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"Verbraucher muss Rechtsklarheit haben"

Google Street View entfacht aufs Neue die Debatte um die Reform des Datenschutzrechts in Deutschland. Doch das schönste Recht zum Schutz der Bürger hilft nichts, solange die internationalen vertraglichen Grundlagen nicht berücksichtigt werden, warnt Verbraucherschützer Falk Lüke.

Falk Lüke im Gespräch mit Georg Ehring | 18.08.2010
    Georg Ehring: Wie kann ich meine Privatsphäre schützen, wenn via Street View jeder im Internet sehen kann, wo und wie ich wohne und welche Nachbarn ich habe? Der Abbildung bei Google kann ich widersprechen, doch die Datensammlung im Internet ist damit nicht gestoppt, noch nicht einmal gelenkt, denn an vielen Stellen geben wir heute freiwillig oder unfreiwillig Daten preis, von denen Volkszähler früherer Generationen nicht einmal zu träumen wagten.
    Die Debatte um eine Reform des Datenschutzrechtes in Deutschland ist eröffnet. Für die Interessen der Verbraucher machen sich in diesem Zusammenhang die Verbraucherzentralen stark. Falk Lüke kümmert sich dabei um den Datenschutz, und mit ihm bin ich jetzt telefonisch verbunden. Guten Tag, Herr Lüke.

    Falk Lüke: Schönen guten Tag.

    Ehring: Herr Lüke, werden Sie denn bei Google Street View Widerspruch einlegen, oder haben Sie das vielleicht schon getan?

    Lüke: Ich persönlich werde das nicht tun, was aber auch einen sehr einfachen Grund hat: Ich selbst wohne in einem dritten Stock und bis dahin filmt Google Street View schlicht und einfach nicht. Das heißt, das wird nicht darin enthalten sein. Man könnte jetzt, wenn jemand wüsste, wo ich wohne, natürlich das Haus sehen, aber ehrlich gesagt ich persönlich habe damit keine Probleme. Allerdings ist es so, dass jeder Verbraucher selber darüber entscheiden können soll, ob er denn sein Haus, seine Wohnung dort sehen möchte oder nicht.

    Ehring: Wie wichtig ist das Ganze denn, oder wie gefährlich, oder ist die aufgeregte Debatte, die wir zurzeit erleben, da vielleicht auch etwas übertrieben?

    Lüke: Es gibt mehrere Aspekte bei Google Street View und einer der wichtigsten Aspekte ist nicht unbedingt die Hausfassade, sondern die Frage der Personen, die von den herumfahrenden Wagen dort mit erfasst worden sind. Das heißt, die Personen, die dort zu sehen sind, das hat eindeutig datenschutzrechtlich Relevanz. Da geht es darum, dass diese Personen unkenntlich gemacht werden. Google verpixelt, also macht unkenntlich, nur die Gesichter, und das ist aus unserer Sicht definitiv nicht ausreichend. Wenn man sich anschaut, wie das zum Beispiel in Dänemark aussieht, da erkennen sie die Personen auch weiterhin. Wir reden beim Datenschutz von Personen und nicht von Gesichtsbezug. Das heißt, hier muss Google eindeutig nachlegen.

    Ehring: Müsste Google nicht auch vor einer Abbildung die Zustimmung des Hausbesitzers einholen? Wie es läuft zum Beispiel haben doch jetzt diejenigen den Aufwand, die die Abbildung nicht haben wollen, und nicht der, der sie betreibt.

    Lüke: Das ist eigentlich richtig und auch unsere Meinung. Das kleine Problem, was dabei besteht, ist der Modus, in dem sie dann diese Einwilligung einholen müssten. Der wahrscheinlichste und einfachste Weg wäre dann, dass man alle Daten der Einwohnermeldeämter nimmt und die dann durch Google anschreiben lässt, die gesamten dort verzeichneten Personen. Und ganz ehrlich: Sind wir uns sicher, dass wir gerne das möchten? Ehrlich gesagt, aus unserer Sicht gibt es da starke Bedenken dagegen und deswegen muss man sagen, in dem Fall ist ein Opt-out vielleicht gerechtfertigt. Allerdings muss man dafür auch eine anständige Regelung finden. Momentan ist dafür noch keine gesetzliche Grundlage wirklich geschaffen, und das muss der Gesetzgeber dringend ändern. Der Verbraucher muss Rechtsklarheit haben an der Stelle.

    Ehring: Wie muss diese Rechtsklarheit aussehen? Was sind die Kernforderungen dabei?

    Lüke: Die Kernforderungen von uns gehen ja wesentlich darüber hinaus über das, was tatsächlich jetzt Google Street View betrifft. In einem ersten Schritt geht es darum, erst mal das grundsätzliche System auf "Opt-in", also auf eine Zustimmungslösung zu ändern. Das Datenschutzrecht kennt viel zu viele Ausnahmen von der Zustimmungspflichtigkeit und das muss sich ganz dringend ändern. Das darf allerdings auch nicht allgemein gehalten werden, sondern muss intelligent, sogenannt gestuft gelöst werden, damit sie nicht einmal eine Einwilligung geben und danach jeder alles mit ihren Daten machen darf.

    Ehring: Wie muss das gestuft werden? Wie stellen Sie sich das im Einzelnen vor?

    Lüke: Da muss man sehr genau differenzieren, je nachdem worum es geht. Aber letzten Endes geht es immer darum, dass der Verbraucher selber erstens sehr genau darüber informiert wird, wer was mit seinen Daten tun darf, ob er diese nutzen darf, ob er diese weitergeben möchte, zu welchen Zwecken er diese nutzen möchte. Das muss ganz klar sein für ihn, und dass er dann informiert selbst die Entscheidung treffen kann, möchte ich das hier, oder möchte ich das nicht. Allerdings: Wir können in Deutschland Datenschutzgesetze machen, wie wir möchten. Google Street View zeigt das jetzt als Problem sehr deutlich. Dieses Angebot wird aus den USA betrieben und da muss man sagen, da hilft uns das schönste deutsche Datenschutzrecht nichts, solange wir die vertraglichen internationalen Grundlagen nicht auch mit ins Auge fassen. Das ist hier das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen. Da müssen wir uns ganz dringend darum kümmern, dass das überarbeitet wird, denn momentan habenn sie, selbst wenn sie dann sozusagen nach deutschem Recht einen Anspruch darauf hätten, dass zum Beispiel ihr Haus unkenntlich gemacht wird, eine große Schwierigkeit, damit ihr Recht dann bei Google in den USA durchzusetzen.

    Ehring: Das heißt, Deutschland müsste dann in den USA widersprechen, oder der Bürger müsste in den USA widersprechen?

    Lüke: Der Bürger müsste sich dann tatsächlich gegen Google Incorporated, also die Mutter in den USA, schadlos halten, und das ist natürlich ein Problem, denn das können sie als einzelner Verbraucher schlicht und einfach nicht bewerkstelligen. Das ist definitiv etwas, was sie nicht machen können. Da muss der Gesetzgeber ran. Das ist seine Aufgabe als Politik, hier dieses Abkommen, was jetzt bald zehn Jahre alt wird und das Papier nicht wert ist, auf dem es steht, dringend zu überarbeiten.

    Ehring: Herzlichen Dank! – Wir sprachen mit Falk Lüke, beim Verbraucherzentrale-Bundesverband zuständig für den Datenschutz.