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USA ändert Kuba-Kurs
"Ein mutiger Schritt"

Als "Zeitenwende" bezeichnet der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, die Annäherung zwischen USA und Kuba. Kern der Konfrontation sei aber das Wirtschaftsembargo, und das bestehe zunächst weiter, betonte er im Deutschlandfunk.

John Kornblum im Gespräch mit Silvia Engels | 18.12.2014
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland
    Die Mehrzahl der Exil-Kubaner in Florida seien für eine Änderung, sagte der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, im Interview mit dem Deutschlandfunk. (dpa / picture-alliance / Karlheinz Schindler)
    Einer Aufhebung müsse der künftig von den Republikanern dominierte US-Kongress zustimmen, räumte Kornblum ein. Und in deren Reihen zeichne sich Widerstand gegen die Pläne von Präsident Obama ab.
    Trotzdem seien die Weichen für eine normale Entwicklung zwischen beiden Ländern nun gestellt und die Lage in Kuba werde sich ändern - wenn auch nicht "über Nacht". Die Politik des Embargos hätte ihre Ursachen hauptsächlich noch in der amerikanischen Innenpolitik und gelte seit Jahren als überholt.
    USA und Kuba gehen aufeinander zu
    US-Präsident Obama und der kubanische Staatschef Raul Castro hatten erste Schritte angekündigt, um die Beziehungen zu normalisieren. Die Vereinigten Staaten wollen das Handelsembargo lockern. Beide Länder ließen zudem Gefangene frei und wollen nach mehr als 50 Jahren wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen. Zudem sind konkrete Erleichterungen geplant: US-Bürger sollen wieder einfacher nach Kuba reisen können. Die Regierung in Havanna verspricht zudem einen erweiterten Internet-Zugriff für die Bevölkerung.

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Es ist lange her, dass ein venezolanischer Präsident seinem US-Amtskollegen gratuliert hat. Gestern war es so weit. Der linksgerichtete venezolanische Staatschef Maduro nannte das Handeln von US-Präsident Obama „mutig“ und „notwendig“. Er bezog sich dabei natürlich auf die überraschende Ankündigung von Obama, die Beziehungen zu Kuba nach jahrzehntelanger Eiszeit normalisieren zu wollen.
    Am Telefon ist John Kornblum. Er war von 1997 bis 2001 US-Botschafter in Deutschland, also während der Amtszeit des demokratischen Präsidenten Bill Clinton. Guten Morgen, Herr Kornblum!
    John Kornblum: Guten Morgen.
    Engels: Ist das nun wirklich die Zeitenwende zwischen den USA und Kuba, oder ist das nur die Hoffnung darauf?
    Kornblum: Nein. Ich würde sagen, es ist die Zeitenwende. Es ist aber natürlich keine sofortige Zeitenwende. Das heißt, die Weichen sind jetzt gestellt für eine normale Entwicklung zwischen den USA und Kuba. Das wird aber nicht sofort passieren, nicht sofort passieren können. Aber wir können sicher sein, dass, sagen wir, in fünf Jahren alles ziemlich ganz anders aussehen wird.
    "Embargo gilt seit Jahren als überholt"
    Engels: Wie anders wird es aussehen? Was stellen Sie sich vor?
    Kornblum: Na ja, der Kern der Konfrontation zwischen den beiden Staaten ist das Wirtschaftsembargo gewesen, und das besteht noch. Und da die Republikaner den Kongress ab dem 1. Januar kontrollieren werden, ist es nicht so sicher, wie schnell das aufgehoben werden wird. Aber das Wirtschaftsembargo war sozusagen die wichtigste Stütze des Castro-Regimes. Durch dieses Wirtschaftsembargo konnten sie Patriotismus stiften und sie konnten auch eine andere Gesellschaft aufbauen. Jetzt, wenn nicht nur amerikanische Firmen, sondern auch internationale Firmen zunehmend nach Kuba kommen, wird das die ganze Lage in dem Land ziemlich schnell ändern.
    Engels: Sie haben es angesprochen: Das Wirtschaftsembargo ist ein Kernelement. Der Kongress wird es wahrscheinlich, weil dort die Republikaner ab Januar die Mehrheit haben, nicht so einfach durchlassen. Kann daraus nicht auch wieder das Modell entstehen, dass am Ende gar nichts passiert, weil nun ja auch die Amtszeit von Obama absehbar sich dem Ende in gut zwei Jahren zuneigt?
