Samstag, 20. April 2024

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VCD zur Autobahnmaut
"Das Beste wäre, man streicht diese Maut"

Sie sei ausländerfeindlich, ökologisch wirkungslos und "ziemlicher Unsinn" - das Urteil des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) über die geplante Autobahnmaut fällt vernichtend aus. VCD-Sprecher Gert Lottsiepen warnte im Deutschlandfunk: Auch für die Verkehrssicherheit habe die Maut negative Folgen.

Gerd Lottsiepen im Gespräch mit Jule Reimer | 30.10.2014
    Ein Stau an der Grenze von Sachsen zu Böhmen in Tschechien
    Wird es künftig wieder Staus auf der Landstraße in Grenzgebieten geben? (dpa/picture alliance/Thomas Lehmann)
    Jule Reimer: Die Maut kommt, aber im Prinzip nur auf Autobahnen, und nur da wird sie kostenpflichtig, nämlich für ausländische Fahrer. Hinter dem Konzept stecken allerhand Kniffe. Die Maut kommt nämlich für deutsche Autofahrer auf Autobahnen und Bundesstraßen, aber die Kosten für die Vignette sollen die Deutschen bei der Kfz-Steuer wieder verrechnet bekommen. Details will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt heute bekannt geben.
    Gerd Lottsiepen vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland ist in Berlin am Telefon. Nach dem, was wir bis jetzt wissen, wie wird sich denn das neue Konzept auf den Verkehrsfluss und die Umwelt auswirken?
    Ökologisch kein Effekt zu erwarten
    Gerd Lottsiepen: Auf die Umwelt wird es sich nicht positiv auswirken, weil jede Vignetten-Maut, wo man einen Betrag zahlt, egal wie viel man fährt - in dem Fall sind es nur Ausländer - lädt natürlich nicht dazu ein, weniger zu fahren. Sie lädt nicht dazu ein, dass man auf sparsame, energieeffiziente, auf saubere Fahrzeuge umsteigt. Da haben wir ökologisch durch die Maut insgesamt nichts zu erwarten.
    Dadurch, dass es jetzt dann doch mehr auf die Landstraßen geht, weil ja nur die Autobahn bemautet ist, werden wir ein paar negative Effekte haben, weil in der Regel ist der Schadstoffausstoß auf den Landstraßen schon ein höherer. In der Regel sage ich, weil es natürlich nicht gilt, wenn man auf der Autobahn 180 fährt. Dann emittiert man natürlich mehr, vor allen Dingen CO2, als wenn man mit 80 auf der Landstraße fährt. Aber insgesamt, wenn man da eine Summe bildet, ist es eine höhere Belastung, vor allen Dingen dann auch in den Orten, durch die ja dann auch gefahren wird.
    Ausweichverkehr wird in Grenzregion steigen
    Reimer: Sind denn Emissionen das Hauptproblem im Bereich Umwelt?
    Lottsiepen: Nein, ich sehe da eigentlich nicht das Hauptproblem, sondern das Hauptproblem, das wir jetzt haben durch die Ausweichverkehre, ist auch die Lebensqualität, ist auch der Lärm. Lärm ist natürlich ein Umweltproblem, Lärm ist aber auch natürlich ein Gesundheitsproblem und hat ganz viel mit Lebensqualität zu tun. Wenn jetzt mehr Autos durch diese Regelung - vor allen Dingen grenznahe Orte wird es betreffen - da durchfahren als vorher, ist das natürlich eine zusätzliche Belastung der Wohnbevölkerung.
    Reimer: Sehen Sie weitere Folgen?
    Lottsiepen: Diese ganze Maut, ich halte sie für einen ziemlichen Unsinn, weil es kommt nichts dabei raus. Sie ist ausländerfeindlich, sie wird uns schaden, unserem Ruf im Ausland schaden. Und letztendlich: Man weiß es noch nicht genau, weil man die Details noch nicht kennt. Ich warte darauf, auch rechnen zu können. Aber es wird ja ein Nullsummenspiel erwartet. Vielleicht kostet die Erhebung sogar mehr, als da Geld reinkommt. Und letztendlich, wenn man solche politischen Maßnahmen durchzieht, nur weil es ein Wahlkampfthema der CSU, einer Regionalpartei war, schadet das natürlich der Demokratie insgesamt.
    Unfälle auf Landstraßen könnten steigen
    Reimer: Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit ein?
    Lottsiepen: Die sind ziemlich fatal, weil es wird ja oft behauptet, dass die Autobahnen die sichersten Straßen sind. Die könnten noch viel sicherer sein, wenn wir dort ein Tempolimit hätten. Aber zweifellos die schlimmsten Unfälle, die Unfälle mit den meisten Toten, die passieren auf Landstraßen, weil wir haben es da ja im Gegensatz zu den Autobahnen mit Gegenverkehr zu tun. Wir haben dort Vorfahrtssituationen von Straßen, die auf die Landesstraße kommen. Teilweise sind das auch nur Feldwege. Aber das sind ja gerade die ganz gefährlichen Situationen, die dort entstehen, und da wird es mit Sicherheit mehr Unfälle geben.
    Und das Gleiche gilt natürlich auch für Orte, durch die jetzt mehr Verkehr geht als heute, und da wird es auch mehr Unfälle geben. Es wird riskanter werden, es wird auch für Kinder zum Beispiel riskanter werden, es wird riskanter werden, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, und all das sind negative Folgen der Maut, wie sie jetzt geplant ist. Das Beste wäre wirklich, man streicht diese Maut insgesamt und denkt darüber nach, dass wir irgendwann mal eine fahrleistungsabhängige Maut einführen, die alle zahlen müssen und für jeden Kilometer, der gefahren wird, zahlen müssen, und da kann man dann auch ein paar Lenkungswirkungen reinbringen.
    Reimer: Jetzt läuft uns die Zeit weg; das machen wir beim nächsten Interview. Danke! - Gerd Lottsiepen, vom Verkehrsclub Deutschland VCD, mit einer ersten Einschätzung des neuen Mautkonzepts der Bundesregierung. Einzelheiten werden im Laufe des Tages dann noch bekannt und wir halten Sie im Deutschlandfunk natürlich auf dem Laufenden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.