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USA
Justizministerium schließt private Gefängnisse

Das US-Justizministerium hat beschlossen, die privat geführten Gefängnisse im Land zu schließen. Sie sind wegen Gewalt und wegen unzureichender sozialer und medizinischer Leistungen ins Gerede gekommen. Und sie sind eher massenhafte Verwahranstalten als Institute zur Resozialisierung.

Von Thilo Kößler | 23.08.2016
    Blick auf den vergitterten Eingang eines Gefängnisses, die Zäune sind mit gerolltem Stacheldraht gesichert
    Im Juli 2015 hat US-Präsident Barack Obama ein staatliches Gefängnis in Oklahoma besucht: die El Reno Federal Correctional Institution. (AFP / Saul Loeb)
    Der Beschluss des amerikanischen Justizministeriums, die Verträge mit den privaten Gefängnisbetreibern sukzessive auslaufen zu lassen, ist ein schwerer Schlag für die umsatzstarke Gefängnisindustrie in den Vereinigten Staaten. 600 Millionen Dollar streichen die beiden großen Unternehmen jährlich ein, die insgesamt 14 Gefängnisse im ganzen Land unterhalten.
    Mehr schlecht als recht, wie sich jetzt auch offiziell herausstellte: Verglichen mit den staatlichen Gefängnissen unter Aufsicht des Federal Bureau of Prisons seien sie weniger sicher und leistungsorientiert, sagte die stellvertretende amerikanische Justizministerin Sally Yates.
    22.000 Insassen sitzen in den privat betriebenen Gefängnissen ein – das sind nur noch halb so viele wie vor zwei Jahren. Die privaten Anbieter kamen 1997 mit dem Staat ins Geschäft, als die Drogengesetze massiv verschärft wurden und die Gerichte in den Bundesstaaten dazu übergingen, auch für Bagatelldelikte immer härtere Strafen auszusprechen – von einer Welle der Masseninhaftierung war die Rede.
    Immer mehr Häftlingsrevolten in privaten Gefängnissen
    Die Bundesgefängnisse waren schnell überfüllt – Sicherheitsfirmen witterten das große Geschäft und schlossen lukrative Verträge ab. Zugute kam ihnen ein Justizsystem, das mehr auf Vergeltung als auf Wiedereingliederung setzt und das im Wegsperren von Problemgruppen bis heute eine Lösung für gesellschaftliche Probleme sieht.
    Präsident Obama hat diese strukturellen Defizite im Justizwesen der USA, das von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich ist, immer wieder kritisiert und beklagt, dass besonders Minderheiten und sozial Schwache systematisch benachteiligt werden. Eine von ihm initiierte Strafgesetz- und Justizreform scheiterte indes immer wieder an der republikanischen Mehrheit im Kongress.
    Nachdem sich die Zahl der Häftlingsrevolten in den privatwirtschaftlich geführten Gefängnissen häufte, setzte das Justizministerium den Hebel an und gab eine Untersuchung in Auftrag. Auch Sally Yates, die stellvertretende Justizministerin, kam nach der Lektüre des Abschlussberichtes zu dem Ergebnis: besorgniserregend - gerade mit Blick auf die Sicherheits- und Sozialstandards.
    Verträge mit Anbietern sollen nicht verlängert werden
    Konkret war die Rede war von Gewaltexzessen, von massiven Sicherheitslücken und von eklatanten Mängeln in der medizinischen Versorgung der Häftlinge. Generalinspekteur Michael Horowitz sprach in einem Interview mit dem Sender National Public Radio von chronischer personeller Unterbesetzung in den Haftanstalten.
    Jetzt also die Kehrtwende: Im Mai nächsten Jahres soll die Zahl der Häftlinge in den privat geführten Gefängnissen nur noch bei 14.00 liegen und dann sukzessive weiter abgebaut werden – die Verträge mit den Anbietern sollen auslaufen und nicht verlängert werden. Eine längst überfällige Entscheidung, sagen Bürgerrechtsgruppen wie "The Sentencing Project", die die strukturellen Ungerechtigkeiten und den latenten Rassismus im amerikanischen Rechtssystem anprangern. Der Sprecher der Organisation, Marc Mauer, spricht von einem signifikanten Schritt, um der Politik der Masseninhaftierung Einhalt zu gebieten.
    Weiter kann das Justizministerium aber nicht mehr gehen – nun wäre es Sache des Kongresses, einen fundamentalen Reformprozess im amerikanischen Rechtssystem einzuleiten. Doch in den wenigen Monaten, die Barack Obama noch im Weißen Haus verbleiben, ist damit nicht mehr zu rechnen.