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Schlanke Tragflächen
Forscher testen neue Flügel-Geometrie für Flugzeuge

Die Luftfahrt steht als Klimasünder am Pranger. Mit schlankeren Flügeln wollen Forscher Flugzeugen helfen, Sprit zu sparen. Bis zu zehn Prozent Kerosin ließen sich dank optimierter Form der Tragflächen einsparen. Doch Modellversuche zeigen: Die technische Umsetzung ist knifflig.

Von Claudia Doyle | 17.01.2020
v.l.n.r.: Daniel Teubl, Christian Rößler und Sebastian Köberle transportieren den Flugdemonstrator vom Flugvorfeld zur Startbahn. Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts FLEXOP (Flutter Free FLight Envelope eXpansion for ecOnomical Performance improvement) sollen neue Methoden zum Entwurf von aktiven und passiven Systemen zur Flatterdämpfung von sehr leichten und damit flexiblen Flügelstrukturen entwickelt und validiert werden.Unter dem Schirm des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon2020 der Europäischen Union arbeiten Partner aus Industrie und Forschung aus 6 verschiedenen Ländern an Regelalgorithmen, Aktuatoren, Entwurfsoptimierung, sowie an einem unbemannten Flugdemonstrator mit 7m Spannweite und Turbinenantrieb, an dem die gefundenen Ansätze erprobt werden sollen. ENGLISH VERSION: f.l.t.r.: Daniel Teubl, Christian Rößler und Sebastian Köberle. Transport of the demonstrator from the DLR apron to the runway. The European research project FLEXOP (Flutter Free FLight Envelope eXpansion for EcOnomical Performance improvement) aims to develop and validate new methods for designing active and passive systems for flutter suppression of very light and thus flexible wing structures. Under the guidance of the Horizon2020 research and innovation program, partners from industry and academia from 6 different countries are working on control algorithms, actuators, design optimization as well as an unmanned flying demonstrator with 7m wingspan and engine propuslion, in which the found approaches will be tested. Foto: Fabian Vogl /TUM; Verwendung frei für die Berichterstattung über die TUM bei Nennung des Copyrights /Free for use in reporting on TUM, with the copyright noted
Flugvorbereitungen in Oberpfaffenhofen: Daniel Teubl, Christian Rößler und Sebastian Köberle transportieren den Flugdemonstrator zur Startbahn. (Fabian Vogl / TUM)
Sebastian Köberle ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Luftfahrtsysteme der TU München. Und wenn er auf dem Flugplatz in Oberschleißheim nördlich von München steht, dann ist er außerdem noch Operator. Er gibt dem Piloten Anweisungen, wie dieser das kleine, unbemannte Flugzeug vom Boden aus steuern soll.
"So ein Testflug dauert zwischen 18 und 25 Minuten und es sind immer die schnellsten 25 Minuten am ganzen Tag. Und auch die längsten. Weil jeder nur so in der Situation drin ist und schaut, dass der Test gut abläuft, dass man sich danach immer wundert, dass 20 Minuten vorbei sind obwohl man doch eben erst gestartet ist."
Das Flugzeug ähnelt äußerlich einem Segelflieger, wird aber mit einem Motor betrieben: "Also wir haben eine Spannweite von 7 Metern und eine Länge von circa dreieinhalb Metern. Man sieht also schon an den Proportionen, dass es ein spezielles Flugzeug ist für eine spezielle Anwendung."
Christian Rößler neben dem Flugdemonstrator vor der Boden- kontrollstation. Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts FLEXOP (Flutter Free FLight Envelope eXpansion for ecOnomical Performance improvement) sollen neue Methoden zum Entwurf von aktiven und passiven Systemen zur Flatterdämpfung von sehr leichten und damit flexiblen Flügelstrukturen entwickelt und validiert werden.Unter dem Schirm des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon2020 der Europäischen Union arbeiten Partner aus Industrie und Forschung aus 6 verschiedenen Ländern an Regelalgorithmen, Aktuatoren, Entwurfsoptimierung, sowie an einem unbemannten Flugdemonstrator mit 7m Spannweite und Turbinenantrieb, an dem die gefundenen Ansätze erprobt werden sollen. ENGLISH VERSION: Christian Rößler and the demonstrator in front of the Ground Control Station. The European research project FLEXOP (FlutterFree FLight Envelope eXpansionfor EcOnomical Performance improvement) aims to develop and validate new methods for designing active and passive systems for flutter suppression of very light and thus flexible wing structures. Under the guidance of the Horizon2020 research and innovation program, partners from industry and academia from 6 different countries are working on control algorithms, actuators, design optimization as well as an unmanned flying demonstrator with 7m wingspan and engine propuslion, in which the found approaches will be tested. Foto: Fabian Vogl /TUM; Verwendung frei für die Berichterstattung über die TUM bei Nennung des Copyrights /Free for use in reporting on TUM, with the copyright noted
Vor den Testflügen in Oberpfaffenhofen: Christian Rößler neben dem Flugdemonstrator vor der Bodenkontrollstation. (Fabian Vogl / TUM)
Der Sinn dieser Testflüge: Die Wissenschaftler wollen schlanke Flugzeugflügel entwerfen. Denn solche eine höhere Streckung, so der Fachbegriff, verringert den Luftwiderstand an der Flügelspitze und sorgt damit für effizienteren Auftrieb.
