Neue Stiftung für Erinnerungsorte

"Wir brauchen ein positives Demokratiegedächtnis"

05:49 Minuten
Ausschnitt aus dem Wandgemälde "Der Zug der Volksvertreter" von Johannes Grützke, auf der Innenseite des ovalen Wandelganges in der Paulskirche, Frankfurt am Main.
Ausgangspunkt eines deutschen Demokratieversuchs: Die Paulskirche in Frankfurt am Main wird zur neuen Stiftung "Orte der deutschen Demokratiegeschichte" gehören. © picture alliance / Eibner-Pressefoto
Marina Münkler im Gespräch mit Anke Schaefer · 10.06.2021
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Weder Zufall noch Geschenk der USA: An Orten wie der Paulskirche soll der deutschen Demokratiegeschichte gedacht werden. Dafür wurde nun eine Stiftung gegründet. Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler findet das sehr sinnvoll.
Dem Bundestag ist es ein Anliegen, die Demokratie zu fördern. Deshalb hat er mit großer Mehrheit beschlossen, die Stiftung "Orte der deutschen Demokratiegeschichte" auf Bundesebene zu gründen. Sie soll Orte wie die Frankfurter Paulskirche, das Hambacher Schloss oder das Haus der Weimarer Republik fördern.
Die Kritik, dass die Orte der "Friedlichen Revolution" im Osten wie die Leipziger Nikolaikirche erst mal bei dieser Stiftung nicht dabei sind, findet die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler nicht ganz unberechtigt. Auch wenn sie ein Problem mit dem Begriff "Friedliche Revolution" habe. Denn die DDR sei aus wirtschaftlicher Schwäche zusammengebrochen und der Staat deswegen gegenüber den Demonstrationen friedlich geblieben.
"Nichtsdestotrotz wäre gerade die Nikolaikirche in Leipzig ein wichtiger Ort, um integriert zu werden", so Münkler, die als Professorin an der Technischen Universität Dresden lehrt und bereits mehrere Bücher zu gesellschaftlichen Themen veröffentlicht hat. Zuletzt etwa "Abschied vom Abstieg – Eine Agenda für Deutschland".

Im kulturellen Gedächtnis wenig verankert

Generell sei es "sehr wichtig", die Orte, die bei der zu gründenden Stiftung dabei sind, ins Licht zu setzen, so Münkler: "Wir brauchen ein positives Demokratiegedächtnis. Daran hat es uns gefehlt." Zum Beispiel das Haus der Weimarer Republik, das daran erinnere, "dass es im 20. Jahrhundert schon mal eine Demokratie gegeben hat". In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es bereits den Versuch einer demokratischen Revolution, bei dem das Hambacher Schloss und die Frankfurter Paulskirche eine Rolle spielten.
Insgesamt gebe es da sehr viele wichtige Aspekte, die zu wenig im sozialen und kulturellen Gedächtnis der Deutschen verankert seien. "Das alles zusammenzufassen, ist schon sehr wichtig und eine sehr sinnvolle Sache."

Demokratie kein "historischer Zufall"

Es sei wichtig, zu erinnern, dass Deutschland auch eine Demokratiegeschichte habe und nicht nur "die fatale Geschichte, die es dann geprägt hat". Wichtig sei, nicht nur zu sagen: "Da gab es dieses gescheiterte Experiment der Weimarer Republik und dann gab es 1945 die Gründung der Bundesrepublik. Das ist einfach zu wenig."
Manchmal sehe es so aus, "als sei die Demokratie ein historischer Zufall, der uns quasi nach den historischen Verbrechen von den Amerikanern geschenkt worden ist". So sollte diese Geschichte nicht wahrgenommen werden, betont Münkler.
(abr)
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