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Uwe Kamman: Tod von Pay-TV "wahrscheinlich"

Der Pay-TV-Sender Sky wird es in den kommenden vier Jahren schwer haben, findet Uwe Kamman. Der Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts bezweifelt, dass Sky die teuren Bundesligarechte mit nur drei Millionen Abonnenten refinanzieren kann - erst recht nicht ohne ein zukunftsträchtiges Bezahlmodell.

Uwe Kammann im Gespräch mit Mario Dobovisek | 08.05.2012
    Mario Dobovisek: Die Fußball-Bundesliga – am vergangenen Samstag wieder alle Spiele live beim Bezahlfernsehsender Sky. Vor wenigen Tagen erst hat Sky den Zuschlag für weitere vier Jahre erhalten, im harten Bieterwettstreit unter anderem mit der Telekom und ihrem Internetableger. Das beschert der deutschen Fußballliga Rekordeinnahmen von über 2,5 Milliarden Euro – immerhin ein Aufschlag von rund 50 Prozent. Schon jetzt befindet sich Sky tief in den roten Zahlen und wird trotzdem für jede Saison fast eine halbe Milliarde Euro für den Fußball ausgeben, für die Rechte und auch für die Produktion. Skys Vorgänger Prämiere ging einen ähnlichen Weg und musste heute vor zehn Jahren deshalb Insolvenz anmelden. Am Telefon begrüße ich Uwe Kammann, er ist Direktor des mit Medien befassten Grimme-Instituts. Ich grüße Sie, Herr Kammann.

    Uwe Kammann: Guten Morgen, Herr Dobovisek.

    Dobovisek: Sky erkauft sich teuer die Fußballrechte. Ist das die letzte Chance für das Bezahlfernsehen in Deutschland?

    Kammann: Wenn Sie eine Chance haben wollen mit Bezahlfernsehen, brauchen Sie auf jeden Fall Fußball. Es ist mit Abstand die attraktivste Ware, die man dort anbieten kann. Aber es fragen sich natürlich viele – und nicht nur welche, die nun unmittelbar mit Sky zu tun haben - ob das wirklich zu refinanzieren ist und ob nicht doch der Brocken dann zu groß ist. Sie hatten ja die Summe genannt, das ist gewaltig und das muss eben jedes Jahr verdient werden. Sie haben dann ja auch noch die Fußballrechte für die Champions League zu zahlen, also das ist gewaltig und ich glaube, es ist ein bisschen so wie Pfeifen im Walde, dass sie sagen, ich leiste mir das noch einmal und hoffe, dass ich noch zusätzliche Abonnenten gewinnen kann.

    Dobovisek: Drei Millionen Abonnenten sind es derzeit. Wie viele Abonnenten, schätzen Sie, bräuchte ein Bezahlfernsehen wie Sky, um solche immensen Kosten überhaupt wieder einzubringen?

    Kammann: Man schätzt in Deutschland ja eher vier Millionen, das ist ja auch oft versprochen worden, dass man diese Grenze erreichen könnte. Aber es ist immer wiederholt worden und dann gab es doch zwischendurch die ernüchternde Erkenntnis, die haben wir gar nicht. In den vergangenen Jahren sind ja oft sogar Karteileichen mitgezählt worden, man hat gar nicht so genau gewusst, wie der Abonnentenstamm tatsächlich war. Jetzt wird ja gesagt, dass man knapp 400.000 dazugewonnen hätte, aber dann kann man sich auch vorstellen, wie viele tatsächlich nie und nimmer richtige Abonnenten waren, denn auch da wurde immer oft behauptet, wir sind schon knapp dran an diesen drei Millionen immerhin. Also da ist auch vieles in einer Grauzone und alleine mit den drei Millionen wird man auf jeden Fall nicht über die Runden kommen. Auch im letzten Jahr waren ja wieder Verluste zu beklagen von über 150 Millionen Euro, und das ist ja eine gewaltige Menge. Es sind Schulden zu tilgen, also das wird nicht einfach sein.

    Dobovisek: Kann Sky es dann überhaupt schaffen, diese vier Jahre durchzuhalten?

