Mittwoch, 24. April 2024

Russlands Angriffskrieg
Welche Rolle spielt der Ukraine-Krieg in den USA?

Die Menschen in den USA verfolgen den Krieg in der Ukraine mit großer Aufmerksamkeit. Die Zustimmungswerte für Joe Biden sind seit Beginn des Krieges deutlich angestiegen. Zunehmend gerät der US-Präsident jedoch unter Druck, mehr Härte gegenüber Russland zu zeigen

Von Doris Simon | 16.03.2022
    Schweigeminute während einer Friedensdemo vor dem Weißen Haus in Washington DC. am 13. März 2022 aus Anlass des Krieges in der Ukraine
    Schweigeminute während einer Friedensdemo vor dem Weißen Haus in Washington DC. am 13. März 2022 aus Anlass des Krieges in der Ukraine (AFP / Samuel Corum)

    Wie stehen die Amerikaner zum russischen Krieg gegen die Ukraine?

    Der Krieg in der Ukraine ist auch für US-Bürger von großem Interesse. Es wird breit darüber in allen Medien berichtet und ist auch in den sozialen Netzwerken ein großes Thema. Bei einer Umfrage nach Kriegsbeginn sagten über 70 Prozent der Befragten, sie seien für Sanktionen gegen Russland und die Unterstützung der Ukraine, auch, wenn das für sie Opfer bedeuten würde. Zugleich lehnt eine große Mehrheit der US-Bürger einen Einsatz von US-Militär in der Ukraine, im Krieg, ab.
    Republikanische Wählerinnen und Wähler sind überzeugt, dass Präsident Biden zu schwach auftritt und mit dieser Schwäche den russischen Präsidenten geradezu eingeladen habe, die Ukraine erneut anzugreifen. Der Tenor der Republikaner im Kongress und konservativer und rechter Medien lautet: Frieden durch Stärke und Abschreckung, unter einem Präsident Trump hätte Wladimir Putin nicht gewagt, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Unter dem Eindruck der Bilder vom Krieg fordern inzwischen nicht nur republikanische Wählerinnen und Wähler, sondern auch Demokraten und Unabhängige mehr als Sanktionen, Waffen und Geld für die Ukraine.

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    Wie sieht die US-Unterstützung für die Ukraine aus?

    Die finanzielle Hilfe hat seit der Euromaidan-Revolution und der russischen Annexion der Krim 2014 dramatisch zugenommen. Seither haben die USA der Ukraine zwei Milliarden Dollar an Kreditgarantien bereit gestellt zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation und laut USAid, einer US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, 3,3 Milliarden Dollar an Unterstützung, mehr als die Hälfte davon für Waffen und die Sicherheitskräfte. Bis Dezember schulten US-Militärausbilder auch ukrainische Soldaten.
    Ende letzten Jahres gab Präsident Biden zusätzliche 200 Millionen Militärhilfe frei, am 25. Februar noch einmal 350 Millionen Dollar. Die USA haben der Ukraine unter anderem tausende von Stinger-Raketen und leicht bedienbaren Javelin-Anti-Panzer-Waffen geliefert. Außerdem sind die Vereinigten Staaten weltweit der größte Geber humanitärer Hilfe für die Ukraine und haben allein seit Ende Februar zusätzliche 292 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe in der Ukraine und in der Region bereitgestellt.
    Menschen mit Ukraine- und EU-Flaggen auf dem Maidan in Kiew
    Mit den Protesten 2013 und 2014 erreichten die Ukrainer einen Machtwechsel in Kiew – der damalige pro-russische Präsident Jankowitsch musste gehen (dpa / picture alliance / Zurab Dzhavakhadze)
    Unterstützung erhält die Ukraine von den USA auch bei der Aufklärung: Die US-Dienste geben ihre Erkenntnisse über russische Truppenbewegung innerhalb von ein bis zwei Stunden an das ukrainische Militär weiter, nachdem zuvor alle Hinweise auf die Herkunft der Informationen entfernt wurden.
    Präsident Biden wird weitere 800 Millionen Dollar Militärhilfe freigeben aus insgesamt 3,6 Milliarden US-Dollar, die der Kongress letzte Woche für 2022 für militärische Unterstützung der Ukraine verabschiedet hat. Damit haben die USA der Ukraine seit Kriegsbeginn 1,35 Milliarden Dollar für militärisches Material gegeben.

    Wie wirken sich Sanktionen aus?

