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Auf Schatzsuche an Floridas Treasure Coast

Jahrhundertelang durchpflügten schwer bewaffnete und noch schwerer beladene Schiffe den Atlantik zwischen der Neuen Welt und Spanien. Ihre Fracht aus Silber, Gold, Edelsteinen, Tabak und Gewürzen machte die iberische Halbinsel steinreich. Vor 300 Jahren, in einem Hurrikan am 29. Juli 1715, versanken elf Schiffe vor der Ostküste Floridas.

Von Bettina Schmieding | 26.07.2015
    An Floridas Treasure Coast
    An Floridas Treasure Coast (deutschlandradio.de / Bettina Schmieding )
    Captain Bill und Bootsmann Scott machen die River King für eine Tour durch die Lagune startklar.
    "Okay, we are leaving the Marina now. One of the boats we like to show people, is not here. Guess what: They are treasure hunting."
    An diesem prachtvollen Sommertag mit glitzernd blauem Wasser und noch blauerem Himmel vermisst Captain Bill ein Boot, das normalerweise neben der River King liegt. Die Schatzsucher haben Captain Hirams Marina schon früh am Morgen verlassen. Die Sommermonate sind die beste Zeit, um vor den Küsteninseln den Meeresgrund zu scannen. Die See ist ruhiger, das Wasser wärmer und klarer als im Winter, der zugegebenermaßen in diesem Teil der Welt eigentlich keiner ist.
    "They were holding these ziplocked bags and waving them at us."
    Vom Schatzfieber befallen
    Captain Bill hat es sich in seinem drehbaren Kapitänsstuhl bequem gemacht. Nicht ohne Wehmut berichtet er, dass ihm letztes Jahr die Mannschaft eines Schatzsucherschiffs mit Plastiktüten winkend auf dem Bootssteg entgegengekommen sei. Der Inhalt der Tüten: Goldmünzen im Wert von hunderttausend Dollar. Eric Schmitt, auch so ein Schatzsucher, dokumentiert den Tauchgang seines Lebens mittels deftiger Sprache und einem Internetvideo.
    "Oh shit, oh shit."
    Zu sehen ist Schmitt, der zunächst lustlos im Sand am Meeresboden herumbuddelt und dann plötzlich etwas Glänzendes herauszieht. Auch die versammelte Familie an Bord des Schatzsucherbootes kann ihr Glück kaum fassen.
    Das sind die Momente, die die Körpertemperatur bei allen, die vom sogenannten Treasure feaver, vom Schatzfieber befallen sind, auch über Jahre hinweg hoch halten. Bootsmann Scott bringt es fast poetisch auf den Punkt.
    "Ich kann dir sagen, wenn du 22-karätiges Gold in die Hand nimmst: Die Farbe ist einfach einzigartig. Es läuft nicht an im Wasser und es verändert sich nicht. Silber wird nach einer Zeit da unten schwarz wie Kohle. Es gibt nichts Schöneres als Gold.“
    Reise stand unter keinem guten Stern
    Das müssen sich auch die Spanier gedacht haben, die vor 300 Jahren in Süd- und Mittelamerika und im Orient die Mitgift für die neue Frau ihres Königs Philipp zusammenraubten. Und es konnte gar nicht prachtvoll genug sein, denn die italienische Prinzessin Elisabeth weigerte sich, die Ehe zu vollziehen, sollte der Schmuck nicht schnellstens herbeigeschafft werden. Also machte sich im Juli 1715 eine Flotte von Kuba aus auf den Weg nach Spanien. Mit 2.000 Männern, Frauen und Kindern an Bord und so viel Gold und Silber, wie die Galeonen fassen konnten. Allein die Mitgift für die Königin soll aus 1.200 Schmuckstücken bestanden haben. Darunter ein 74-Karat-Smaragdring aus Indien. Doch die Reise stand unter keinem guten Stern. Nach fünf Tagen, am 29. Juli 1715, die Flotte war gerade vor der Küste Ostfloridas, geriet sie in einen Hurrikan.
    “Die elf Schiffe versuchten in den seichten Gewässern vor unserer Küste dem Hurrikan zu entkommen. Zwecklos. Sie brachen auseinander und verloren ihre ganze Fracht.“
    Die "Capitana", das Flaggschiff, kenterte als erstes mit Mann und Maus und der Mitgift für die spanische Königin. Und auch die zehn anderen Schiffe waren verloren. Ironie des Schicksals: Die Riffe, auf die sie aufliefen, erwiesen sich am Ende als Rettung, weil sie unmittelbar an der Küste lagen.
    Am Strand des Sebastian Inlet State Parks steht heute ein Schiffsmodell aus Holz mit einem Steuerrad auf der Düne. Von dort oben sieht man das Korallenriff, auf dem die Schiffe zerschellten, dunkel durch das Wasser schimmern. Kaum auszumalen, welche Szenen sich vor 300 Jahren hier abgespielt haben müssen. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber Historiker gehen davon aus, dass von den 2.000 Menschen an Bord der elf Schiffe nur die Hälfte überlebt hat. Für Scott, den Bootsmann auf der River King, ist das auch heute noch eine ganz erstaunliche Geschichte.
    "Die spanischen Frauen trugen Petticoats. Unter diesen Umständen ist es unglaublich, dass doch so viele überlebt haben. Die Ais Indianer, sehr große Menschen, die zu der Zeit hier lebten, halfen den Schiffbrüchigen. Sie zeigten ihnen, wie man fischt und dass man auch Meeresschildkröten essen kann. Ohne ihre Hilfe hätten sie nicht überlebt."
