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Vegane Ernährung bei Kindern
Gehirnschäden durch Verzicht auf Fleisch?

Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) warnt davor, Kinder vegan zu ernähren. Erhebliche Schäden im Gehirn und im Nervensystem drohten. Reine Panikmache, urteilt die Vegane Gesellschaft Deutschland. So beurteilen Wissenschaftler die Debatte um die richtige Ernährung.

Von Tobias Zihn | 23.12.2015
    Zwei Kinder trinken Gemüseshakes (26.5.2010).
    Viele Eltern ernähren ihre Kinder rein pflanzlich. (picture alliance / dpa / Ton Koene)
    Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) warnt davor, Kinder vegan zu ernähren. "Veganes Essen kann zu gefährlicher Mangelernährung führen. Für Kinder und Jugendliche ist vegetarische oder vegane Ernährung auf keinen Fall geeignet", sagte der Minister zur "Bild-Zeitung". "Bei Kindern kann das erhebliche Schäden verursachen."
    Menschen, die sich vegan ernähren, essen nur noch rein pflanzliche Lebensmittel - keinerlei tierische Produkte: Kein Fleisch, kein Käse, kein Ei. Viele Ernährungsexperten sehen darin eine Gefahr. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät Eltern aus "Sicherheitsgründen" davon ab, ihren Nachwuchs vegan aufwachsen zu lassen. Auf ihrer Internetseite heißt es: "Um eine adäquate Nährstoffversorgung und die Gesundheit des Kindes sicherzustellen ist eine rein pflanzliche Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindesalter nicht geeignet."
    Vor allem B12-Vitaminmangel problematisch
    Pressesprecherin Antje Gahl schränkt ein: Aufgabe der DGE sei es, allgemeine Empfehlungen für die breite Masse zu formulieren. Eine vegane Ernährung benötige immer eine individuelle Beratung und Empfehlung, sagte sie dem Deutschlandfunk. Problematisch bei der veganen Ernährung ist die Versorgung mit Vitamin B12. Es gelangt bei einer gemischten Ernährung über tierische Produkte in den Blutkreislauf. Fehlt der Stoff, können auf lange Sicht Müdigkeit, Blutarmut und Blässe auftreten. Bei Kindern können in ihren verschiedenen Wachstumsphasen Gehirn und Nervensystem geschädigt werden.
    Was ist vegan, was vegetarisch?

    Vegetarier essen nichts, was von getöteten Tieren stammt (Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte). Viele Vegetarier verzichten zudem auf tierische Produkte wie Gelatine. Veganer verzichten auf alle Produkte, die vom Tier kommen. Sie ernähren sich rein pflanzlich. Das heißt, sie verzichten nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf Milch, Eier und Käse. Auch Bienenhonig essen Veganer nicht.
    Ist es deshalb nun unmöglich und verantwortungslos, sein Kind vegan zu ernähren? Schließlich ist für viele Menschen, die in ihrer Ernährung auf Tierprodukte verzichten, ihre Lebensweise ein ethischer Imperativ. Viele Veganer wollen keinen Lebensstil führen, bei dem Tiere nur leben, um als Nahrung für den Menschen zu dienen.
    Ohne Nahrungsergänzungsmittel geht es nicht
    Bernhard Koletzko ist Abteilungsleiter am Haunerschen Kinderspital München. Er stellt klar: "Ein Kind kann man nicht gesund vegan ernähren, sofern man nicht Mikronährstoffe zusätzlich gibt." Bei veganen oder vegetarischen Ernährungsformen rät er Eltern dringend dazu, sich vom Kinderarzt beraten zu lassen. Nahrungsergänzungsmittel, wie sie viele erwachsene Veganer nehmen, hält er für absolut unverzichtbar - auch wenn es besser sei, kritische Nährstoffe über natürliche Lebensmittel zuzuführen: "Der Körper verarbeitet Eisen aus Fleisch anders als Eisen-Tropfen. Das ist nicht dasselbe!"
    Christian Vagedes ist Vorsitzender der Veganen Gesellschaft Deutschland. Er sieht die Sache ganz anders: Vegane Ernährung ist für ihn schlicht verantwortungsvolles Handeln für die Zukunft: Das Essverhalten in der Kindheit lege den Grundstein für das als Erwachsener: Der durchschnittliche Deutsche esse mehr als 60 Kilogramm Fleisch und Wurst im Jahr - doppelt so viel, wie Experten für gesund erachten. Mit einer solchen Ernährung steigt laut Vagedes das Risiko für Diabetes, Gicht, Bluthochdruck oder Herzkrankheiten.
    Nicht unvorbereitet auf vegane Ernährung umstellen
    Doch es gibt auch Einigkeit zwischen Befürwortern und Kritikern einer veganen Ernährung. Gefährlich bleibt: unvorbereitet alle tierischen Lebensmittel vom Speiseplan zu streichen. Bernhard Watzl, Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Karlsruher Max-Rubner-Institut: Eine vegane Ernährung setze viel Ernährungswissen voraus: "Aber wenn kritische Nährstoffe als Zusatzstoffe zugegeben werden, ist sie problemlos möglich."