Schlankere Flügel könnten fünf bis zehn Prozent Kerosin einsparen
Aus diesem Grund verfügen Segelflugzeuge über besonders lange, schlanke Flügel, deren Streckung über 20 beträgt. Die neuesten Passagierflugzeuge kommen hingegen nur auf eine Streckung von etwa 10. Dieser Wert könnte sich auf 13 bis 14 steigern lassen, vermuten die Wissenschaftler.
Berechnungen zufolge ließen sich dadurch bei typischen Verkehrsmaschinen zwischen fünf und zehn Prozent Kerosin einsparen. Wenn man bedenkt, dass ein Flug von Europa nach New York über 100.000 Liter Treibstoff verbraucht, dann wird klar, um welche Dimensionen es hier geht.
Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts FLEXOP (Flutter Free FLight Envelope eXpansion for ecOnomical Performance improvement) sollen neue Methoden zum Entwurf von aktiven und passiven Systemen zur Flatterdämpfung von sehr leichten und damit flexiblen Flügelstrukturen entwickelt und validiert werden.Unter dem Schirm des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon2020 der Europäischen Union arbeiten Partner aus Industrie und Forschung aus 6 verschiedenen Ländern an Regelalgorithmen, Aktuatoren, Entwurfsoptimierung, sowie an einem unbemannten Flugdemonstrator mit 7m Spannweite und Turbinenantrieb, an dem die gefundenen Ansätze erprobt werden sollen. ENGLISH VERSION: The European research project FLEXOP (Flutter Free FLight Envelope eXpansion for EcOnomical Performance improvement) aims to develop and validate new methods for designing active and passive systems for flutter suppression of very light and thus flexible wing structures. Under the guidance of the Horizon2020 research and innovation program, partners from industry and academia from 6 different countries are working on control algorithms, actuators, design optimization as well as an unmanned flying demonstrator with 7m wingspan and engine propuslion, in which the found approaches will be tested. Foto: Fabian Vogl /TUM; Verwendung frei für die Berichterstattung über die TUM bei Nennung des Copyrights /Free for use in reporting on TUM, with the copyright noted
Der Flugdemonstrator hebt ab. (F. Vogl / TUM)
Das große Problem bei solch schlanken Flügeln mit hoher Streckung: Sie neigen stärker zum Flattern, erklärt Sebastian Köberle: "Also grundsätzlich fängt jeder Flügel irgendwann an zu flattern, wenn man nur schnell genug fliegt. Deswegen wird heutzutage darauf geachtet, dass die Flügel so stabil gebaut sind, dass man während des normalen Betriebs gar nicht in den Geschwindigkeitsbereich vordringt, wo Flattern entstehen könnte."
Flattern. Was harmlos klingt, ist in Wahrheit eine Katastrophe. Denn die Flügel werden dabei in Schwingungen versetzt, die sich aufschaukeln können. Das begünstigt vorzeitige Materialermüdung und kann sogar dazu führen, dass der Flügel bricht.
Tragflächen mit hoher Streckung neigen zum Flattern
Ein internationales Team von Wissenschaftlern aus sechs Ländern arbeitet deshalb daran, den Flügeln das Flattern auszutreiben. Im EU-geförderten Projekt FLEXOP verfolgen sie dazu zwei Ansätze: eine passive und einen aktive Technologie. Bei der passiven Technologie, entwickelt an der Universität Delft, liegt die Innovation im Aufbau des Flügels. Kopplungseffekte im Material sollen das Biege- und Torsionsverhalten des Flügels so beeinflussen, dass es erst gar nicht zum Flattern kommt. Andreas Hermanutz, ebenfalls Mitarbeiter am Lehrstuhl für Luftfahrtsysteme, erklärt das so.
"Gehen wir davon aus, wir haben eine Platte und würden darauf drücken, dann würde die sich einfach nur durchbiegen. Wir haben aber die Platte so manipuliert, dass, wenn wir draufdrücken, sie auch anfängt zu tordieren, zu verdrehen."
Und zwar so, dass die Luft weniger Angriffsfläche hat und gefährliche Schwingungen gar nicht erst entstehen können. Die aktive Technologie hingegen setzt darauf, dass Flattern des Flügels aktiv zu dämpfen, mit Steuerklappen an der Flügelhinterkante. Andreas Hermanutz:
"Die aktiven Technologien sind alles das, wo ein Regler irgendwie was steuert, also Klappen bewegt. Da können wir natürlich noch mehr Zustände abdecken, also das Flugzeug noch effizienter machen. Hat aber den Nachteil, dass, wenn der Regler ausfällt, sofort Flattern eintritt und der Flügel abbrechen würde."
Aktive Dämpfung soll gefährliche Schwingungen verhindern
Die Flugtests mit dem aktiv gedämpften Flatterflügel stehen noch aus. Computersimulationen haben gezeigt, dass er bei einer Geschwindigkeit von 53 Metern pro Sekunde anfangen sollte zu flattern, also bei 190 Stundenkilometern. Dann muss die Regelungstechnik beweisen, dass sie es schafft, diese Schwingungen zu stoppen. Gelingt ihr das nicht und der Flügel bricht, müssen die Wissenschaftler den Fallschirm an Bord auslösen und hoffen, wenigstens den Rest des Flugzeugs zu retten.
Sebastian Köberle hat auf dem Flugfeld jedoch meistens keine Zeit für einen Blick in den Himmel: "Ich seh‘ den Flieger nicht. weil ich bis zuletzt Geschwindigkeiten durchgeben muss. Bis mir jemand auf die Schulter klopft und sagt: "Es ist okay, wir sind gelandet."