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USA sammeln "sicherlich auch zum Schutz deutscher Staatsangehöriger Daten"

Das Parlamentarische Kontrollgremium könne nur die Totalausspähung in Deutschland beurteilen und die gebe es nicht, sagt Michael Grosse-Brömer (CDU). Das Handeln in den USA könne man nicht bewerten. Dass Daten zum Schutz deutscher Soldaten beispielsweise in Afghanistan erhoben wurden, sei ein schönes Ergebnis, ergänzt er.

Michael Grosse-Brömer im Gespräch Dirk-Oliver Heckmann | 13.08.2013
    O-Ton Ronald Pofalla: "Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unserer Nachrichtendienste vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung, wie immer wieder fälschlich behauptet wird."

    O-Ton Hans-Christian Ströbele: "”Ich weiß allerdings immer noch nicht, was denn nun eigentlich die US-Amerikaner über deutsche Bürgerinnen und Bürger gespeichert haben und was sie verarbeiten.”"

    O-Ton Thomas Oppermann: "”Es gibt keine Vereinbarung, die den Amerikanern verbietet, von sich aus die deutsche Kommunikation auszuforschen.""

    O-Ton Ronald Pofalla: "Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten."

    Dirk-Oliver Heckmann: Ronald Pofalla (CDU), Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen), der SPD-Politiker Thomas Oppermann und noch einmal Kanzleramtsminister Pofalla nach der stundenlangen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gestern.
    Es ging heftig zur Sache bei der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gestern, und das nicht ohne Grund. Immerhin stand der Vorwurf im Raum, dass der amerikanische Geheimdienst NSA flächendeckend die Kommunikation der Deutschen abhört, egal ob es Telefonate sind, E-Mails oder Chats, außerdem der Verdacht, dass der Bundesnachrichtendienst Unmengen an Daten an die Amerikaner weitergibt, darunter auch Handy-Daten, die dazu verwendet werden, Terrorverdächtige zu orten und sie anschließend mit Hilfe von Drohnen zu töten. Über mehrere Stunden befragte das Parlamentarische Kontrollgremium gestern Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und der sah anschließend, wie eben gehört, alle Vorwürfe entkräftet.

    Am Telefon ist jetzt dazu Michael Grosse-Brömer von der CDU. Er ist stellvertretender Vorsitzender des PKGr und Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion. Schönen guten Morgen, Herr Grosse-Brömer.

    Michael Grosse-Brömer: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Der amerikanische Geheimdienst NSA und der britische Dienst versichern also, wir halten uns in Deutschland an deutsches Recht. Halten Sie eine solche Erklärung tatsächlich für glaubhaft?

    Grosse-Brömer: Es ist ja nicht nur diese Erklärung, die die Feststellung von Ronald Pofalla von gestern untermauert, sondern es gibt ja auch die klaren Codes, die ja teilweise auch in Wochenmagazinen veröffentlicht werden, die eine Zuordnung der Daten zu der Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes zulässt. Die betrifft aber eben keine deutschen Staatsangehörigen. Insofern gibt es da eine zweigleisige Argumentation. Beides führt dazu, dass man sagen kann, die Totalausspähung in Deutschland, teilweise wochenlang behauptet, insbesondere von der Opposition, findet eben nicht statt.

    Heckmann: Die Totalausspähung in Deutschland, sagen Sie, findet nicht statt. So hat es ja auch Ronald Pofalla gestern formuliert, es gebe eben keinen massenhaften Verstoß gegen Grundrechte in Deutschland. Können Sie denn ausschließen, dass es ein massenhaftes Ausspähen deutscher Staatsbürger vom Ausland aus gibt?

    Grosse-Brömer: Ich glaube, wir müssen uns vergegenwärtigen, dass in China, in Russland, in den USA überall auch zum Schutz der eigenen Staatsangehörigen und was die USA betrifft, sicherlich auch zum Schutz deutscher Staatsangehöriger Daten gesammelt werden.