    Harter Kampf ums Überleben
    Außer den Ais Indianern lebte niemand hier. Sumpfig und mückenverseucht war Ostflorida und die Männer mussten ihre Frauen und Kinder nachts am Strand bis zum Hals eingraben und mit einem Tuch zudecken, damit sich die Mücken nicht über sie hermachen konnten, erinnert Doris Ramsey, die als ehrenamtlicher Park Ranger Besucher durch das McLarty Treasure Museum direkt hinter den Dünen führt.
    Es dauerte ein Jahr, bis Spanien einen Rettungstrupp schicken konnte. In der Zwischenzeit versuchten die Überlebenden so viel von den Schätzen aus dem Meer zu holen wie eben möglich. Die spanische Krone behauptete, bis zu achtzig Prozent der versunkenen Fracht sei gerettet worden. Eine Zahl, die wohl nicht einmal die Spanier selber glaubten. Geschweige denn ihre Erzfeinde, die Briten. Der britische Gouverneur von Jamaica erklärte die Schatzsuchsaison kurzerhand für eröffnet und entsandte eine kleine Flotte.
    Doch wenige dieser Schiffe fanden den Weg zurück in die Heimat. Zu lukrativ war die Schatzsuche. Kapitäne, wie Henry Jennings, zogen die britische Flagge ein und hissten stattdessen den Totenkopf. Jennings allein überfiel zwei Mal die Rettungstruppen der Silberflotte von 1715, berichtet Park Ranger Terry O’Toole.
    "Die Piraterie wurde so schlimm, dass die Briten den Piraten eine Amnestie anboten. Wenn ihr mit den Überfällen aufhört, werden wir euch im Gegenzug vergeben. Henry Jennings hat diese Amnestie tatsächlich angenommen und bis zu seinem Tod als reicher und unbehelligter Mann gelebt."
    Heute ist die Jolly Roger, die Totenkopfflagge, ein beliebtes Symbol an Geschäften, Restaurants und Hafenanlagen an diesem Abschnitt der Ostküste Floridas. Piraten gibt es hier zwar nicht mehr, aber nach dem Schatz der 1715 versunkenen Flotte wird noch immer gesucht. Oder sagen wir, schon wieder. Denn 250 Jahre lang war es ruhig am Strand von Vero Beach.
    Bis Kip Wagner kam, ein Baulöwe aus dem Norden. Er hatte in den 1950er-Jahren ein Ferienhaus in der Gegend. Beim Spazierengehen am Strand ließ er gerne Steine flitschen, genau an der Stelle, wo jetzt das Schatz-Museum am Meer steht, erklärt Park Ranger Terry O’Toole.
    Küstenabschnitt wurde zum Mekka für Taucher
    "Er bemerkte, dass die Steine Markierungen hatten. Und dann sah er, dass sein Hund aus einem Loch mit Süßwasser trank. Genau an der Stelle waren die Spanier 250 Jahre früher gestrandet und hatten sich selber an dem Loch mit Wasser versorgt."
    Wagner hatte tatsächlich mit Silbermünzen geworfen. Er zählte eins und eins zusammen, fing an zu suchen und fand immer mehr Münzen. 1959 tauchte dann eine historische Karte aus dem 18. Jahrhundert auf, die diesen Küstenabschnitt als Ort des Unglücks von 1715 markierte.
    Und dann gab es kein Halten mehr. Wagner kooperierte mit Mel Fisher, einem professionellen Taucher aus Kalifornien, der Küstenabschnitt wurde zum Mekka der Schatzsucher und Fremdenverkehrsexperten machten aus diesem Teil Ostfloridas die „Schatzküste“, die Treasure Coast.
    Noch heute sieht man - vor allem nach Stürmen - gebückte Menschen am Strand, auf der Suche nach Münzen oder Schmuck. Wer etwas im Sand findet, darf es behalten. Schätze auf dem Meeresgrund gehören zum Teil dem Bundesstaat Florida und dürfen nur von lizenzierten Schatzsuchern geborgen werden. Wie Mel Fisher einer war. Die Firma des mittlerweile verstorbenen Schatzsucherpioniers hatte die Rechte 2010 weiter verkauft an Brent Brisben und seinen Vater. Brent wurde, ein bisschen wider Willen, vom erfolgreichen Immobilienmakler zum Schatzsucher. Reich ist man am besten schon vorher, sagt der sonnenverbrannte Mann.
    "Diese Artefakte sind meilenweit verstreut. Man kann unmöglich wissen, wie der Hurrikan die Schiffe auf das Riff geworfen hat. Man braucht Durchhaltevermögen und die richtige Einstellung: Morgen wird es besser als heute."
    Und auch für Josh, den Enkel des Tauchpioniers Mel Fisher, ranken sich zu viele Mythen rund um die Schatzsuche.
    "Manche glauben, dass wir reich seien oder so. Schatzsuche ist harte Arbeit. Und ich habe noch nicht viele reiche Schatzsucher getroffen."
    Trotzdem sind schon Artefakte im Wert vieler Millionen Dollar zurück an die Luft befördert fordern. Aber etwas steht noch aus.
    Ob Elisabeths Mitgift jemals gefunden wird? Wer weiß das schon, aber fast sicher ist, dass sie, sollte sie tatsächlich gefunden werden, es wohl niemals bis nach Spanien schaffen wird. Und irgendwie hat sie ja wohl auch weder der Königin noch Spanien niemals wirklich gehört.