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Verbotene Gespräche

Ein neues Hochverratsgesetz stößt in Russland nicht nur bei Oppositionellen auf Kritik, sondern auch bei Juristen. Deshalb hofft Lars Peter Schmidt, Leiter der Moskauer Konrad-Adenauer-Stiftung, auf Änderungen, sonst würde es "die gesamte Dialogkultur mit dem Ausland unmöglich machen".

Lars Peter Schmidt im Gespräch mit Michael Köhler | 25.10.2012
    Michael Köhler: Die Duma, das russische Parlament, verabschiedet ein Gesetz über Hochverrat. Kern ist eine Ausweitung des Begriffes Hochverrat, der sich nämlich jetzt auch schon auf Beratung oder Finanzhilfe für ausländische Organisationen erstrecken kann. Am Dienstagabend wurde darüber abgestimmt. Es wurde bereits international kritisiert. Was das für die politisch-kulturelle Bildungsarbeit, die auswärtige Kulturpolitik bedeutet, das habe eich mit Lars Peter Schmidt besprochen. Er ist Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau. Ihn habe ich gefragt: Wenn ein russischer Bürger etwa nur mit Ihnen spricht, kann er sich dann schon des Hochverrats verdächtig machen?

    Lars Peter Schmidt: Na ja, also wenn man das Gesetz jetzt wörtlich nimmt, dann ist das tatsächlich so. Die Vorlage für dieses Gesetz kursiert hier in Moskau schon seit mehreren Wochen, und ich habe mich in der letzten Woche mit der früheren Vizepräsidentin des russischen Verfassungsgerichts darüber unterhalten, und die hat uns da noch mal insofern aufgeklärt, dass dieses Gesetz äußerst schwammig und nicht präzise formuliert ist und es tatsächlich, wenn man es jetzt in der Form so wörtlich nimmt, so sein kann, wie Sie das eben beschrieben haben, dass wenn, sagen wir mal, schon russische Mitarbeiter bei mir in der Adenauer-Stiftung in Moskau Kontakt zu russischen Behörden haben und mir diese Informationen weitergeben, sie sich strafbar machen könnten. Nun sagte aber die frühere Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts, dass dieses Gesetz so in der Form nicht stehen bleiben kann - einfach aus dem Grund, weil es die gesamte Dialogkultur mit dem Ausland unmöglich machen würde. Und es kommt jetzt letztendlich auf die Durchführungsbestimmungen und die Konkretisierung dieses Gesetzes durch das russische Justizministerium an. Klar ist aber, dass es geschaffen wurde in einer ganzen Serie von Gesetzesveränderungen in den letzten vier Monaten, also nach Putins Amtsantritt, um insbesondere die Opposition, aber auch überwiegend amerikanische NGOs, die hier in Russland aktiv waren und noch sind, einzuschüchtern beziehungsweise auch, wie man das bei USAID vor drei Wochen gesehen hat, aus dem Land zu drängen.

    Köhler: Was bedeutet das für eine politische Stiftung für auswärtige Kulturpolitik, wie Sie sie ja betreiben? Wir erinnern uns an den Fall Kairo. Da musste immerhin Ihr Chef, Herr Pöttering, nach Kairo und musste da Feuerwehr spielen. Ist etwas Ähnliches zu befürchten in Moskau?

    Schmidt: Ich kann es mir jedenfalls immer noch nicht vorstellen, weil im Prinzip wir Deutschen und auch deutsche NGOs wie die Adenauer-Stiftung oder das Goethe-Institut oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft beispielsweise, die alle hier in Moskau vertreten sind, im Wesentlichen hoch geschätzt sind - auch von der Regierung, auch vom Kreml. Ich will Ihnen nur ein Beispiel sagen: Es gab jetzt hier längere Zeit Debatten, wie unsere Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu verlängern ist. Da war man etwas zögerlich, vor allem die russischen Behörden. Und da gab es jetzt vor wenigen Tagen einen Ukas, nennt man das hier, aus dem Kreml, dass die deutschen Institutionen sofort zu verlängern sind, und auch bei uns, bei mir ist das gestern geschehen, sodass man zumindest daraus interpretieren kann, dass man insbesondere mit Deutschland weiterhin enge Beziehungen auch mit NGOs wie der Adenauer-Stiftung unterhalten will.

    Nun muss ich Ihnen vielleicht noch sagen: Als Adenauer-Stiftung halten wir uns in so politisch ganz sensiblen Momenten wie Dumawahlen oder Präsidentschaftswahlen sehr zurück. Die gesamte Maschinerie der Gesetzesänderungen, die Putin in Kraft gesetzt hat, resultieren natürlich schon daraus, dass sich die Amerikaner hier mit doch relativ viel Geld über beispielsweise eine NGO, die Golos heißt, in den Wahlkampf eingemischt haben. Das hat die russische Seite, offizielle Seite in dem Fall, denen sehr übel genommen. Sie machen mit diesen Gesetzesänderungen, sage ich mal, die Pflanze, die hier in den letzten Jahren auch gewachsen war, an Zivilgesellschaft mehr oder weniger kaputt, und das muss man natürlich sehr deutlich kritisieren.

    Köhler: Was bedeutet das für Ihre tägliche praktische Arbeit? Sind beispielsweise kulturelle Spitzenkontakte, wie Sie sie gerade beschrieben haben, mit Richtern oder auf kultureller Ebene erschwert?

    Schmidt: Wissen Sie, da bin ich einfach im Moment noch etwas ratlos, sage ich Ihnen ganz ehrlich. Eines unserer Schwerpunktthemen ist hier in Russland ein Rechtsstaatsdialog, der einmal im Jahr zwischen den obersten Richtern aus Russland und Deutschland stattfindet. Von der russischen Seite erscheint dazu die gesamte oberste Richterschaft. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man so einen produktiven Dialog beiseite räumen will. Ich kann da nur noch mal versuchen, darauf hinzuweisen, oder ich hoffe jedenfalls darauf, dass die Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz nachher andere sind, denn am Ende schaden sich die Russen sehr. Und in Wirklichkeit weiß das auch Putin, dass er den auch kreativen Teil, den es in dieser Gesellschaft gibt, der im Zweifel auch oppositionell ist - ich rede von der neuen Mittelschicht, die man in den großen Städten findet -, wenn er die weiterhin so malträtiert, wird er sie verlieren. Und das wird der Modernisierung dieses Landes äußerst abträglich sein. Und ich bin mir sicher, er wird es auf Dauer nicht durchhalten.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.