Donnerstag, 25. April 2024

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USA und China
"Eine der entscheidenden bilateralen Beziehungen des 21. Jahrhunderts"

US-Präsident Donald Trump trifft heute erstmals mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zusammen. Die Frage, wie die bisherige Supermacht USA und die künftige Supermacht China künftig miteinander umgehen, werde eine wichtige Frage globaler Sicherheit sein, sagte der Ostasien-Experte Eberhard Sandschneider im DLF.

Eberhard Sandschneider im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.04.2017
    Eberhard Sandschneider, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
    Eberhard Sandschneider (picture alliance / dpa / Dirk Enters)
    Tobias Armbrüster: Es ist ein Gipfeltreffen der besonderen Art. Chinas Präsident Xi Jinping kommt heute zu einem zweitägigen Besuch in die USA. Er trifft dort zum ersten Mal den nicht mehr ganz so neuen US-Präsidenten Donald Trump. Wenn sich diese beiden Männer treffen, dann zählt tatsächlich jede Nuance, denn China und die USA, das sind nicht nur zwei unterschiedliche Machtblöcke; es sind auch zwei Länder, zwischen denen es immer wieder knirscht, zum Beispiel beim Thema Nordkorea.
    Am Telefon ist jetzt Eberhard Sandschneider, Ostasien-Experte an der Freien Universität Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Sandschneider.
    Eberhard Sandschneider: Schönen guten Morgen.
    "Der Unsicherheitsfaktor ist nach wie vor Donald Trump"
    Armbrüster: Herr Sandschneider, Xi oder Trump? Für welchen von den beiden steht hier bei diesem Treffen mehr auf dem Spiel?
    Sandschneider: Ich glaube, beide haben eine ganze Menge auf dem Spiel stehen. Trump muss natürlich zunächst einmal gerade bei diesem Treffen zeigen, dass er in der Lage ist, auch vernünftige Außenpolitik zu machen, und Xi Jinping hat eine ganze Palette von Interessen, die natürlich irritiert worden sind durch die unterschiedlichen Äußerungen von Donald Trump über die letzten Monate, und beide werden versuchen müssen, ihre beiden Länder auf eine vernünftige Spur zu bringen. Das ist einfacher gesagt als getan, vor allen Dingen, weil man im Wesentlichen sagen muss, der Unsicherheitsfaktor ist nach wie vor Donald Trump. Der ist schwer vorherzusagen. Der war freundlich gegenüber China in einigen Teilen, der war knochenhart in den Aussagen, auch problematisch für China in anderen Teilen. Wie er damit umgeht, das wird das spannende Ergebnis des heutigen Tages sein.
    China könnte Vorteile aus Trumps Fehlern ziehen
    Armbrüster: Wie wird Donald Trump denn eigentlich in China bei den Chinesen wahrgenommen? Bei uns in Europa herrscht ja immer etwas das Bild, ich sage mal, eines Chaoten, den, wie Sie sagen, man nicht richtig einschätzen kann. Ist das in China ähnlich?
    Armbrüster: Das ist in China ähnlich. Aber in China weiß man natürlich, dass das letztendlich zum Vorteil Chinas ist. Insofern ist die Sicht auf Trump vielleicht ähnlich ambivalent, aber positiver ambivalent, als das bei uns in Europa ist. Wir befürchten, dass transatlantische Beziehungen, die für uns zentral wichtig sind, massiv Schaden nehmen können. China, ohne das auszusprechen, und auch Xi Jinping weiß genau, das was Trump tut in den Vereinigten Staaten, wenn es ihm nicht gelingt, kann durchaus zum Vorteil Chinas ausgehen. Und übrigens: Da hat der Kollege in dem Beitrag, den wir gerade gehört haben, völlig Recht. Wenn Trump sagt, er will Amerika wieder groß machen. Xi Jinping sagt mit sehr viel freundlicheren Worten genau dasselbe. Er nennt das den chinesischen Traum, und genau da treffen die beiden künftig heftig aufeinander.
    "Dass die Vereinigten Staaten friedlich das Interesse Chinas wahren"
    Armbrüster: Was genau erhoffen sich die Chinesen da von den USA?
    Sandschneider: Zunächst einmal erhoffen sie sich, dass die Vereinigten Staaten friedlich das Interesse Chinas wahren, das sich beispielsweise im südchinesischen Meer abspielt, dass sie nicht unmittelbar militärisch in Nordkorea eingreifen, dass sie die Handelsinteressen und die Wirtschaftsinteressen Chinas nicht stören. Und ansonsten ist das Selbstbewusstsein Chinas groß genug, um auf eigene Kraft in Zukunft zu setzen, und das wird etwas sein, das uns nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern generell im Westen einigermaßen zu schaffen machen wird.
    "Eine Politik des teile und herrsche"
    Armbrüster: Ich würde gerne auf diese strategische Lage noch einmal zu sprechen kommen. Sie haben das Südchinesische Meer genannt. China – wir hören das ja seit einiger Zeit – baut seinen Einfluss dort massiv aus und wird dabei sehr kritisch beäugt von den USA, aber auch von den Anrainerstaaten. Wie lange kann das denn eigentlich noch gut gehen, oder droht da tatsächlich ein militärischer Konflikt?
    Sandschneider: Der militärische Konflikt könnte eigentlich nur mit den Vereinigten Staaten drohen, weil alle anderen Anrainerstaaten letztendlich zu klein und zu schwach sind, um diesem riesigen China etwas entgegenzusetzen. Auf der anderen Seite verhält sich China an dieser Stelle diplomatisch nicht ganz ungeschickt. Die Situation mit den Philippinen ist deutlich entspannt worden, auch durch die Reaktion des neuen philippinischen Präsidenten. Die ASEAN sind in sich gespalten. China betreibt da auch eine Politik des teile und herrsche, wie wir das zum Teil auch aus den europäischen-chinesischen Beziehungen kennen.
