Wahlkampf
Die Allgegenwärtigen

"USA Today" brachte es vor kurzem auf den Punkt: "Vergesst Hillary Clinton und Donald Trump. Es ist Facebook gegen Twitter." Anders gesagt: Die sozialen Medien begleiten den US-Wahlkampf nicht mehr wie bisher. Sie formen und gestalten ihn maßgeblich. Wer diesen Kampf gewinnt, gewinnt die Wahl.

04.10.2016
    Sie sehen Donald Trump und Hillary Clinton während des ersten TV-Duells.
    Sie sehen Donald Trump und Hillary Clinton während des ersten TV-Duells. (AFP / Timothy A. Clary Jewel Samad)
    Es genügen ein paar Zahlen. Zum Beispiel von der "Nielsen Company", einem New Yorker Marktforschungsunternehmen. Es liefert Medienstatistiken, die "Nielsen's Social Content Rankings." Demnach hat das erste Fernsehduell von Hillary Clinton und Donald Trump alle Rekorde gebrochen: Facebook und Twitter bringen es zusammen auf 83 Millionen "Interaktionen". Das sind mehr als je zuvor.
    Was das bedeutet? Es bedeutet, dass dieses Duell das meist-getwitterte Duell aller Zeiten war, mit 17,1 Millionen Interaktionen allein bei Twitter. Kein Wunder, dass der Kommentator im "New Yorker" (und nicht nur er) in einem lesenswerten Text von einem Ringkampf spricht: "Twitter entwickelte sich früh zum Ring, in dem das Narrativ der Debatte ausgekämpft - und beurteilt wird." Der Autor Nathan Heller stellt schon in der Einleitung klar: "Jede Schlüsselwahl hat ein Schlüsselmedium - und wer auch immer diesen wilden Präsidentschaftskampf gewinnt, der schuldet diesen Erfolg zu einem Teil auch Twitter." Man könnte hinzufügen: Und Facebook.
    Sowohl Sender als auch Empfänger
    Sowohl Twitter als auch Facebook sind vor dem TV-Duell Partnerschaften eingegangen - Twitter mit Bloomberg, Facebook mit ABC. Das heißt: Beide sozialen Medien haben die Fernsehdebatte live gestreamt. Damit wurden sie nun auch im Wahlkampf zum Verbreitungskanal - so wie etwa bei Spielen der NFL, der National Football League.
    Der Journalist Adrian Lobe schreibt Facebook ausdrücklich zu, sowohl Sender als auch Empfänger zu sein. Das gilt auch für Twitter: Der Kurznachrichtendienst ist in diesem Wahlkampf nicht mehr nur der Ort, um sich als Kandidat darzustellen und um als User darüber zu diskutieren - er ist auch der Ort, wo das Objekt der Debatte selbst gesendet wird. Und nicht zuletzt der Ort, sagt Lobe, an dem Präsidentschaftskandidaten überhaupt erst geschaffen werden: Trump sei ein Geschöpf der sozialen Medien.
    Auf den Zug der neuen Verbreitungswege und Live-Analysen sind die großen Medien in den USA aufgesprungen, etwa die "New York Times": Sie hat in einem Artikel vor dem Ereignis genau dargelegt, wie sie das Duell begleitet, analysiert, kommentiert, einordnen wird, und dass sie das selbstverständlich in Echtzeit tut (die Zeitung nennt das "expansive coverage plan"). Auch die "New York Times" hat das gesamte Duell live gestreamt, auf ihrer Internetseite. Eine Gruppe von Reportern und Analysten standen bereit, um vor allem eines tun: Fakten zu checken.
    Hillary Clinton und Donald Trump am Ende der ersten Fernsehdebatte, sie stehen mit dem Rücken zur Kamera.
    Hillary Clinton und Donald Trump am Ende der ersten Fernsehdebatte. (picture-alliance / dpa / Joe Raedle)
    18 Personen sind allein bei der Zeitung dafür zuständig, die Aussagen der beiden Kandidaten zu überprüfen, noch während das Duell läuft. Bei Facebook hat die Zeitung zwei Kanäle geschaltet: in einem läuft die Debatte, im anderen nur das Audio, live illustriert mit Cartoons von Bob Eckstein. Und in diesen Livestreams werden dann auch Kommentare, Faktenchecks und Analysen geschaltet. Die "Times" wird damit ebenfalls zu Sender und Empfänger und leistet ihren Beitrag zur allumfassenden Online-Durchdringung des Events, auf allen denkbaren Kanälen.
    Eine Art Zwiegespräch
    Dass die Kandidaten selbst die sozialen Medien bespielen müssen, versteht sich von selbst und war auch schon in früheren Wahlkämpfen so. Was vielleicht dieses Mal dabei besonders deutlich geworden ist: Vor allem Twitter dient mittlerweile als eigenständiger Diskussionskanal, der eine Art Zwiegespräch zwischen Trump und Clinton (respektive ihren Wahlkampfmanagern) abbildet, natürlich in aller Öffentlichkeit.
    Unser USA-Korrespondent Thilo Kößler hat das zuletzt in seinem Beitrag "Der Twitter-Krieg" geschildert. Da geht es in diesen "Gesprächen" zwischen Hillary und Donald um Standfestigkeit und um Schönheitsköniginnen (der Fall der ehemaligen Miss Universe Alicia Machado ist inzwischen ein Klassiker, wie auch der Artikel von "Spiegel Online" anschaulich darlegt).
    Die Klaviatur der sozialen Medien
    Aber es geht natürlich auch um etwas ganz Anderes: Es geht um den Beweis, die Klaviatur der sozialen Medien zu beherrschen. Das heißt: Nicht nur zügig zu antworten. Sondern auch mit der fein abgestimmten Mischung aus Souveränität und Witz.
    Rein von den Zahlen her liegt Donald Trump vorn: Er hat zwölf Millionen Follower bei Twitter, bei Hillary Clinton sind es 9,35 Millionen. Bei Facebook wiederum kann Hillary Clinton auf gut 6,6 Millionen "Likes" zählen, Donald Trump liegt auch hier vorn, mit knapp elf Millionen. Aber beim Humor dürfte zuletzt wohl Hillary Clinton die Nase vorn gehabt haben: In besagtem Streit auf Twitter gelang ihr (oder ihrem Team) eine besonders schöne Pointe: Wer sich so wie Trump von einem Tweet provozieren lasse, der dürfe auf keinen Fall die Kontrolle über Atomwaffen erhalten.
    (jcs / mb)