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Verbraucherschützer unter Lobbyverdacht

Die Gutachten der EU-Lebensmittelbehörde EFSA dienen der EU-Politik als Entscheidungsgrundlage. Doch eine neue Studie belegt, dass viele EFSA-Verantwortliche gleichzeitig als Lobbyisten für Nahrungsmittelkonzerne tätig sind.

Von Martin Bohne | 25.02.2011
    Olivier Hoedemans Job ist es, dem Einfluss großer Unternehmen auf die EU-Politik nachzuspüren. Und bei der Europäischen Lebensmittelbehörde hat er da einiges gefunden:

    "Mindestens vier der 15 Mitglieder des Verwaltungsrats haben direkte Verbindungen zur Industrie, entweder zu Lobbygruppen oder zu großen Nahrungsmittelkonzernen."

    So der Deutsche Matthias Horst, der zugleich Direktor des Verbandes der deutschen Lebensmittelwirtschaft ist. Der Belgier Vanthemsche gehört zum Mangement eines Fonds, der Anteile an einem Gentech-Unternehmen hält. Oder der Slowake Kovac, der zum Direktorium von Ilsi gehört.

    "Ilsi ist eine der führenden Denkfabriken großer Agrar- und Gentechkonzerne."
    Finanziert unter anderem von Monsanto, Bayer und Dow Chemical. Selbst die Chefin des EFSA-Rats Diana Banati hat lange für Ilsi gearbeitet, bis die öffentliche Kritik zu stark wurde. Für Hoedeman und seine lobbykritische Forschungsgruppe Corporate Europe Observatory ist klar, dass damit der Bock zum Gärtner gemacht wird.

    "All diese Leute haben ganz klar andere Interessen, die sie verteidigen."

    Und das seien eben nicht die Interessen der europäischen Verbraucher. Als Beispiele für industrienahe Bewertungen von EFSA führt Hoedemans die Gutachten zu genverändertem Mais, genveränderten Kartoffeln oder auch zur Verwendung von geklontem Fleisch als Futtermittel ins Feld. Immer hat die EU-Agentur den Produkten einen Persilschein ausgestellt.

    "Es wird kritisiert, dass die EFSA sich bei der Bewertung ganz überwiegend auf von der Industrie bezahlte Experten und auf von der Industrie gelieferte Daten gestützt hat. "

    Lobbykritiker Hoedeman fordert daher strengere Regeln, um die Unabhängigkeit der Europäischen Lebensmittelbehörde zu garantieren:
    "EFSA muss wirklich ernsthaft sein Herangehen überprüfen, um Interessenkonflikte zu vermeiden."

    Vorschläge für schärfere Regeln bei der Auswahl des EFSA-Personals müssten von der EU-Kommission kommen. Deren Sprecher für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, Fréderic Vincent, kann aber nichts Schlechtes an der starken Präsenz von Industrievertretern erkennen:

    "Der Verwaltungsrat der EFSA ist ja extra so beschlossen worden, damit alle, die mit der Nahrungsmittelkette zu tun haben, dort voll vertreten sind."

    Dass aber Verbraucherschützer oder gentechnikkritische Organisationen in der Behörde so gut wie gar nicht zum Zuge kommen, erwähnt der Kommissionssprecher lieber nicht. Die Unabhängigkeit der EFSA-Experten steht für Frederic Vincent nicht in Zweifel:

    "Aber dennoch könnte die öffentliche Kritik ihre Wirkung zeitigen."

    "In der Tat kann es sein, dass die EU-Kommission in den nächsten Monaten eine Verordnung vorschlägt, um die Unabhängigkeit der Agentur zu verstärken."