Dienstag, 16. April 2024

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Verbot des ökumenischen Abendmahls durch den Vatikan
Evangelischer Theologe: "Man beraubt sich vieler Möglichkeiten"

Der evangelische Theologe Thorsten Latzel ist enttäuscht über die Entscheidung des Vatikan, Gläubigen die Teilnahme am gemeinsamen Abendmahl zu verbieten. Das pauschale Nein gehe an der Wirklichkeit vieler Gemeinden vorbei, sagte er im Dlf. Man beraube sich damit vieler gemeinsamer geistiger Erfahrungen.

Thorsten Latzel im Gespräch mit Levent Aktoprak | 22.09.2020
Detail des letzten Abendmahls, links die Apostel Judas, Petrus und Johannes, Christus in der Mitte und die Apostel Thomas, Jakobus der Große und Philippus darstellt in einem Fresko von Leonardo da Vinci (Leonardo da Vinci).
2021 soll es einen Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main geben (imago images / Leemage)
Nächstes Jahr im Mai soll in Frankfurt am Main ein Ökumenischer Kirchentag stattfinden. Ein evangelisch-katholischer Arbeitskreis hat in dem Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" theologisch begründet, warum eine wechselseitige Teilnahme am evangelischen Abendmahl und an der katholischen Eucharistie möglich sei. Vor wenigen Tagen wurde ein anderes Papier bekannt: ein Schreiben der vatikanischen Glaubenskongregation an die deutschen Bischöfe. Darin wird Katholikinnen und Katholiken das gemeinsame Mahl untersagt. Die Unterschiede im Verständnis von Kirche, Amt und Eucharistie seien zu groß, erst müssten die Unterscheide geringer werden, dann sei ein gemeinsames Mahl möglich, so die Glaubenskongregation.
Dr. Thorsten Latzel von der Evangelischen Akademie Frankfurt
Dr. Thorsten Latzel von der Evangelischen Akademie Frankfurt (Klaus Mai)
"Überrascht hat es mich nicht, aber enttäuscht"
Thorsten Latzel, Direktor der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Main, sagte in Deutschlandfunk auf die Frage, ob ihn das Nein aus Rom überrascht habe: "Überrascht hat es mich nicht, enttäuscht ja."
Der Arbeitskreis beschäftige sich seit fast 75 Jahren mit Fragen der Ökumene, an dem kritiserten Papier wurde zehn Jahre gearbeitet. Nun sei diese Arbeit "ziemlich pauschal" durch das Schreiben der Glaubenskongregation vom Tisch gewischt worden. Die theologische Begründung aus dem Vatikan habe er wahrgenommen, aber sie sei "nicht hinreichend", sagte Latzel. Neueren wissenschaftlichen Einsichten stelle sich die Glaubenskongregation nicht.
Unterschiede zeigen sich unter anderem in der Bedeutung des Gewissens.
"In dem Text 'Gemeinsam am Tisch des Herrn' wird vorgeschlagen, die Teilnahme an der Mahlfeier dem Gewissen des Einzelnen anheimzustellen. Dem hat die Glaubenskongregation eine klare Absage erteilt", sagt der evangelische Theologe.
"Man beraubt sich vieler Möglichkeiten, vieler geistlicher Erfahrungen der Gemeinschaft."
Das gehe zudem an der Wirklichkeit in vielen Gemeinden vorbei.
Für Latzel ist die entscheidende Frage, wer eigentlich zum Abendmahl einlädt: Christus oder die Kirche? Jesus habe auf "skandalöse Weise" die Grenzen der damaligen Mahlpraxis ausgeweitet, er habe mit vielen gegessen. Für die Glaubenskongregation sei die Einladung durch die Kirche ausschlaggebend, nach seinem Verständnis sei Christus der Einladende, sagte Thorsten Latzel, der auch evangelischer Pfarrer ist: "Wir sollten da keinen Punkt setzen, wo Christus ein Komma setzt."