    "China wird vom südchinesischen Meer nicht ablassen"
    Die entscheidende Frage heißt, wie werden die Vereinigten Staaten mit ihren Verbündeten da umgehen, und da ist es natürlich das Interesse von Xi Jinping, dafür zu sorgen, dass es da keine Irritationen gibt. China wird vom südchinesischen Meer nicht ablassen. Das ist nationales Interesse, es steht Souveränität Chinas auf dem Spiel. Keine chinesische Regierung könnte es sich erlauben, an dieser Stelle Schwäche zu zeigen, auch nach innen. Insofern wird das ein sensitives Thema bleiben und Xi Jinping wird vermutlich Kompromisse, soweit er sie machen kann, anbieten, was das Verhalten Chinas angeht, aber in der Sache wird er hart bleiben müssen.
    "Verärgerung in Peking über Nordkorea"
    Armbrüster: Was könnte er zum Beispiel anbieten, politisch, wenn wir zum Beispiel über Nordkorea sprechen? Was könnte er Donald Trump da präsentieren?
    Sandschneider: Bei Nordkorea ist er, glaube ich, genauso hilflos wie manch ein anderer Beobachter. Ich stelle seit Jahren fest, dass die Verärgerung in Peking über diesen wirklich kaum handhabbaren kleineren Partner in Nordkorea deutlich zunimmt, und das ändert sich natürlich in den letzten Monaten erst recht dann nicht, wenn Präsident Kim weiter mit seiner Nuklearstrategie voranfährt, die nicht im Interesse Chinas ist, wo China allerdings auch offensichtlich relativ wenig Einfluss hat auf die nordkoreanische Führung. Dort wird er sich im Prinzip nur dazu erklären können, weiter gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und den Anrainerstaaten Druck auf Nordkorea auszuüben. Ob das gelingt, ist mehr als mehr mit einem Fragezeichen versehen.
    Armbrüster: Wenn wir jetzt auf dieses Treffen heute und morgen in Florida blicken, Donald Trump und Xi gemeinsam bei Gesprächen, möglicherweise auch dann gemeinsam vor der Presse. Der amerikanische Präsident hat da ja immer die amerikanische Öffentlichkeit im Blick, letztendlich dann auch seine Wähler und die große Frage, wie er da ankommt, wie er da punktet. Das ist für ihn eines der Leitmotive. Was genau hat denn eigentlich Xi zu befürchten, wenn es nicht ganz in seinem Sinne läuft bei diesem Treffen?
    Auch Xi habe ein Image-Problem - gegenüber der KP
    Sandschneider: Öffentliche Zurschaustellung hat er nicht zu befürchten. Das werden die chinesischen Medien nicht tun. Aber er muss natürlich auch im Inneren der Führungsspitze der Kommunistischen Partei zeigen, dass er in der Lage ist, mit einer solchen heiklen diplomatischen Mission umzugehen. Insofern hat er, wenn Sie so wollen, auch ein Image-Problem, ein anders gelagertes Image-Problem. Aber vor allen Dingen geht es für Xi Jinping natürlich darum, dass er die Problemansätze, die sich aus den Äußerungen von Donald Trump ergeben haben, im Sinne Chinas lösen kann. Das betrifft beispielsweise die Taiwan-Frage oder die Ein-China-Politik. Ihm wird es darum gehen, von Donald Trump noch einmal zu hören, dass die Vereinigten Staaten sich von dieser Politik nicht abbringen lassen. Das allein ist schwierig genug, aber seine symbolische Situation richtet sich teilweise an die chinesische Öffentlichkeit - die Medien sind da allerdings sehr viel verlässlicher als in den Vereinigten Staaten -, vor allen Dingen aber auch an die Führungsspitze der Kommunistischen Partei.
    Beziehungen zweier Supermächte in der Zukunft
    Armbrüster: Zum Abschluss gefragt. Glauben Sie, geht von diesem Treffen in Florida eine Weichenstellung aus in der amerikanisch-chinesischen Politik, in der gemeinsamen Politik, in den gemeinsamen Beziehungen?
    Sandschneider: Das ist eine schwierige Frage. Man muss eigentlich die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass dem so ist. Die Irritationen in den letzten Wochen waren schon massiv und wenn man aus europäischer Sicht auf diese Beziehungen schaut, dann geht kein Weg daran vorbei. Das wird eine der großen entscheidenden bilateralen Beziehungen des 21. Jahrhunderts sein. Die Frage, wie gehen die USA, die bisherige Supermacht, und China, die kommende Supermacht, miteinander um? Sind die in der Lage, ihre Probleme friedlich beizulegen, oder droht letztendlich irgendwann auch eine militärische Auseinandersetzung? Das wird eine entscheidende Frage globaler Sicherheit sein. Und das Treffen, das heute zwischen den beiden Präsidenten stattfindet, könnte zumindest für die nächsten vier Jahre klare Signale setzen, was die Welt und damit auch der Westen hier zu erwarten hat.
    Armbrüster: Live hier bei uns in den "Informationen am Morgen" war das Eberhard Sandschneider, Ostasien-Experte an der Freien Universität Berlin. Vielen Dank, Herr Sandschneider, für Ihre Zeit heute Morgen und für diese Expertise. Die schlechte Telefonqualität bitten wir zu entschuldigen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.