Aus den Feuilletons

Männer in schlecht sitzenden Anzügen

Schlafender Osterhase
Schlafender Osterhase © imago stock&people
Von Klaus Pokatzky · 28.03.2018
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" beklagt die mangelnde Vielfalt der neuen Führungsriege im Bundesinnenministerium Horst Seehofers, die "Welt" erteilt einen etymologischen Crash-Kurs und der "Tagesspiegel" rät zum gerechten Schlaf über Ostern.
"Der Sänger Heino schenkte der Heimatministerin von NRW eine Platte mit Liedern, die auch die SS einst sang", lesen wir in der Tageszeitung TAZ. "Ein Skandal?", fragt das Blatt. "Ehrlich gesagt, war ich von der allgemeinen Aufregung überrascht", antwortet Michael Fischer. "Wie das hochgekocht wurde: ‚Heino – SS-Lieder – Nazi.‘ Dabei handelt es sich um gar keine SS-Lieder", meint der Musikhistoriker: "Das ist kein redlicher, kein kritischer Journalismus."

Heimelig-bedrohliche Biederkeit

Michael Fischer stört vielmehr der "militaristische und chauvinistische Charakter" der Lieder – mit "Texten aus den sogenannten Befreiungskriegen, die problematisch sind, weil sie nationalistische und militaristische Werte propagieren, die überholt sind und nicht mehr zu uns passen".
Zu uns passt ja jetzt dafür was richtig Schönes, wo wir uns heimisch fühlen können.
"Man möchte das Bundesinnenministerium jetzt und immerdar nur noch Heimatministerium nennen, weil die ganze heimelig-bedrohliche Biederkeit des Wortes so herrlich zu dem passt, was Seehofer daraus machen will", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zum neuen Betätigungsfeld des Christsozialen Horst Seehofer: ein Ministerium mit der wahrlich passenden Mannschaft.

Frauen würden in Seehofers Führungsriege nur stören

"In der Pressemitteilung auf der Website des Heimatministeriums wurde stolz die neue Führungsriege vorgestellt, und zwar mit einem Foto, das Seehofer inmitten von acht weißen Männern mittleren Alters zeigt, alle Staatssekretäre und Abteilungsleiter. Die einzige Vielfalt, die sich auf diesem Foto zeigt, betrifft die tausend Arten, auf die ein Anzug schlecht sitzen kann", schreibt Julia Bähr – und zieht dann die logische Konsequenz:
"Da würden Frauen wirklich nur stören. Gehören Frauen zu Deutschland?"
Da war doch noch was! "Wir benutzen viele Ausdrücke aus dem islamischen Kulturkreis, die sich unauffällig ins Deutsche integriert haben", gibt die Tageszeitung DIE WELT unserem neuen Heimatminister – und uns allen – einen kleinen Nachhilfekurs.
"Es schadet doch nichts, zu wissen, dass Jacke, Alkohol und Algebra zu den mehr als 1001 Wörtern gehören, die das Deutsche aus Sprachen der islamischen Welt übernommen hat", schreibt Matthias Heine.

Kabarett-Verbot am Karfreitag

"Die Deutschen haben erst zu den Zeiten von Goethes ‚West-östlichem Divan‘ angefangen, sich für den Orient zu interessieren. Die arabischen, türkischen, neupersischen und tatarischen Begriffe borgten sie aus den Sprachen von Nationen, die gezwungenermaßen mehr mit der islamischen Welt zu tun hatten – sei es, weil sie Krieg gegen sie führten, sei es, weil sie Handel mit ihnen trieben."
Vielleicht kramen ja jetzt die Heimat-Mannen des Horst Seehofer nach alten teutonischen Wörtern für ihre Jacken und ihre Schals. Reichlich Alkohol dürfte dabei helfen. Das war jetzt natürlich Satire. Dies ist jetzt schließlich noch gestattet. Noch haben wir ja nicht Freitag.
"Geplant war das Kabarettprogramm "Tod im Rheinland", heißt es in der WELT zu einem Theaterstück, dass Karfreitag in Bonn aufgeführt werden sollte. Die Stadtverwaltung hat das nun verboten. "Aufgrund des Feiertaggesetzes dürften keine öffentlichen Tanz- oder unterhaltende Aufführungen stattfinden."

Ostern ist eine existentielle Zäsur

Und was machen wir stattdessen? "Schlaf ist gerecht, denn jeder braucht ihn", empfiehlt der Berliner TAGESSPIEGEL für die Karwoche. "Ostern, das bedeutet eine existenzielle Zäsur. Sterben und Auferstehen. Schlafen und Erwachen", meint Thea Herold und rät zu ausgedehntem Bettaufenthalt.
"Gerade der Schlaf wird uns zu Beginn des Lebens in die Wiege gelegt, wir lernen, ihn nach unseren inneren Uhren zu gestalten, und er begleitet uns, bis wir eines Tages hoffentlich sanft entschlafen."
Aber erst mal wird auferstanden!
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