    Ich kann im Gegensatz zu der Bewertung chinesischer Geheimdienste oder russischer Geheimdienste jedenfalls beim US-Geheimdienst feststellen, dass wir zu diesem befreundeten demokratischen und rechtsstaatlich gefassten Land ja sehr gute Beziehungen haben, und der Kanzleramtsminister hat gestern auch deutlich gemacht, dass gerade die NSA, was zum Beispiel die Ausforschung betrifft, sich nur auf ein zielgerichtetes Programm, das heißt auf konkreten Terrorismusverdacht konzentriert. All das sind Aufgaben der Geheimdienste und deswegen bin ich eigentlich ganz frohen Mutes, dass wir sagen, es gibt Verbindungen gerade zu den Amerikanern und das Angebot, hier konkrete Vereinbarungen zu treffen, die den Datenschutz in Deutschland auch berücksichtigen.

    Heckmann: Da kommen wir gleich noch mal zu, Herr Grosse-Brömer. Aber noch mal auf den Punkt zu sprechen zu kommen. Sie schließen also nicht aus, dass zum Beispiel NSA oder auch der britische Geheimdienst von Großbritannien, von den USA aus beispielsweise dann die Kommunikation auch deutscher Staatsbürger massenhaft abschöpft?

    Grosse-Brömer: Ich konzentriere mich sinnvollerweise auf das, was in Deutschland bewertet und auch beeinflusst werden kann, und das bezieht sich auf Deutschland, auf das deutsche Staatsgebiet. Das ist im Übrigen der Bereich, wo deutsche Politik stattfindet, wo auch die Zuständigkeit der Bundesregierung betroffen ist, und das ist das, was wir im Parlamentarischen Kontrollgremium kontrollieren, und da haben wir gestern dieses, wie ich finde, sehr gute Ergebnisse gefunden, dass diese millionenfachen Grundrechtsverletzungen nicht stattfinden. Das kann man sagen: Das Grundrecht und das Grundgesetz gelten in Deutschland, das ist unser Aufgabenbereich. Was anderswo in der Welt von anderen Ländern gemacht wird, das kann weder das Parlamentarische Kontrollgremium noch sonst wer übersehen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe, das zu bewerten. Ich glaube, wir hatten eine klare Aufgabe, nämlich zu kontrollieren, ob es die Totalausspähung in Deutschland gibt, und da gibt es seit gestern eine klare Antwort drauf: Nein, die gibt es nicht.

    Heckmann: Das heißt, wenn diese Totalausspähung vom Ausland aus betrieben wird, dann kann das Parlamentarische Kontrollgremium dazu überhaupt gar keine Erkenntnisse zutage fördern?

    Grosse-Brömer: Unsere Aufgabe bezieht sich natürlich auf die Kontrolle deutscher Geheimdienste. Und dass wir angesichts der Aussagen von Herrn Snowden, die manche natürlich offenkundig sehr gerne geglaubt haben, wir aber immer gesagt haben, gerade diese Aussagen von Herrn Snowden müssen mal konkret überprüft werden und mittlerweile ja auch zu der Feststellung gekommen sind, dass diese Daten offenkundig nicht deutsche Staatsbürger getroffen hat, sondern Auslandsdaten sind, die zum Schutz deutscher Soldaten beispielsweise in Afghanistan oder in anderen Krisengebieten erhoben wurden, das ist doch ein schönes Ergebnis, weil wir feststellen können, hier arbeitet der Dienst so, wie er soll, nämlich zum Schutz deutscher Staatsangehöriger und nicht zu deren Lasten.

    Heckmann: Der Bundesnachrichtendienst, der behauptet ja, man gebe eben nicht massenweise Kommunikationsdaten deutscher Staatsbürger an die NSA weiter. Wie kommt es denn, dass die NSA, also der amerikanische Geheimdienst, allein aus dem Dezember 2012 über rund 500 Millionen Datensätze verfügt?

    Grosse-Brömer: Wir haben ja feststellen können, auch anhand der Codes, dass diese Daten, über die da immer spekuliert wurde, Daten sind, die der BND im Rahmen einer Aufklärung im Ausland ermittelt hat. Und es macht ja auch Sinn, wenn man feststellt, dass es vielleicht Al-Kaida-Netze gibt in Afghanistan oder in anderen Krisengebieten, dass man sich da auch austauscht mit anderen Diensten, denn wie wir wissen, sind in Krisengebieten ja nicht nur einzelne Truppen stationiert, sondern auch internationale.

    Heckmann: Aber wie unterscheiden Sie denn, ob es sich dabei um Kommunikation von Ausländern oder von Deutschen handelt?

