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Vatileaks
In Rom beginnt Prozess wegen Geheimnisverrats

Ein hoher Geistlicher soll brisante Dokumente über Miss- und Günstlingswirtschaft im Vatikan an die beiden Journalisten Emiliano Fittipaldi und Gianluigi Nuzzi übergeben haben, um Reformen in der Kurie zu beschleunigen. Heute nun beginnt in Rom der Prozess gegen insgesamt fünf Angeklagte. Doch außerhalb des Vatikans werden kritische Fragen laut.

Von Tilmann Kleinjung | 24.11.2015
    Auf dem Büchertisch: "Via Crucis", das Buch von Emiliano Fittipaldi and Gianluigi Nuzzi über Vatileaks 2
    In Italien erschienen: "Via Crucis", das Buch von Emiliano Fittipaldi and Gianluigi Nuzzi über Vatileaks 2 (dpa / picture alliance / Ciro Fusco)
    Die vatikanische Justiz scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Drei Wochen nach dem Erscheinen der Bücher macht sie den Autoren den Prozess. Emiliano Fittipaldi und Gianluigi Nuzzi haben vertrauliches Material aus dem Vatikan zugespielt bekommen und dieses in Buchform veröffentlicht. Es geht um Miss- und Günstlingswirtschaft im Vatikan, um Verschwendung. In Monsignor Angel Lucio Vallejo Balda will die vatikanische Gendarmerie den Informanten der beiden Journalisten ausgemacht haben. Er und eine italienische PR-Agentin wurden verhaftet, noch bevor das Buch "Alles muss ans Licht" von Gianluigi Nuzzi in die Geschäfte kam.
    "Die Verhaftungen gleichzeitig mit der Buchveröffentlichung erscheinen mir ein ungeschickter Versuch von den Problemen, die das Buch dokumentiert, abzulenken."
    Nur ein Problem aus dem Buch Nuzzis: Der Vatikan verfügt über ein gigantisches Immobilienvermögen, das aber kaum im Sinne des Papstes genutzt wird. Kardinäle und Freunde von Kardinälen wohnen in riesigen Apartments und zahlen kaum Miete. Außerdem wird deutlich, wie groß der Widerstand der Besitzstandswahrer innerhalb der Kurie gegen das Reformwerk des Papstes ist.
    Bischof Marx: Reformen müssen weitergehen
    Deshalb werden vor allem außerhalb des Vatikan kritische Fragen gestellt. Weniger was den Geheimnisverrat betrifft, sondern in Bezug auf die damit dokumentierten Missstände. Natürlich sei es schlimm, wenn Vertrauen missbraucht werde, sagt der Münchner Kardinal Reinhard Marx:
    "Aber der zweite Punkt ist: Es muss deutlich werden, die Reformen gehen weiter. Es darf nicht ein Zurück geben. Man muss die Reformen weiter vorantreiben, das ist ein längerer Prozess. Und der dritte Punkt: Man muss all den Vorwürfen gut nachgehen und sie aufarbeiten. "
    Der spanische Geistliche Vallejo Balda kann sich als Angestellter der Kurie dem heute beginnenden Prozess nicht entziehen. Die Anklage gegen die Journalisten hat dagegen eher symbolischen Charakter. Dem Vatikan stehen keine Rechtsmittel zur Verfügung, um gegen die beiden italienischen Staatsbürger vorzugehen. Emiliano Fittipaldi spricht von einem Angriff auf die Pressefreiheit.
    "Sie haben mir erklärt, dass ich wegen Verbreitung geheimer Dokumente, angeklagt bin, was mit vier bis acht Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Natürlich halte ich das für Wahnsinn. Ich lebe in einem Land, in Italien, in dem es die Pressefreiheit gibt. Dort gibt es sie offenbar nicht."
    Der kleine Vatikanstaat will mit diesem beispiellosen Verfahren seine Autonomie unter Beweis stellen. Sollten Nuzzi und Fittipaldi tatsächlich zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, müsste der Vatikan Italien um Amtshilfe und Auslieferung bitten. Papstsprecher Federico Lombardi verteidigt diesen Prozess.
    "Wenn ein Franzose gegen das Gesetz in Italien verstößt, kann die italienische Justiz ja auch Anklage erheben. Sie muss die französische Justiz nicht um Erlaubnis bitten."
    Realistischerweise müssen nur Vallejo Balda und sein mitangeklagter Sekretär Nicola Maio bei einem Schuldspruch mit Haft rechnen. Einziger Lichtblick: das Schicksal des ehemaligen päpstlichen Kammerdieners Paolo Gabriele. Auch der wurde wegen Geheimnisverrats verurteilt, wenig später aber von Papst Benedikt begnadigt und vom Vatikan mit Wohnung und Arbeitsstelle versorgt.