    Kammann: Ja sie werden natürlich sagen, "ja", und hinter ihnen steht natürlich eine mächtige Organisation. Das ist ja ein US-Medienriese mit der "News Corp" von Murdoch, der knapp die Hälfte der Aktien hält. Das ist von daher sicher auszuhalten. Die Frage ist nur, ob auch ein solch gigantischer Konzern wie "News Corp" sich das auf die Dauer leisten will. Sie haben ja auch schon neue Manager wieder hineingeschmissen, könnte man fast sagen. Das ist ja ein ausgesprochen heikles Geschäft, das ist fast so ein Himmelfahrtskommando, wenn man dort antritt. Und wenn man überlegt, dass früher ein sehr versierter deutscher Medienmanager beziehungsweise einer aus Österreich, Georg Kofler, es auch nicht geschafft hat, diesen Sender in die schwarzen Zahlen zu bringen, obwohl er mit allen Wassern gewaschen ist, dann kann man sich vorstellen, wie schwer diese Aufgabe ist, und ob jetzt Manager aus dem angelsächsischen Hintergrund, die es jetzt richten sollen, das besser können, obwohl sie den deutschen Markt natürlich nicht so gut kennen können, dann ist das für mich auch so ein Zeichen. Man probiert es einfach noch mal, vielleicht ist es inzwischen auch ein Prestigeobjekt geworden, denn Murdoch hat ja in anderen Ländern großen Erfolg mit Bezahlfernsehen gehabt und hat es auch noch, und ich glaube, er gibt es nie auf, dann doch noch mal den deutschen Markt zu erobern. Das hat er ja schon mal versucht.

    Dobovisek: In Europa hat das Bezahlfernsehen ja vor allem in Italien und Großbritannien Erfolg. Ist möglicherweise die Mentalität in Deutschland eine andere, die kostenbewussten Deutschen, die vielleicht nicht so gerne bereit sind, Geld dafür auszugeben, um bestimmte Inhalte zu bekommen?

    Kammann: Wenn man jetzt Inhalte hätte, die woanders überhaupt nicht zu sehen sind, dann könnte das gelingen. Deshalb hat ja auch schon mal Leo Kirch, der ja früher auf Sky gesetzt hatte beziehungsweise damals Premiere und damit dann ja auch schrecklich gescheitert ist, versucht, Fußball als exklusive Ware zu bekommen für das Bezahlfernsehen, das heißt ohne die Möglichkeit für ARD, mit der Sportschau beispielsweise was zu zeigen. Also der hohe Preis ist sicherlich ein Hindernis. Man muss sich ja überlegen: unter 42,90 Euro, wenn man es jetzt in HD-Qualität haben will, ist da nichts zu machen, wenn man das Sportpaket mit einkauft. Das ist natürlich teuer, da sind ja die Rundfunkgebühren für die Öffentlich-Rechtlichen mit 17,98 Euro geradezu geschenkt. Und zudem ist der deutsche Markt eben sehr wettbewerbsintensiv. Das ist ja in den anderen Ländern nicht so, obwohl England natürlich auch ein starkes öffentlich-rechtliches System hat. Aber insgesamt gibt es dann doch ein sehr viel geringeres Angebot als in Deutschland. Deutschlands Fernsehmarkt ist auch unter den qualitativ hochwertigen Produkten sicherlich der attraktivste in der Welt, der ist sehr vielfältig. Wenn man auszusuchen versteht, würde man jede Stunde, glaube ich, eine sehenswerte Sendung finden, jetzt im Gesamtpaket öffentlich-rechtlich und privat, und das gibt es in den anderen Ländern nicht so. Wenn Sie Italien beispielsweise nehmen, da ist ja das Angebot ziemlich deplurabel und da ist es dann vielleicht schon attraktiv, hochwertigeres – es wird ja immer mit "Premium" geworben - Hochwertiges sich einzukaufen. Aber man muss es sich leisten können. Die Kommunikationskosten steigen ja in jedem Haushalt exorbitant, unter anderem ja durch die mobile Kommunikation, und irgendwann ist dann auch, glaube ich, Ende der Fahnenstange.

    Dobovisek: Es gibt auch ein Gegenmodell zu dem Bezahlfernsehen, dem klassischen Bezahlfernsehen: das ist das sogenannte Video-On-Demand, das Zauberwort vor allem für Fernseh- und Filmangebote im Internet. Die Kunden wählen sich da einzelne Sendungen aus, rufen sie jederzeit ab und bezahlen nur das, was sie sehen. Ist das der endgültige Tod für das 24-Stunden-PayTV-Programm von Sky und Co.?

    Kammann: In Deutschland wahrscheinlich. Bei den anderen Ländern wage ich das jetzt nicht zu prognostizieren. Aber das ist tatsächlich natürlich auch das vielfältigere Modell, das ist individuell, ich kann wirklich das mir aussuchen und zahle nicht sozusagen immer die Knochenbeilage, wenn ich eigentlich nur ein Filet haben möchte. Das ist sicher so und je raffinierter die Internettechnik wird und sozusagen mit allen Ebenen verschmilzt, umso leichter ist eben dann auch, sich einzelne Sendungen zu kaufen. Ich glaube, alleine das Hemmnis, nicht genau zu wissen, ob diese Bezahlvorgänge auch sicher sind, hält sicher manchen davon ab. Aber je mehr das sozusagen zu einem Standard wird und je reibungsloser und bedienungsfreundlicher diese Technik wird, umso mehr, glaube ich, wird dieses ganz individuelle Abruffernsehen – oder in dem Sinne sind es ja mehr so Abrufmedien, die man aus vielen Bereichen sich holt – das Modell der Zukunft, stärker eben als das Abonnement, wo es im Grunde auch in gewisser Weise linear ist.

