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Vater der Molekularbiologie

Als Max Delbrück vor 100 Jahren geboren wurde, gab es den Begriff Gen noch gar nicht. Der kam erst drei Jahre später auf. Mit seinen Forschungen legte Delbrück im Laufe seines Lebens wichtige Grundlagen der Wissenschaft von den Genen, der Molekularbiologie.

Von Kay Müllges | 04.09.2006
    Max Delbrück, am 4. September 1906 in Berlin geboren, gilt als Vater der Molekularbiologie. In die Wiege gelegt war das dem Sohn eines Geschichtsprofessors nicht. Delbrück studierte als junger Mann Physik. Sein Fach allerdings langweilte ihn bald. Die großen Ideen und Entdeckungen waren Mitte der 20er Jahre bereits gemacht. Angeregt durch Niels Bohr wandte er sich daher bald biologischen Fragestellungen zu. Gemeinsam mit einem russischen Genetiker und einem deutschen Physiker schrieb er 1935 eine heute berühmte Arbeit "Über die Natur der Genmutation und der Genstruktur". Darin brachten die drei zum ersten Mal Physik und Biologie zusammen. Der erste Schritt in Richtung Molekularbiologie war damit getan, der zweite folgte vier Jahre später und tausende Kilometer von Berlin entfernt im kalifornischen Pasadena.

    "Ich kam hierher, weil ich etwas lernen wollte. Ich wollte arbeiten in Fragen der Genetik, der Vererbungslehre, wie die Vererbungsfaktoren beschaffen sind und wie sie funktionieren. Auf diesem Gebiet war Amerika führend. Deutschland war auch sehr gut, aber Amerika war zweifellos führend. Und was seitdem der große Schlager in der Biologie geworden ist, ist speziell die Mikrobiologie. Das ist die Einbeziehung der Mikroorganismen in die biologische Forschung."

    In Pasadena traf Delbrück auf Emory Ellis, der mit Viren, die Bakterien fressen, arbeitete. Der Physiker aus Deutschland hatte bis dahin nicht gewusst, das es solche Randerscheinungen des Lebens überhaupt gibt und war sofort fasziniert. Denn diese Phagen, wie sie heute genannt werden, taten nichts anderes, als sich und ihre Gene zu vermehren. Und dabei konnte man ihnen zusehen, denn sie fraßen Löcher in eine Bakterienkultur. Delbrück entwickelte eine Methode, um Wachstum und Vermehrung der Viren in einer solchen Kultur genau zu erfassen und machte die Phagenforschung damit zu einer exakten Wissenschaft. Im Herbst 1939 lief Delbrücks Stipendium aus, in Europa hatte mittlerweile der Zweite Weltkrieg begonnen und seine Kollegen verschafften ihm deshalb eine Stelle als Physikprofessor an der kleinen Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Hier konnte er auch seine biologischen Forschungen weiterführen:

    "Ich hatte also ein Bein in der Physik und ein Bein in der Biologie und hatte dort ein kleines Labor und konnte arbeiten und blieb dort bis 1947 bis nach dem Ende des Krieges. Und diese sieben Jahre sind eigentlich meine produktivsten Jahre gewesen. Und dort hatte ich allmählich auch Mitarbeiter und ein sehr gutes Mauseloch, um den Krieg zu verbringen."

    In seinem Mauseloch trifft Delbrück auf einen jungen italienischen Biophysiker namens Salvador Luria, und beide legen 1943 eine epochemachende Arbeit über die Wechselwirkung zwischen Bakterien und Viren vor. In ihrer so genannten Fluktuationsanalyse können sie beweisen, das manche Bakterien durch Genmutationen resistent gegen die angreifenden Viren werden. Und - wichtiger noch - sie können die exakte Mutationsrate bestimmen.

    Für ihre Forschung, die die moderne Molekularbiologie begründete, erhielten die beiden 1969 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Ab 1945 leitete Max Delbrück jeden Sommer einen Einführungskurs in die Bakteriengenetik am Cold Spring Harbor Laboratorium im Staat New York. Die Teilnehmerliste dieser Sommerkurse liest sich wie ein "Who’s who?" der modernen Biologie. Delbrück bemühte sich hier, wie auch in seinem sonstigen beruflichen Leben, um einen offenen und kooperativen Arbeitsstil, wie er zu jener Zeit in Europa noch weitgehend unbekannt war.

    "Die Rangunterschiede spielen sehr viel weniger eine Rolle. Manchen Leuten scheint das sehr shocking, und andere Leute finden das sehr nett. Ich finde es sehr nett."

    Delbrück blieb nach dem Krieg nicht nur der besseren Forschungsbedingungen wegen in den USA. Doch seine Kontakte nach Deutschland rissen nie ab. Schon 1947 reiste er in das zerstörte Berlin und nach Göttingen. Auch später war er häufig längere Zeit in Deutschland und anderen europäischen Ländern. In den 60er Jahren war er dann maßgeblich am Aufbau des Instituts für Genetik der Universität zu Köln und der Einrichtung einer biologischen Fakultät an der neu gegründeten Uni Konstanz beteiligt. Max Delbrück starb im März 1981 in Pasadena.