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Verbrauchertäuschung
Der Kunstpelz ist ein echter Fuchs

Tierschützer warnen vor dem Kauf von Mänteln und Jacken aus Pelzen und Fellen. Hinter vermeintlichem Kunstpelz verbergen sich oft Produkte mit Bestandteilen von echten Tieren. Möglich ist das durch eine Gesetzeslücke.

Von Thomas Wagner | 15.12.2017
    Ein Model präsentiert eine Hutkreation.
    Tierschützer bemängeln, dass selbst im Kunstfell oft tierische Teile enthalten seien. Der Verbraucher werde getäuscht. (imago / Tillmann)
    "Pelze? Hast Du Pelze gesehen? Ich hab heute eine ganz junge Frau mit Pelz gesehen. Es hat mich sehr befremdet. Also so ein Pelz steht auch keinem Wunschzettel mehr. Er ist einfach nicht mehr in, sage ich."
    Und tatsächlich: Kaum mehr ein Geschäft in der Königstraße, der Haupteinkaufsmeile in der Stuttgarter Innenstadt, das im Schaufenster mit echten Pelzen wirbt. Viele renommierte Modemarken verzichten nach eigenen Angaben darauf - viele, aber eben nicht alle. Und: Bei so manchem Mantel, der im Schaufenster hängt, ist trotzdem Pelz drin, obwohl nicht Pelz draufsteht.
    "Ob dann Tierfell drin ist oder nicht, das sagt ihnen dann auch kein Servicemitarbeiter im Laden."
    Die Kennzeichnungspflicht hat einen Pferdefuß
    Das hat Frank Schmidt festgestellt. Er ist Fachreferent bei der Tierschutzorganisation Peta. Dabei ist, so Christine Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die Kennzeichnung von tierischen Elementen bei Textilien eigentlich gesetzlich geregelt.
    "Es gibt ein Textilkennzeichnungsgesetz. Und das sagt, dass nicht-textile Teile tierischen Ursprungs gekennzeichnet werden müssen."
    Und zwar vor allem bei Wintertextilien, wo der Verbraucher Fell- oder Pelzbestandteile auf den ersten Blick gar nicht vermutet.
    "Also wenn ich jetzt eine Jacke habe, einen Blazer, und der enthält Hornknöpfe, dann muss dieser Blazer eine Kennzeichnung enthalten, "enthält textile Teile tierischen Ursprungs". Oder wir haben eine Wintermütze mit einem Fellbommel. Auch die müsste entsprechend gekennzeichnet sein."
    Der Pferdefuß dabei: Die Kennzeichnungspflicht besteht nur, wenn der Anteil solcher "textilen Teile tierischen Ursprungs" nicht mehr als 20 Prozent am Gesamtprodukt ausmachen. Bei höheren Pelz- und Fellanteilen geht der Gesetzgeber davon aus, dass Verbraucher von sich aus die tierischen Anteile erkennen.
    "Das heißt: Echte Pelze müssen als solche gar nicht gekennzeichnet sein."
    Peta: "Extremst brutale Tötungsmethoden"
    Dies gibt nicht nur bei Verbraucherschützern, sondern auch bei der Tierschutzorganisation Peta Anlass zu Kritik. Denn viele Verbraucher kaufen wegen der lückenhaften Deklarationspflicht Produkte im guten Glauben, dass dort keine tierischen Bestandteile verarbeitet sind. Die nämlich werden häufig aus China eingeführt und sind daher günstiger auf dem Markt als Kunstpelz, so Peta-Referent Frank Schmidt:
    "In China gibt es kein Tierschutzgesetz. Dort werden halt Marder, Hunden, Nerze und andere Tiere in winzigen Drahtkäfigen eingesperrt. Und die Tötungsmethoden sind extremst brutal: Die Tiere werden mit Eisenstangen zu Tode geknüppelt. Sie werden lebendig gehäutet. Und diese Fälle landen dann in den deutschen Läden - undeklariert."
    Tierschützer fordern schärfere Importvorschriften
    Dem müsse aus Sicht von Peta der Gesetzgeber schnellstens durch schärfere Importvorschriften einen Riegel vorschieben. Hinzu kommt ein weiterer Kritikpunkt: Selbst bei Textilien mit Fell- und Pelzanteilen von unter 20 Prozent, wo eigentlich die gesetzliche Deklarationspflicht greift, verzichten Hersteller und Händler häufig auf die vorgeschriebenen Hinweise, so Christine Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:
    "Wir haben schon Unternehmen hier in Stuttgart wegen mangelhafter Kennzeichnung abgemahnt. Ich gehe einfach davon aus, dass wir hier ein echtes Vollzugsdefizit bei der Marktüberwachung haben. Die müsste das viel intensiver überprüfen und die Unternehmen stärker mit Ordnungsgeldern belasten."
    Bessere Haltungsbedingungen bisher nur im Inland
    Eine Forderung, die bislang ins Leere läuft. Dennoch kann die Tierschutzorganisation Peta auf einen ersten Erfolg im Kampf für bessere Haltungsbedingungen bei Pelztieren verweisen: Der Bundestag hat nämlich im Juni bessere Haltungsbedingungen für Pelztiere in inländischen Pelzfarmen beschlossen. Frank Schmidt:
    "Das heißt: Jetzt müssten eigentlich Nerze auf einem Quadratmeter pro Tier gehalten werden. Das ist das Vierfache von dem, was früher war."
    Allerdings ist die Regelung mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren versehen. Bisher, so Peta, sei noch nicht erkennbar, dass die inländischen Pelzfarmen tatsächlich bessere Haltungsbedingungen umsetzen – trotz des neuen Gesetzes.