    Kornblum: Es kann vielleicht länger dauern als erwartet. Wir werden sehen. Diese Politik, die die überwiegende Mehrzahl der Amerikaner seit langem ablehnt, diese Politik des Embargos, gilt seit Jahren als überholt. Der Grund, warum es noch da ist, hat sehr wenig mit Kuba zu tun, hat mit der amerikanischen Innenpolitik zu tun. Florida ist sozusagen ein Bundesstaat, der immer zwischen Republikanern und Demokraten hart umkämpft ist, und es gibt Millionen von Exil-Kubanern, die in Süd-Florida leben. Deshalb haben andere Präsidenten auch Angst, auch Bill Clinton wollte das ändern, aber im Endeffekt konnte er nicht. Jetzt zeigen die Demographen, dass die Mehrzahl der Kubaner in Florida sogar für eine Änderung sind. Obama hat die Mehrheit bei diesen Kubanern letztes Mal gewonnen. Das heißt, die Konfrontation ist jetzt 50 Jahre und mehr alt und die Zeiten haben sich geändert. Deshalb ist dieses hier eine Öffnung, aber es ist bestimmt der Anfang von einer großen Änderung.
    Engels: Aber gerade aus der Gruppe der Exil-Kubaner kommt auch die harsche Kritik, dass Obama für sein Entgegenkommen von Kuba zu wenig Gegenleistung bekommen hat.
    Kornblum: Na ja, es kommt von den Politikern, die von den Exil-Kubanern leben. Wir werden sehen, wie die Exil-Kubaner - irgendwann werden auch Umfragen kommen - darauf reagiert haben. Aber wie gesagt, die Exil-Kubaner sind jetzt eine ganz andere Gruppe. Die Mehrheit von den Exil-Kubanern in Florida sind seit 1990 in die USA gekommen. Das sind nicht die alten Kämpfer, die sehr lange die Politik bestimmt haben.
    "Kuba wird sich nicht über Nacht ändern"
    Mehrere kubanische Frauen sitzen vor dem Fernseher, in dem Staatspräsident Raúl Castro bei einer Ansprache zu sehen ist.
    Kuba wird sich nicht über Nacht ändern, sagt Kornblum. (afp / Yamil Lage)
    Engels: Andererseits beklagen Menschenrechtsorganisationen nach wie vor Verstöße gegen Menschenrechte auf Kuba. Kuba versucht, sich seit Jahren an Reformen, aber ist weit entfernt von einer Demokratie. Ist das Ganze vielleicht doch zu optimistisch und kann nicht, wenn Kuba sich nicht weiter bewegt, eine mögliche Zustimmung in den USA schnell dahin sein?
    Kornblum: Kann sein, ja. Wie gesagt, Kuba wird sich nicht über Nacht ändern. Aber die Öffnung ist die Sache, die Castro ja seit Jahren befürchtet. Clinton war bereit, sagt man, Ende der 90er-Jahre genau diese Politik anzukündigen, und kurz vor seiner Pressekonferenz wurde ein Flugzeug mit Exil-Kubanern drin abgeschossen von der kubanischen Luftwaffe. Es wurde ganz klar, dass Castro diese Liberalisierung nicht wollte. Das heißt, Kuba hat immerhin zehn Millionen Einwohner, die Vereinigten Staaten 300 Millionen. Die totale Isolation war die einzige Möglichkeit für Castro, sein Regime am Leben zu halten. Jetzt gibt es das nicht mehr und allmählich wird das sich alles sehr, sehr schnell ändern.
    Engels: Zyniker könnten jetzt auch sagen, dass Obama diesen Schritt nun markiert, ist ein Zeichen dafür, dass er nur noch ein Ankündigungspräsident ist, weil er die gestalterische Macht durch die fehlende Kongressmehrheit und auch durch das langsam herannahende Ende seiner Amtszeit verliert.
    Kornblum: Na ja, das darf man sagen. Aber es ist immerhin ein mutiger Schritt. Ich glaube, wahrscheinlich einer, der wirklich sehr unglücklich mit dem Schritt ist, ist der dritte Bush, der vielleicht Präsident sein will, weil das tut ihn direkt in die Mitte zwischen die Hardliner bei den Republikaner …
    Engels: Sie meinen Jeb Bush.
    Kornblum: Jeb Bush. - … und die überwiegende Mehrheit der Amerikaner und auch die wachsende Mehrheit der Exil-Kubaner, die eine Änderung haben wollen. Ich würde diesen Schritt auch etwas politisch sehen.
