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Verbraucherschützer: Noch etliche Lücken beim Patientenrechtegesetz

Das neue Patientenrechtegesetz sei in Wirklichkeit gar nicht neu, meint Christoph Kranich, Gesundheitsexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. In Sachen Behandlungsfehler, Gutachterwesen und die Fälschungssicherheit von Krankenunterlagen hätte man mehr tun können.

Fragen von Benjamin Hammer an Christoph Kranich | 29.11.2012
    Benjamin Hammer: Beteiligt sind zwei FDP-Minister: Daniel Bahr für die Gesundheit und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für die Justiz. Das neue Patientenrechtegesetz hätte aus Sicht der Regierung also eine schnelle und unkomplizierte Sache werden können. Doch das Gesetz, das Patientenrechte bündeln und zum Teil neu regeln soll, stand in den vergangenen Monaten auch massiv in der Kritik. Heute Nachmittag soll es den Bundestag passieren, und wir wollen jetzt schon über die neuen Regelungen sprechen mit Christoph Kranich. Er ist Gesundheitsexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Schönen guten Morgen, Herr Kranich.

    Christoph Kranich: Grüß Gott!

    Hammer: Das neue Gesetz soll Patientenrechte stärken und mehr Übersicht schaffen. Was steht da eigentlich drin?

    Kranich: Also in dem neuen Gesetz steht nicht mehr drin als bisher auch schon rechtsprechungsmäßig geregelt war. Deswegen ist es nicht wirklich neu, oder nur an ganz wenigen Punkten neu.

    Hammer: Können Sie uns trotzdem helfen, was bisher geregelt ist, was zumindest die Bundesregierung versucht, dort zu bündeln?

    Kranich: Es gibt zwei große Bereiche. Einmal wird im Bürgerlichen Gesetzbuch der Behandlungsvertrag geregelt, der bisher natürlich auch schon geregelt war, aber überwiegend durch Rechtsprechung, und dort steht dann drin, dass der Arzt mich aufklären muss, dass er dokumentieren muss, all die Sachen, die sowieso schon gültig waren. Dann steht auch drin, dass die Dokumentation nachvollziehbar und eigentlich fälschungssicher sein muss, aber das wird nicht näher formuliert. Es gibt also etliche Lücken noch.
    Der zweite Teil besteht aus Änderungen des Sozialgesetzbuches. Da ist das Wichtigste, dass die Krankenkassen mich jetzt unterstützen müssen, wenn ich einen Behandlungsfehler vermute. Bisher konnten sie das schon und viele taten das auch, und jetzt müssen oder sollen sie das. Das ist eine kleine Verschärfung. Ansonsten gibt es aber nicht sehr viele Änderungen.

    Hammer: Sie sprechen schon die Behandlungsfehler an. Da gibt es neue Regelungen, was die Beweispflicht betrifft. Zumindest wirbt damit die Bundesregierung. Was steht da drin?

    Kranich: Also es gibt keine neuen Regelungen, sondern es wird das festgeschrieben, was bisher schon gegolten hat, nämlich dass der Patient drei Dinge beweisen muss: dass ein Schaden bei ihm entstanden ist, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat und dass beides auch zusammenhängt. Das nennt man die Kausalität. Und das ist das schwerste zu beweisen, dass der Schaden wirklich auf den Fehler des Arztes zurückzuführen ist und nicht zum Beispiel auf die Krankheit, die ja auch Schäden setzt. Da hätten wir uns gewünscht, dass die Patienten erleichtert worden wären beim Nachweis der Kausalität, aber das ist leider nicht der Fall.

    Hammer: Herr Kranich, ich merke schon: Sie klingen nicht gerade begeistert. Was vermissen Sie denn sonst noch als Verbraucherschützer in dem Gesetz?

    Kranich: Neben einer weiteren Beweiserleichterung hätten wir uns einen Härtefallfonds gewünscht für Fälle, wo der Prozess vor Gericht oder vor Schlichtungsstellen ewig lange dauert. Manche Menschen versterben ja sogar, bevor sie das Ergebnis erleben, und manchmal ist es auch wirklich ganz schwierig, den Nachweis zu führen, obwohl es eigentlich ganz plausibel ist, dass Sie einem Behandlungsfehler zum Opfer gefallen sind. Da hätten wir uns einen Härtefallfonds gewünscht.

    Weiterhin fehlt eine klare Regelung für die Überschreibungs- und Fälschungssicherheit der Krankenunterlagen. Es fehlt eine Verbesserung des Gutachterwesens, da wünschen wir uns mehr Unabhängigkeit, weil häufig die Gutachter verquickt sind mit denen, über die sie urteilen. Das sind nur so ein paar Punkte.

    Hammer: Wenn ich jetzt von einem Arzt behandelt wurde und ich habe das Gefühl, da ist was falsch gelaufen, der hat einen Fehler gemacht. Wie soll ich mich denn dann verhalten?

    Kranich: Da ist eine Verbesserung eingetreten. Die Krankenkassen sollen, das heißt, eigentlich müssen sie jetzt unterstützen bei der Aufklärung dieses Behandlungsfehlers. Sie haben den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, der Gutachten erstellen kann. Da würde ich also zunächst erst mal die Krankenkasse bitten, das zu regeln. Das kostet dann auch mich nichts. Ansonsten hat sich da nicht viel verändert. Sie sind immer noch selber beweispflichtig, müssen selber die Lasten tragen, die finanziellen Risiken, wenn Sie vor Gericht gehen. Es gibt nach wie vor natürlich freiwillige Schlichtungseinrichtungen der Ärztekammern, die sind aber nicht so hundertprozentig unabhängig, bieten aber kostenfreie Begutachtung für die, die nicht rechtsschutzversichert sind und das Risiko vor Gericht nicht eingehen wollen.

    Hammer: Das neue Patientenrechtegesetz – und Verbraucherschützer, das haben wir gerade gehört, sind nicht gerade begeistert. Das war Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. Besten Dank.

    Kranich: Gerne! – Tschüß!

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