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USA
Der Wahlkampf der Kohlearbeiter

Der US-Bundesstaat West Virginia erlebt den Niedergang seiner Kohleindustrie. Anders als Hillary Clinton verspricht aber Donald Trump den Bergleuten eine Renaissance der Kohle und neue Stellen. Nicht jeder traut ihm.

Von Jasper Barenberg | 13.10.2016
    Sie sehen Frauen und Männer mit Helmen, einige halten Schilder hoch, auf einem steht "Trump gräbt nach Kohle".
    Die Delegation aus West Virginia verschafft sich Gehör - auf dem Parteitag der Republikaner. (imago / ZUMA Press)
    Im Städtchen Beckley ganz im Süden von West Virginia braucht es wenig, um die guten alten Zeiten heraufzubeschwören.
    Man muss sich nur in die Hände von Eugene Leroy begeben. In schweren brauen Schuhen und Jeans mit Hosenträgern über dem wollenen Hemd besteigt der 75-Jährige eine tonnenschwere Zugmaschine. Er knipst die Lampe an seinem Grubenhelm an und lenkt die beiden Anhänger mit Besuchern der historischen Kohlemine auf Schienen unter Tage. Sanft geht es bergab.
    Dicke Holzbalken stützen nur wenige Meter unterhalb der grünen Hügel die niedrige Decke. Rechts und links an den Wänden glitzert die Kohle im Schein spärlicher Beleuchtung. Bei 14 Grad im feuchten Stollen zieht sich mancher eine Jacke über.
    "All right, is everybody doing all right now? Would you like to spend about eight to ten hours right here…?"
    Sie sehen einen Mann mit einem dunklen Bergarbeiterhelm auf dem Kopf. An dem Helm ist eine Lampe befestigt.
    Eugene Leroy hat fast drei Jahrzehnte in Kohleminen gearbeitet. (Deutschlandradio / Barenberg)
    Bis in die 40er-Jahre holten die Männer hier für die New River Coal Company Kohle aus dem Berg. Anfangs mit Spitzhacke und Schaufel, später mit schwerem Gerät. Harte Arbeit, erzählt Leroy, acht bis zehn Stunden am Tag, fünf Tage die Woche. Mit der die Kumpel aber die Grundlage für die nachfolgenden Generationen legten.
    "The coal miners that worked years ago, they worked very hard. They paved the way for the young coal miners."
    Auch für Männer wie Eugene. Fast 30 Jahre hat er in Kohleminen in der Gegend geschuftet. Und den Job geliebt.
    Die Kumpel, eine verschworene Gemeinschaft, eine zweite Familie. Schwere Arbeit, aber gut bezahlt. Jedenfalls gut genug, um eine Familie zu gründen, den Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. So sah der amerikanische Traum für Hunderttausende hier in den Apalachen aus, in Virginia, West Virginia, in Kentucky. Doch die Zeiten haben sich geändert. Und zwar gewaltig.
    Die Zahl der Jobs sinkt. Dramatisch.
    Noch immer rollen kilometerlange Güterzüge durch die bewaldeten Hügel von West Virginia. Noch immer werden Bergkuppen abgeholzt und dann gesprengt, um möglichst einfach an die Kohle heranzukommen. Doch die Zahl der Jobs im Tagebau ist dramatisch gesunken.
    "…he is in Jerry's office. Just go straight up the steps there, he’ll be the first door on the right, ok? Thanks!..."
    "United Mine Workers of America" nennt sich die wichtigste Gewerkschaft für Bergleute in der Region. In Beckley residiert die UMWA in einer alten Villa am Rande der Stadt, einst die Firmenzentrale eines Kohlebarons. Vizepräsident Joe Carter empfängt im ersten Stock. Ein bedächtiger Mann mit schütterem grauen Haar, Schnurrbart und Brille. Auch er stammt aus einer Familie von Minenarbeitern, in vierter Generation.
    "I'm a forth generation coal miner. My dad is still living, he's a UMWA retiree, worked in the mines for many years. My two grandfathers on each side, both of them were coal miners. My great-grandfather was killed in a coal mine here in Fayette County."
    Der Urgroßvater kam bei einem Grubenunfall ums Leben. Auch deshalb war Joe Carter als junger Mann dabei, als sich die Gewerkschaften harte Kämpfe mit den Minenbesitzern lieferten – für mehr Sicherheit in den Gruben, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.
    Sie sehen einen Stollen unter Tage, der mit einigen Lampen beleuchtet wird.
    Ein Blick in den Stollen der historischen Kohlemine von Beckley, West Virginia. (Deutschlandradio / Jasper Barenberg)
    In den vergangenen Jahren aber hat er erleben müssen, wie hunderte entlassene Kumpel in der Beratungsstelle im Erdgeschoss Hilfe bei der Gewerkschaft gesucht haben, auf der Suche nach irgendeiner Arbeit. Wie Drogen zu einem großen Problem wurden. Er sieht, dass immer mehr Häuser in der Gegend zum Verkauf stehen. Dass viele Geschäfte in Beckley und Umgebung dicht machen.
    "Die Politik von Präsident Obama hat diesem Land enorm geschadet! Wir lassen unsere Industrie ins Leere laufen, während andere Staaten wie China, Brasilien oder Indien neue Kohlekraftwerke bauen! Und sie stellen auch die Produkte her, die wir dann kaufen. Das ist falsch für Amerika! Weil unsere Leute leiden, weil ihr Lebensstandard sinkt. Wegen dieser Politik!"
    Obama ist schuld am Niedergang, Kohle hätte West Virginia noch für viele Jahrzehnte. Und damit auch Arbeit für die Kumpel. Das sieht Joe Carter nicht anders als der Arbeitgeberverband der Kohleindustrie. Das macht ihn empfänglich für Donald Trump und sein Versprechen, für viele neue Arbeitsplätze zu sorgen. Andererseits kann der Gewerkschafter nicht erkennen, wie der Kandidat der Republikaner die Rückkehr der Kohle tatsächlich bewerkstelligen will.
    "I'd like to see America great again! But it's just hard to understand how some of these things can be accomplished."
    Das Dilemma Trump vs. Clinton
    Außerdem kämpft Joe Carter auch für mehr soziale Sicherheit, für sichere Renten und eine gute Krankenversorgung – und damit für alles, was Trump so vehement ablehnt. Was eher für die Demokratin Hillary Clinton spricht. Für Carter ist diese Wahl vor allem eines: Ein Dilemma.
    "It is a dilemma. And it's something that each individual have to make a choice based upon what they think is best."
    Hin- und hergerissen ist auch Eugene Leroy in der historischen Kohlemine von Beckley. Würde ein Präsident Trump für neue Arbeitsplätze sorgen? Der 75jährige winkt ab.
    "He might try, but I don’t think he will, I really don't. Hillary, I don’t think she can, either. I wish they could. Work together. Maybe put some more jobs in here. But they make a lot of promises a lot of times you can't keep…"
    Weder Donald Trump noch Hillary Clinton traut Eugene Leroy die Renaissance der Kohle zu. Und weil Politiker ohnehin vor der Wahl immer viel versprechen und nach der Wahl wenig davon halten, rät er jungen Leuten, sich anderswo einen Job zu suchen. Wenn sie nicht riskieren wollen, in ein oder zwei Jahren auf der Straße zu stehen.