    Viele US-Unternehmen haben ihre Russland-Geschäfte auf Eis gelegt, große Wall-Street-Firmen ebenso wie McDonalds oder Starbucks. Lobbyfirmen arbeiten kaum noch für russische Klienten. Die Öl- und Benzinpreise waren wegen der Inflation schon vor Präsident Bidens Ankündigung eines Importverbots für russische Energie so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Russische Energieeinfuhren machen nur acht Prozent der US-Importe aus. Aber alle erwarten einen weiteren Preisanstieg. Das macht auch Biden Sorgen: dass insbesondere die steigenden Preise an der Zapfsäule demokratische Kandidaten bei den Zwischenwahlen im November Stimmen kosten werden.
    Deshalb haben die USA zum Beispiel Gespräche mit Venezuela aufgenommen, einem Ölförderland, das auch schweres Heizöl herstellt, was bisher aus Russland kam. Dabei unterhält die US-Regierung keine Beziehungen zum Maduro-Regime, dem treuesten Verbündeten Moskaus in Lateinamerika. Auf der Suche nach zusätzlichen Öllieferungen hat das Weiße Haus auch begonnen, die seit dem Mord am Journalisten Kashoggi gestörten Beziehungen zu Saudi-Arabiens Kronprinz zu verbessern.

    Wie steht Präsident Biden zu Russland?

    Der US-Präsident hatte nie ein gutes oder enges Verhältnis zu Wladimir Putin. Nach dem Mordversuch am russischen Oppositionspolitiker Nawalny bezeichnete Biden Putin im letzten Frühjahr als Killer. Seither hat Biden kontinuierlich vor russischer Aggression gegenüber der Ukraine gewarnt, aber zugleich versucht, Russland auf diplomatischem Weg einzubinden, etwa bei der Verlängerung des START-Vertrages. Als Russland immer mehr Truppen an den Grenzen der Ukraine zusammenzog, hat der US-Präsident über Monate hinweg Alliierte und Partner in Europa und der Welt zusammengeführt zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber Russland.
    Biden, der seit vielen Jahren eine demokratische Ukraine unterstützt, sieht Präsident Putin heute als einen Aggressor, der für den Krieg gegen einen souveränen Staat und wegen der Gefährdung der internationalen Sicherheit und Ordnung bezahlen müsse.
    US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Vladimir Putin stecken beide die Hände zum Handschlag aus.
    US-Präsident Joe Biden bezeichnete den russischen Staatschef Putin als "Killer" nach dem Mordversuch an seinem politischen Gegner Nawalny (imago images / Sergei Bobylev)
    Die USA sieht der US-Präsident dabei in einem größeren Kontext: Als Führung der Demokratien in der Welt, die in einem globalen Konkurrenzkampf mit den Autokratien stehen, angeführt von China und Russland.

    Was bedeutet der Krieg gegen die Ukraine innenpolitisch für die Biden-Regierung?

    Die Zustimmungswerte des Präsidenten waren Ende letzten Jahres im Keller. Seit dem russischen Einmarsch sind sie gestiegen, was traditionell der Fall ist in Kriegssituationen, was aber auch mit Bidens erfolgreichem Zusammenbringen einer weltweiten Allianz gegen Russland zu tun hat, und dass er die Partner zu weit schärferen Sanktionen bewegen konnte als bis dahin erwartet – siehe Deutschland und das Einmotten von Nord Stream 2.
    Inzwischen aber setzen die Bilder aus der Ukraine und die Aufrufe des ukrainischen Präsidenten die US-Regierung stark unter Druck - vom US-Kongress und aus der amerikanischen Bevölkerung. Aktuell geht es um die Durchsetzung einer Flugverbotszone über der Ukraine sowie den Transfer polnischer MiG-Kampfjets an die Ukraine. Das Pentagon lehnt dies bislang ab: Die Gefahren seien größer als der Nutzen - man will Putin keinen Vorwand bieten, den Krieg auf NATO-Gebiet auszuweiten. US-Präsident Biden hat erklärt, die Einrichtung einer Flugverbotszone durch die NATO sei gleichbedeutend mit dem Dritten Weltkrieg.

    Wie äußert sich Donald Trump?

    Trump hat sich sehr unterschiedlich geäußert, aber nicht ein einziges Mal den russischen Präsidenten kritisiert. Nach dem Einmarsch russischer Truppen bezeichnete Trump Putin als Genie: Clever und wunderbar, ein ganzes Land zu übernehmen und da nur geringe Sanktionen einzustecken. Die russischen Truppen nannte Trump peacekeeper, Blauhelme. Dann folgte Rundum-Kritik an der NATO und am US-Präsidenten: Die würden nur zugucken, die seien alle schwach. Mit Sanktionen schade man sich nur selber. Mit Putin müsse man stark reden, so wie er, sagte Trump. Mit ihm als US-Präsidenten hätte es keinen Krieg gegeben.
    Zuletzt äußerte Trump Bewunderung für den starken ukrainischen Widerstand, aber kein Mitgefühl für die Menschen in der Ukraine. Auch kein Wort darüber, dass er selber der Ukraine wichtige Militärhilfe vorenthalten hatte, als er 2019 vom frischgebackenen Präsidenten Selenskyj verlangte, der solle ihm belastendes Material zu Bidens Sohn Hunter besorgen, um den demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu beschädigen. Der ukrainische Präsident hatte dies abgelehnt. Als ein Whistleblower die Erpressung aufdeckte, folgte das erste Impeachment-Verfahren von Präsident Trump. Nur ein republikanischer Senator, Mitt Romney, stimmte für die Verurteilung von Präsident Trump.

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