    Grosse-Brömer: Weil der BND in der Lage ist, vorher die Daten der Deutschen herauszufiltern. Das ist dankenswerterweise möglich.

    Heckmann: Wie soll das gehen?

    Grosse-Brömer: Das ist auch mehrfach vom BND bestätigt worden, sodass dann anschließend keine Daten mit Bezug auf deutsche Staatsangehörige weitergegeben wurden.

    Heckmann: Wie soll das funktionieren?

    Grosse-Brömer: Die Technik ist ja mittlerweile per Software möglich. Da hat der Präsident des Bundesnachrichtendienstes ganz klar gesagt, dass es kein Problem gibt, entsprechende Daten auszusondern. Da wird ein Filter draufgelegt. Aber ich sage Ihnen noch mal: Ich glaube, die Dienste heißen ja auch nicht umsonst Geheimdienste. Wir sollen sie auch kontrollieren. Wenn wir deren Arbeit öffentlich machen, wenn wir deren Software öffentlich machen, möglicherweise noch deren Personen öffentlich machen, dann können wir den Geheimdienst auch in öffentlichen Dienst umbenennen. Ich bin sehr dafür, dass wir effiziente Kontrolle durchführen. Dafür sind wir im Parlamentarischen Kontrollgremium auch da. Ich möchte aber, dass wir auch darauf achten, dass Geheimdienste ihre Aufgabe zum Schutz deutscher Staatsangehöriger, zur Vermeidung von terroristischen Anschlägen und zur Vermeidung von Entführungen Deutscher im Ausland auch effizient wahrnehmen können. Darauf sollten wir bei der ganzen Diskussion auch achten.

    Heckmann: Jetzt hat Ronald Pofalla gestern auch gesagt, der Bundesnachrichtendienst gebe keine Handy-Daten von Deutschen an die USA weiter, die verwendet werden können, um Terrorverdächtige zu töten. Jetzt gibt es aber auch genug Experten, die sagen, dass diese sogenannten GSM-Daten doch zur Lokalisierung von Personen verwendet werden können.

    Grosse-Brömer: Ja ich kann mich nur darauf beziehen, was im Parlamentarischen Kontrollgremium schon vor einigen Jahren, als ich noch gar nicht dort Mitglied war, diskutiert wurde. Das hat dann auch Herr Oppermann bestätigt, der damals schon dabei war. Da wurde mal so ein konkreter Fall genannt, wo man dann auch eigentlich übereinstimmend der Auffassung war, es lässt sich anhand dieser Daten keine zielgenaue Lokalisierung durchführen. Und der BND ist ohnehin gesetzlich verpflichtet, solche Daten in den Fällen nicht weiterzugeben, schon gar nicht, wenn damit Foltermöglichkeiten bestehen oder in irgendeiner Form die berechtigten Interessen desjenigen, dessen Daten dort betroffen sind, in irgendeinem Fall tangiert werden.

    Da gibt es klare gesetzliche Vorgaben und die Experten sagen ja auch, technisch ist dies nicht möglich, insbesondere nicht in Ländern, wo ein Mobilfunknetz gar nicht so dichtmaschig ist. Infolgedessen habe ich da keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der BND mir da umfangreiche und richtige Aussagen gemacht hat.

    Heckmann: Vielleicht reichen diese GSM-Daten nicht aus. Aber der Verdacht steht ja jetzt im Raum und der wird ja auch von der Opposition erhoben, gerade eben von Herrn Bockhahn von der Linkspartei auch, dass erst die Daten geliefert werden und daraufhin die Amerikaner Drohnen, Aufklärungsdrohnen schicken, um dann das zu verifizieren, sodass der BND doch Beihilfe leisten könnte für solche Tötungsaktionen.

