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Verbraucherschutz
Beratungsstellen in ärmeren Stadtteilen

"Verbraucherberatung im Quartier" ist eine Initiative der Verbraucherzentrale NRW, die Menschen mit Migrationshintergrund vor Schuldenfallen und zwielichtigen Türgeschäften schützen will. Seit einem Jahr sind sie in Problemstadtteilen wir Köln-Kalk oder Chorweiler aktiv.

Von Katja Scherer | 20.01.2017
    Vor einem Hochhaus ist am 08.04.2013 in Köln (Nordrhein-Westfalen) die Kindertagesstätte im Stadtteil Chorweiler zu erkennen.
    Landesweit nutzt im Schnitt jeder Vierte die Angebote der Verbraucherzentrale. Verglichen damit machen das in Vierteln wie Köln-Chorweiler immer noch wenige Menschen. (dpa / picture-alliance / Oliver Berg)
    Natalia Garshina arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Synagogengemeinde Köln-Chorweiler, einem der ärmsten Stadtteile Kölns. Viele Menschen dort haben einen Migrationshintergrund und sprechen wenig Deutsch. Das wird von manchen Unternehmen ausgenutzt, sagt die Deutsch-Russin Garshina:
    "Die Leute mit den Türgeschäften zum Beispiel, sie kommen nach Chorweiler ganz gerne, weil sie verstehen, dass die Ausländer nicht viel verstehen können und für die ist es ganz attraktiv."
    Viele kennen die Verbraucherzentrale nicht
    Zwielichtige Vertreter, die von Tür zu Tür laufen und teure Verträge verkaufen oder hohe Stromnachzahlungen, die Familien in die Schuldenfalle treiben – solche Probleme gibt es dort immer wieder. Seit einem Jahr hat die Verbraucherzentrale NRW daher in Chorweiler und auch in anderen ärmeren Stadtteilen Kölns eigene Beratungsstellen. Dadurch könnten deutlich mehr Menschen erreicht werden als nur durch die zentrale Beratung in der Kölner Innenstadt, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW:
    "Wir haben so zum Beispiel bevor wir gestartet sind gefragt die Menschen, sieben Prozent der Befragten hatten Angebote genutzt. Wir haben jetzt wieder nachgefragt und die Inanspruchnahme hatte sich verdoppelt und der Bekanntheitsgrad ist auch deutlich gestiegen."
    Allerdings: Landesweit nutzt im Schnitt jeder Vierte die Angebote der Verbraucherzentrale. Verglichen damit machen das in Vierteln wie Köln-Chorweiler immer noch wenige Menschen. Damit sich das künftig ändert, arbeitet die Verbraucherzentrale mit Einrichtungen vor Ort zusammen – unter anderem mit der Synagogengemeinde von Natalia Garshina. Zudem gibt es regelmäßige Informationsabende etwa zum Thema Türgeschäfte. Garshina hält die Beratungsstelle für eine Bereicherung:
    "Die Leute mit Migrationshintergrund sind sehr unerfahren, viele wissen gar nicht, was das überhaupt ist, eine Verbraucherzentrale."
    Verträge versehentlich im Internet abgeschlossen
    Dabei sind gerade sie oft auf Unterstützung angewiesen: Nicht nur wegen Tricks von Vertretern an der eigenen Haustür. Oft entstehen auch im Alltag Probleme – etwa, weil Verträge nicht richtig verstanden wurden, sagt Verbraucherexperte Schuldzinski:
    "Das sind ganz häufig Probleme mit Telefondienstleistern: Mehrere Handyverträge, es wurde nicht gekündigt oder die Kündigung hat nicht geklappt und die Rechnungen laufen weiter. Oder es wurden im Internet Verträge abgeschlossen, vielleicht durch einen versehentlichen Klick und die Menschen wissen nicht, wie komme ich heraus aus diesen Verträgen, die ich gar nicht haben wollte und die Rechnungen laufen weiter."
    Anlaufstelle vor Ort
    Umfragen der Verbraucherzentrale zeigen, dass sich gerade ältere Menschen, Jugendliche und Menschen mit Migrationshintergrund oft schwer tun, in solchen Fällen zur Beratung in die Innenstadt zu fahren. Und wenn sie sich dann überwinden, sind die Probleme schon sehr groß geworden. Viele Menschen im Viertel sind daher froh, nun eine Anlaufstelle vor Ort zu haben. Das zeigt eine kurze Straßenumfrage:
    "Das ist eine große Hilfe für die Menschen, weil es gibt ja viele Ausländer hier, die die Sprache nicht verstehen. Für die ist das super geeignet" - "Ich finde es richtig gut, weil viele Sachen werden ja auch immer schwieriger, mit Handyverträgen und so, und dann ist es gut, wenn jemand vor Ort ist, der da auch was dazu sagen kann." - "Ja, ist toll. Endlich mal! Muss man nicht mehr in die Stadt fahren und man hat ja immer Fragen: Was soll man machen, damit es besser wird? Das ist wirklich gut!"
    Finanziert wird die Beratung jeweils zu 50 Prozent von Stadt und Land. Bis 2019 ist die Finanzierung gesichert. Natalia Garshina hofft, dass das Angebot auch danach weiter bestehen bleibt – gerade jetzt, wo die Menschen langsam Vertrauen fassen.