Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Verbot für Verfassungsfeinde

1951 stellte die Bundesregierung Verbotsanträge gegen die von Altnazis dominierte Sozialistische Reichspartei (SRP) und gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Während die SRP bereits im Oktober 1952 als Nachfolgeorganisation der NSDAP verboten wurde, taten sich die Verfassungsrichter mit dem Urteil gegen die KPD schwer. Am 17. August 1956 erging das Parteiverbot.

Von Horst Meier | 17.08.2006
    "Im Namen des Volkes! In dem Verfahren über den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands hat das Bundesverfassungsgericht, Erster Senat (...) für Recht erkannt:1. Die Kommunistische Partei Deutschlands ist verfassungswidrig. 2. Die Kommunistische Partei Deutschlands wird aufgelöst. 3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaffen."

    Karlsruhe, 17. August 1956. Verfassungsrichter Josef Wintrich verliest das Urteil gegen die KPD. Eine moskautreue Partei, politisch längst isoliert, wird in die Illegalität geschickt. 1953 war die KPD, die im ersten Bundestag noch 15 Abgeordnete hatte, mit 2,2 Prozent an der Sperrklausel gescheitert. Polizei und Justiz besorgten das Ihre - mit Gesinnungsparagrafen, die kommunistische Politik als "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens" unter Strafe stellten. So kamen viele KP-Leute ins Gefängnis - und zwar bevor das höchste Gericht die Verfassungswidrigkeit der Partei nach Artikel 21 des Grundgesetzes festgestellt hatte. Jetzt gibt auch Karlsruhe grünes Licht für die Kommunistenverfolgung:

    "In den Ländern werden die Minister/Senatoren des Innern mit der Durchführung der Entscheidung (...) beauftragt; insoweit stehen ihnen unmittelbare Weisungsbefugnisse gegenüber allen Polizeiorganen zu. (...) Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen diese Entscheidung (...) werden (...) mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft."

    Im Gerichtssaal an jenem Vormittag kein lautes Wort, keine Zwischenfälle. Diether Posser, damals Rechtsanwalt in Essen, später Justizminister von Nordrhein-Westfalen, berichtete für die linksprotestantische "Stimme der Gemeinde":

    "Noch während der zweistündigen Urteilsverkündung trafen Nachrichten über Verhaftungen kommunistischer Funktionäre, die Besetzung mehrerer hundert Parteilokale, die Beschlagnahme von Druckereien und so weiter ein."

    Führende Genossen hatten sich vorsorglich auf das Exil in der DDR vorbereitet.

    "Hier spricht der Deutsche Freiheitssender 904! Wir melden uns täglich um 20 und 22 Uhr auf der Welle 331,9 Meter gleich 904 Kilohertz."

    "Der Freiheitssender 904 gibt jetzt, wie jeden Abend, das Wort der trotz Verbot kämpfenden Kommunistischen Partei Deutschlands."

    Der "Freiheitssender 904", Standort Magdeburg, gab sich als Untergrundsender der KPD aus und meldete aus der ganzen DDR "spontane" Solidarität:

    "Als am Freitagmittag die Arbeiter eines großen Volkseigenen Betriebes in Berlin vom Verbot der KPD erfuhren, verbaten sie sich die Tanzmusik, die vom Betriebsfunk gesendet wurde, und verlangten Arbeiterlieder zum Zeichen ihres Protestes. (...) Über 200.000 Berliner demonstrierten einen Tag nach dem Verbot der KPD und ihre Losungen lauteten: 'Freiheit für die KPD! Wir protestieren gegen die Nazimethoden der Bonner Justiz!'"

    Das Verbot einer kommunistischen Partei lässt an Umsturzpläne denken. Doch nichts dergleichen wurde der KPD vorgeworfen:

    "Es hat keine politischen Morde, keine Attentate, keine Aufstandsversuche, keinerlei Gewalttaten, keine geheimen Waffenlager (...) gegeben","

    schrieb Diether Posser. Die westdeutschen Kommunisten droschen Phrasen vom revolutionären Sturz des Adenauer-Regimes und priesen den SED-Staat. Die Verfassungsrichter sahen darin eine Art geistigen Hochverrats an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und erstreckten ihre Beweisaufnahme auf 26 Standardwerke von Marx und Engels, Lenin und Stalin. Eine "aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung", heißt es im 300 Druckseiten starken Urteil, genüge für ein Verbot:

    ""Eine Partei kann (...) auch dann verfassungswidrig (...) sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht (auf Erfolg) besteht (...), wenn die verfassungsfeindliche Absicht überhaupt nachweisbar ist, braucht nicht abgewartet zu werden (...). "

    Zwölf Jahre später, im September 1968, war das KPD-Urteil Makulatur. Nachdem Bundesjustizminister Gustav Heinemann eine Delegation westdeutscher Kommunisten empfangen hatte, wurde die KPD als DKP neu gegründet.