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USA
Demokratischer Strippenzieher tritt ab

Einer der einflussreichsten amerikanischen Senatoren hat seinen Rückzug aus der Politik angekündigt: Harry Reid, der Anführer der Demokraten in der oberen Kammer des Kongresses, will sich im November 2016 nicht mehr zur Wiederwahl stelle. Er gilt als effizient - auch, weil er nicht vor politischem Rufmord zurückschreckte.

Von Marcus Pindur | 28.03.2015
    Harry Reid, demokratischer Senator und Führer der demokratischen Minderheit in der oberen Kammer des Kongresses, tritt im November 2016 zurück.
    Harry Reid, demokratischer Senator und Führer der demokratischen Minderheit in der oberen Kammer des Kongresses, tritt im November 2016 zurück. (picture alliance / dpa / Michael Reynolds)
    Sein größter Fan ist Barack Obama. Als Harry Reid in einer lokalen Radiostation in Nevada seinen Rückzug ankündigte, rief der Präsident höchstpersönlich an.
    "Er hat großartige Arbeit bei vielen schwierigen Themen geleistet: das Land vor einer wirtschaftlichen Depression zu bewahren, Millionen von Menschen zu einer Krankenversicherung zu verhelfen, jungen Leuten ein Studium zu ermöglichen. Er war einer meiner besten Partner und besten Freunde."
    Der Senat werde nicht mehr derselbe sein, so der amerikanische Präsident. Obama hat in der Tat Anlass, sich bei Reid zu bedanken. Harry Reid war 30 Jahre für den Bundesstaat Nevada im Senat. Seit 2007 bis Anfang dieses Jahres war er der Mehrheitsführer, ein Amt mit viel Macht über den Gesetzgebungsprozess. Er spielte eine entscheidende Rolle dabei, die Gesundheitsreform Obamas durch den Kongress zu bringen.
    Reid hielt knappe Mehrheit zusammen
    Nicht nur dass: Er hat verhindert, dass sie von den Republikanern demontiert wurde. Sie hatten nach 2010 die Mehrheit in der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, und von dort aus mehr als 50 Versuche unternommen, Obamacare abzuschaffen. Reid brachte das Kunststück fertig, über mehrere Jahre hinweg die knappe Mehrheit der Demokraten im Senat zusammenzuhalten.
    Zu den Gründen für seinen Rückzug sagte Reid, der sich Anfang des Jahres bei einem Sturz schwer verletzt hatte, die Zeit der Rekonvaleszenz habe ihm die Gelegenheit gegeben, über seine weitere Zukunft nachzudenken. In einem aufwendig produzierten Internetvideo verabschiedete sich Reid von seinen Wählern.
    "Wir müssen sicherstellen, dass die Demokraten wieder eine Mehrheit im Senat bekommen. Und deshalb wäre es unangemessen, wenn ich so viele Ressourcen in Anspruch nehmen würde, wenn ich diese doch meiner Partei zukommen lassen kann."
    Damit bezieht sich Reid darauf, dass er in einem konservativen Bundesstaat als verwundbar gilt und sich wahrscheinlich 2016 einem harten Wahlkampf der Republikaner hätte stellen müssen.
    Reid gilt als kontrovers, gallig - und skrupellos
    Reid galt als Strippenzieher, brillante Rhetorik und parteiübergreifende Kompromisse waren nicht seine Stärken. Aber er war effizient. Und auch deshalb zog er viel Kritik vonseiten der Republikaner auf sich. Reid gilt als kontrovers, gallig und skrupellos. Im Wahlkampf 2012 warf er dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney vor, Steuern hinterzogen zu haben.
    "Es ist klar, dass er zehn Jahre lang keine Steuern gezahlt hat. Soll er es doch beweisen."
    Reid nannte weder eine Quelle, noch irgendeinen Beleg für seine Behauptung, und sie wurde auch nie verifiziert. Ein politischer Rufmord. Wenn die Polarisierung und Polemisierung die Hauptprobleme der heutigen amerikanischen Politik darstellen, dann ist Reid einer ihrer authentischsten Repräsentanten. Um seine Nachfolge werden sich wahrscheinlich der New Yorker Senator Charles Schumer und der Demokrat aus Illinois, Dick Durbin, bewerben.