    Dobovisek: Ein anderes Thema beschäftigt die Medienwelt dieser Tage: Die Piratenpartei erringt einen politischen Sieg nach dem nächsten, während alt gediente Politiker versuchen, den Anschluss an die digitale Welt nicht zu verpassen. So lädt Horst Seehofer heute zum Beispiel in München zu einer Facebook-Party ein und scheint, da etwas überfordert zu sein von der Masse der Zusagen. Wie wirken solche Versuche der Politik auf Sie, Herr Kammann?

    Kammann: Ich denke, es sieht so aus, als ob man noch auf einen Zug aufspringen will, von dem man eigentlich weiß, dass er nicht der eigene ist. Das ist eben eine ganz andere Entwicklung.

    Dobovisek: Ist der Zug denn schon abgefahren?

    Kammann: Der Zug fährt ständig neu ab. Ich glaube sogar, die Bahnhöfe werden den Zügen hinterhergebaut, weil einfach die technische Entwicklung so rasant ist und auch so in vielem unberechenbar verläuft. Bestimmte Dinge hätte man ja vor drei, vier Jahren noch gar nicht vorausgesehen und die Piraten haben das jetzt eben als ihr Kernfeld besetzt sozusagen, spielen ja auch damit, das zeigen sie auch in ihren öffentlichen Medienauftritten. Da gehört es dann dazu, konnte man ja sehen beispielsweise bei Markus Lanz oder jetzt bei Günther Jauch, dass dann getwittert wird, dass sie also mit einem kleinen Handapparätchen sofort wieder die Rückkoppelung suchen zu anderen oder zu ihrer Öffentlichkeit. Ich denke, das ist natürlich auch eine Art von Gestus. Dann wird etwas stilisiert, was in der Substanz gar nicht anders sein muss, in den Möglichkeiten, sich sozusagen über Außenkontakte wieder auch eine Rückversicherung zur Wirklichkeit zu verschaffen. Aber es hat natürlich den modernen Anstrich und da alle Welt dann auch von den sozialen Netzwerken spricht, ohne dass, glaube ich, jeder genau weiß, wo der Vorteil für ihn persönlich liegt, hat das einfach einen Hype ausgelöst.

    Dobovisek: Ist der mediale Rummel um die Piratenpartei also nicht berechtigt, wenn Sie von Hype sprechen?

    Kammann: Also ich denke, man sollte vieles kleiner kochen, auf jeden Fall. Aber wie das so ist, wenn sozusagen eine scheinbare Neuigkeit ihrem Höhepunkt zusteuert, dann stürzen sich alle darauf und dann schreibt auch einer vom anderen ab oder jeder lädt dann dieselben Partner ein. Es sieht dann ja auch exotisch aus, Sie sehen das ja auch an der Kleidung der Piraten und an ihrer Art, sich zurecht zu machen, von der Frisur bis zu allem drum und dran.

    Dobovisek: Das kennen wir durchaus auch von den Grünen in ihrer Anfangszeit.

    Kammann: Genau! Ich glaube, die haben das auch bewusst fast wie ein Marketinginstrument eingesetzt. Sie haben gedacht, wir müssen von uns ein bestimmtes Bild schaffen, das merken sich die Medien, das wollen sie dann auch immer wiederholen und dadurch kriegt man auf einmal eine Bedeutung, die eher über diese Ikone, über die Äußerlichkeiten läuft, und erst danach gibt es eine Phase, wo man sich findet und wo dann die Substanz entwickelt wird, die zunächst hinter der Äußerlichkeit ganz und gar verborgen bleibt und die vielleicht auch noch gar nicht vorhanden ist. Da sehe ich natürlich auch eine gewisse Gefahr drin, dass sich dann auch ein Effekt bildet, der hinterher dann oft zum Überdruss führt, und dann mag man es nicht mehr sehen und dann könnte ja auf einmal hinter der Fassade etwas ganz anderes stecken.

    Dobovisek: Gut, dass wir es hier im Radio nicht sehen müssen. Uwe Kammann, Direktor des Grimme-Instituts, ich danke Ihnen.

    Kammann: Gerne!