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Coronakrise in Mexiko
Fußball ohne Auf- und Abstieg

Mexikos Profi-Fußball nutzt die Coronakrise für eine Umstrukturierung: Für zunächst fünf Jahre wird das Auf- und Abstiegsmodell in den beiden höchsten Ligen aufgehoben. Damit sollen finanzielle Probleme gelöst werden. Spieler und Fans reagieren enttäuscht und wütend.

Von Anne-Katrin Mellmann | 20.04.2020
Das Atztekenstadion in Mexiko-City
Das Atztekenstadion in Mexiko-City (AFP/ Alfredo Estrella)
Reichliche Beschimpfungen in sozialen Netzwerken ernten die Chefs der mexikanischen Liga für ihre Entscheidung. Die Abschaffung von Auf- und Abstieg sei der Abschied vom Wettbewerb. Die bisherige zweite Liga, Aufstiegsliga genannt, soll zu einer Entwicklungsliga umfunktioniert werden, einer Art Nachwuchsschmiede mit der Altersgrenze 23. Das sei ein schwerer Schlag gegen den Fußball, wie dieser wütende Kommentator meint:
"Die Aufstiegsliga verschwinden zu lassen, ist eine historisch falsche Entscheidung. Sie richtet sich direkt gegen jeden Sportsgeist. Jetzt heißt es: Willkommen sei das Mittelmaß!"
Kritik an Erstligavereinen
Ohne Aufstieg könne es keine Entwicklung geben. Aber die Aufstiegsliga habe schon seit längerer Zeit wirtschaftliche Probleme gehabt, begründet Verbandspräsident Enrique Bonilla die Umstrukturierung mitten in der Coronakrise. Jetzt erhielten die Clubs der früheren Aufstiegsliga pro Jahr eine Unterstützung von 20 Millionen Pesos, fast 1 Million Euro.

"Das wird ermöglichen, dass sich kein Spieler mehr Sorgen um sein Gehalt machen muss. Sie können sich wieder in Ruhe auf ihre Aufgabe konzentrieren."
Aber einige werden sich verabschieden müssen, weil der Anteil ausländischer Spieler gesenkt werden soll und auch die Altersgrenze. Alberto Castellanos, Präsident des Zweitliga-Vereins Leones Negros, ist überzeugt, dass sich die Erstligavereine in dem neuen Modell vor dem Abstieg schützen wollen. In Mexiko gehören die meisten Clubs reichen Unternehmern. Und die wollen ökonomische Planungssicherheit statt sportlicher Abstiegsrisiken

"Ja, wir sind mitten in einer Gesundheitskrise. Aber warum die plötzliche Eile? Wir hätten jetzt viel Zeit für Videokonferenzen, und zum Nachdenken gehabt, wie wir unsere Fußballliga verbessern können. Die Art und Weise, wie sie uns in einer einzigen Videokonferenz zu der Entscheidung gedrängt haben, ist unmöglich. Sie spielen mit der finanziellen Not, die einige Clubs derzeit plagt. Das ist unfair."
Orientierung am nordamerikanischen Modell?
Fußball-Kommentatoren vermuten, dass es um weit mehr geht als das Überstehen der Coronakrise: Die mexikanische Liga wolle sich mit diesem großen Schritt der Major League Soccer MLS angleichen, der gemeinsamen höchsten Spielklasse der USA und Kanadas. Pläne über einen Zusammenschluss mit Mexiko zu einer großen nordamerikanischen Liga haben die Entscheidungsträger schon seit längerem. Auch die MLS kennt weder Auf- noch Abstieg.