    Engels: Dann versuchen wir, es auf diesem Weg zu sehen. Wie sehen Sie denn die Chancen, mit welchen Mitteln möglicherweise die Republikaner zum Mitziehen bei Reformen auf dem Weg zur Normalisierung zu Kuba zu bewegen?
    Kornblum: Na ja, wir werden sehen, wie die Debatte im Senat ist nach dem 1. Januar. Ich glaube, die Republikaner wissen selbst nicht, was sie tun sollen. Sie können die Umfragen auch lesen. Sie wissen, dass diese Embargo-Politik wirklich seit Jahrzehnten sogar belächelt wird, und sie müssen ganz hart kalkulieren, wie stark sie diese Änderungen bekämpfen wollen. Was wir bis jetzt gehört haben sind die Stimmen der Vertreter der Kubaner sozusagen, die Senatoren aus Florida etc. Wenn die Debatte im Kongress anfängt, werden wir sehen. Ich kann es persönlich auch nicht sagen, wie das sein wird. Aber für die Republikaner wird das eine sehr schwierige Kalkulation sein.
    Engels: Das ist das eine, aber kann Obama möglicherweise in einer Art Paketlösung den Republikanern auch irgendetwas bieten, um den Widerstand zu brechen?
    Internationale Unterstützung für Obama
    Händeschütteln zwischen US-Präsident Barack Obama und Kubas Präsident Raúl Castro.
    Händeschütteln zwischen US-Präsident Barack Obama und Kubas Präsident Raúl Castro. (picture alliance / dpa / Kim Ludbrook)
    Kornblum: Wahrscheinlich ja. Das ist wie die Politik funktioniert, wie Sie wissen. Ich nehme an, dass der Druck auf die Republikaner ziemlich stark wird, auch von der amerikanischen Wirtschaft, aber wie gesagt auch von den Demoskopen, die sagen werden, schaut mal, die ganze Bevölkerung eigentlich befürwortet eine Politik der Änderung. Wir werden sehen, wie sie die Welt sehen. Wie sie auf diese Sache reagieren, zeigt ziemlich klar vielleicht, wie sie den Wahlkampf 2016 führen wollen: Wollen sie das als Konfrontation, oder wollen sie das als Zusammenarbeit führen. Wir werden es sehen. Wie gesagt, ich glaube, sie wissen es selber noch nicht.
    Engels: International kommt nun relativ breite Zustimmung für den Schritt Obamas, nicht zuletzt auch von der Bundesregierung. Sie haben aber gesagt, Kuba ist auch immer ein inneramerikanisches Thema. Ist internationale Unterstützung für Obama hilfreich oder eher schädlich?
    Kornblum: Ich glaube, man nimmt keine Kenntnis davon, ehrlich gesagt. Seit Jahren haben die europäischen Verbündeten irgendwie Lust daran gefunden, Castro ein bisschen zu idealisieren, und das spielt so gut wie keine Rolle. Was eine Rolle spielt aber ist die Rolle von Venezuela, die sozusagen die letzte Stütze von Castro gewesen ist in der westlichen Hemisphäre, und hier spielt interessanterweise der Ölpreis-Sturz wieder eine Rolle. Venezuela kann nicht mehr so stark sein, wo der Ölpreis jetzt so niedrig ist, und das war bestimmt ein Grund, warum die Castros - - Wir dürfen nicht vergessen, das ist für die Castros auch ein Riesenkompromiss, was sie gemacht haben, und ich bin ziemlich sicher, dass der Ölpreis-Sturz hier eine Rolle gespielt hat.
    Engels: Dann schauen wir noch auf die ja traditionell auch recht engen Beziehungen zwischen Kuba und Russland. Wie wird es in Moskau ankommen, wenn Kuba jetzt diese ganz enge Bindung aufgibt oder schwächt?
    Kornblum: Mein Eindruck ist, dass Moskau andere Sorgen hat als Kuba im Moment. Aber das ist wahrscheinlich auch ein Teil des Problems. Die Castros - Fidel ist noch da - haben gesehen, dass Moskau sie auch nicht mehr so unterstützen könnte wie vorher. Wenn sie Russland verloren haben und noch dazu Venezuela und die paar anderen, die in der westlichen Hemisphäre sind, dann müssten sie auch überlegen, wie sie eine bessere Beziehung zu den Vereinigten Staaten aufbauen könnten.
    Engels: John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland während der Amtszeit des demokratischen Präsidenten Bill Clinton. Vielen Dank für Ihre Einordnungen heute Morgen, Herr Kornblum.
    Kornblum: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.