Samstag, 20. April 2024

Archiv

USA
Lehrbeauftrage dürfen Gewerkschaft gründen

Die US-Bundesbehörde für den Arbeitsmarkt hat Forschungsassistenten und Lehrbeauftragten privater Universitäten seit 2004 verboten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Doktoranden der Columbia Universität in New York reichten vor zwei Jahren eine Petition gegen das Verbot ein. Trotz heftiger Proteste von Eliteunis wurde das frühere Urteil aufgehoben.

Von Heike Wipperfürth | 02.09.2016
    Studenten sitzen in einem Hörsaal der Universität Koblenz-Landau
    Die Universitäten müssen sich nun mit den Forderungen der Doktoranden auseinandersetzen. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    "Das frühere Urteil der Arbeitsbehörde behauptet, wir seien keine Angestellten, sondern Studenten. Das ist eine rechtswidrige Fiktion, die nur so konstruiert ist, damit wir keinerlei Rechte erhalten. Die neue Entscheidung ist von großer Bedeutung für die Columbia Universität und Privatuniversitäten im ganzen Land."
    In kaum einer US-Privatuniversität ist die gewerkschaftliche Organisation so weit fortgeschritten wie an der Columbia Universität. Schon im September könnten die 3.000 Doktoranden über die Gründung einer Arbeitervertretung abstimmen. Weil eine Mehrheit die Petition unterschrieb, glaubt Maida Rosenstein, die Leiterin der New Yorker United Auto Workers Gewerkschaft, dass Columbia auf dem besten Wege ist, die erste Elite-Universität mit einer Arbeitervertretung für Doktoranden zu werden – wenn sich ihr Arbeitgeber nicht allzu energisch zur Wehr setzt.
    "Die Columbia Universität könnte die Entscheidung der Arbeitsbehörde anfechten. Die Arbeitsbehörde führt dann trotzdem die Wahlen aus, wartet aber mit dem Auszählen der Stimmzettel, bis der Einspruch entschieden ist."
    Ermutigt von der Entscheidung der US-Arbeitsbehörde wollen immer mehr Doktoranden in ganz Amerika Gewerkschaften an ihren Unis gründen – und zwar so schnell wie möglich, sagt Bill Herbert, ein Kollektivverhandlungsexperte an der City University of New York.
    "Egal, ob an der Universität von Chicago, Harvard, Duke oder Cornell – überall sollen Gewerkschaften gegründet werden. Die Cornell Universität hat ihren Doktoranden versprochen, dass sie über die Gründung einer Arbeitnehmervertretung abstimmen können, wenn die Arbeiterbehörde zu ihren Gunsten entscheidet. Das hat sie getan und dieses Versprechen muss sie halten."
    Hoffnung auf Durchsetzung von besseren Arbeitsbedingungen
    Die Forschungsassistenten und Lehrbeauftragten erhoffen sich viel von kollektiven Verhandlungen und dem Streikrecht: höhere Löhne, bessere Krankenversicherungen und faire Verfahren für die Behebung von Problemen und Beschwerden – und das ist nur der Anfang.
    Die privaten Universitäten sehen das anders. Drew Faust, die Leiterin der Harvard Universität, warnte voriges Jahr, dass eine Gewerkschaft die akademische Freiheit und die Beziehung zwischen Doktoranden und Fakultät zerstören könnte. Stimmt nicht, sagt Sean Rogers, Professor für Personalpolitik an der Cornell Universität in New York.
    "Öffentliche Universitäten in den USA sind von den Regeln der nationalen Arbeitsbehörde ausgeschlossen. In unserer Forschung vergleichen wir gewerkschaftlich organisierte öffentliche Universitäten mit nicht organisierten. Wir haben herausgefunden, dass Gewerkschaften keinen so großen Schaden anrichten, wie die Arbeitsbehörde früher immer behauptet hat. Im Gegenteil: In manchen Fällen haben sie sogar eine positive Wirkung."
    Das wollen die privaten Bildungsstätten natürlich nicht hören. Doch anders als viele Unternehmen können sie ihre Forschungs- und Lehreinrichtungen nicht einfach in Billigländer verlegen, um dem Klassenkampf auf dem Campus zu entgehen. Sie müssen sich mit den Forderungen der Doktoranden auseinandersetzen. Und der Tatsache, dass sie künftig wie Angestellte behandelt werden müssen.