    Grosse-Brömer: Genau dieses Verfahren war ja schon mehrfach Gegenstand parlamentarischer Verfahren und im Übrigen auch der Debatte im Parlamentarischen Kontrollgremium. Ich war zu der Zeit nicht anwesend. Nur das Ergebnis dieser Debatten war offenkundig stets, dass dieses Gremium bislang keine Bedenken hatte an der Feststellung und Aussage des BND, dass allein durch die Weitergabe dieser Daten eine gezielte Tötung von Personen nicht möglich ist. Deswegen verwundert mich auch gerade wieder die Debatte jetzt zum, weiß ich nicht, wiederholten Male, obwohl mehrfach schon festgestellt wurde, dass diese zielgenaue Erfassung dadurch nicht möglich ist. Ich bin nicht dieser Techniker, aber ich verlasse mich auf mehrfache Nachfrage auf diese technischen Voraussetzungen, die das nicht ermöglichen sollen, und im Übrigen auch auf das gesetzliche Verbot in Deutschland. Ich habe keinen Grund, an der gesetzmäßigen und rechtmäßigen Verhaltensweise des BND zu zweifeln.

    Heckmann: Ronald Pofalla hat angekündigt, dass es ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA geben soll, das dann gegenseitige Spionage ausschließen soll. Wenn sich aber die NSA an deutsche Gesetze hält, weshalb brauchen wir dann so einen Anti-Spionage-Vertrag?

    Grosse-Brömer: Es ist doch schön, wir haben doch in der letzten Zeit festgestellt, dass immer mehr Leute trotz dieser Zusagen daran zweifeln, aus welchen Gründen auch immer. Ich will den Wahlkampf jetzt gar nicht wieder großartig ins Feld führen. Ich finde, es wird Zeit, zur sachlichen Debatte zurückzukehren. Dieses Gremium und dieses Thema sind wahlkampfuntauglich.
    Deswegen ist es schön, dass die NSA anbietet, so ein Abkommen abzuschließen, um das ein für alle Mal dann auch vereinbaren zu können. Wäre es anders als behauptet, nämlich dass man sich an Recht und Gesetz in Deutschland hält, dann würde man so ein Abkommen doch nicht anbieten. Deswegen bin ich eigentlich auch gespannt, wenn wir so ein Anti-Spy-Abkommen mit den USA abgeschlossen haben, ob zum Beispiel Länder wie China, Russland, Indien, Pakistan auch bereit sind, solche Abkommen zu schließen. Das wäre doch ein richtiger schöner Schritt in die richtige Richtung.

    Heckmann: Da sind wir gespannt, wie so ein Abkommen dann auch kontrolliert werden soll. Herr Grosse-Brömer, letzte Frage. Frank-Walter Steinmeier, der war ja bereit, sofort auszusagen gestern. Die schwarz-gelbe Mehrheit im Gremium hat das verhindert. Heißt das, Sie wollen das gar nicht so genau wissen, wie seine Rolle da gewesen ist, und ist es Ihnen ganz recht, wenn die Vorwürfe Richtung SPD weiter im Raum bleiben?

    Grosse-Brömer: Nein, ganz im Gegenteil. Wenn Herr Steinmeier da noch Bedarf hat, sich öffentlich zu äußern – erstens hat er das ja gestern auch weithin genutzt -, dann mag er das tun. Nur ich will das gerne noch mal verdeutlichen. Ich verstehe weder die Aufregung des Kollegen Steinmeier, noch dessen persönliche Betroffenheit, denn das ist schön, dass ich das hier noch mal klar sagen kann. Dieses Abkommen, was ja auch unterschrieben und datiert von 2002 stammt und damit auch unzweifelhaft in der Zuständigkeit des damaligen Kanzleramtsministers Steinmeier, dieses Abkommen ist sinnvollerweise getroffen worden zum Schutz deutscher Staatsangehöriger.

    Deswegen ist die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste unter Berücksichtigung des Datenschutzes, aber zur Vermeidung von Terroranschlägen sehr sinnvoll. Das hat ihm niemand vorgeworfen. Der Vorwurf der Union ging gar nicht in Richtung Abkommen. Der Vorwurf der Union ging in die Richtung, dass Herr Gabriel, Herr Oppermann und Herr Steinbrück permanent öffentlich behaupteten, dieses Abkommen sei ja wohl unmöglich und dadurch könnte man vielleicht millionenfachen Grundrechtsbruch begehen. Das war unsere Kritik.

    Heckmann: An dieser Stelle, Herr Grosse-Brömer, müssen wir einen Punkt machen, denn die Nachrichten folgen gleich. – Michael Grosse-Brömer von der CDU war das. Schönen Dank für das Interview!

    Grosse-Brömer: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.