Samstag, 20. April 2024

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Verbraucherzentralen zu Dieselfahrverboten
"Zitterpartie für Besitzer von Dieselfahrzeugen wird weitergehen"

Autofahrer sollten nach dem Urteil zu möglichen Fahrverboten Ruhe bewahren und abwarten, riet Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband im Dlf. Sie hoffe, dass die künftige Bundesregierung bald Lösungen anbieten werde. Dann gäbe es auch mehr Klarheit.

Marion Jungbluth im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 28.02.2018
    Autos von hinten aufgenommen stehen im Stau
    "Erst mal wird diese Zitterpartie für Besitzer von Diesel-, aber auch von älteren Benzinfahrzeugen weitergehen", sagte Marion Jungbluth vom VZBV (dpa / Frank Rumpenhorst)
    Susanne Kuhlmann: Städte dürfen Fahrverbote für Dieselautos verhängen. Das gestrige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig wirft viele Fragen auf, vor allem für die Besitzer betroffener Wagen. Darüber möchte ich jetzt mit Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sprechen. Sie ist uns aus Berlin zugeschaltet. Guten Tag, Frau Jungbluth.
    Marion Jungbluth: Guten Morgen.
    Kuhlmann: Was bedeutet das Urteil für betroffene Autobesitzer konkret?
    Jungbluth: Erst mal wird diese Zitterpartie für Besitzer von Diesel-, aber auch von älteren Benzinfahrzeugen weitergehen, weil das Gericht hat jetzt erst mal den Ball wieder zurück an die Kommunen gespielt und denen gesagt, sie können grundsätzlich Fahrverbote erlassen. Allerdings sollten die ausnahmsweise und verhältnismäßig sein. Das heißt: Kommunen, die weit über den Grenzwerten liegen und jetzt auch mit anderen Maßnahmen schlecht die soweit runterkriegen, werden wohl verpflichtet sein, in ihren Luftreinhalteplan auch Verkehrsbeschränkungen einzuführen. Allerdings können die dann wiederum sehr unterschiedlich aussehen und das ist natürlich sehr unbefriedigend, weil das für Verbraucher überhaupt keine Klarheit bringt, sondern eigentlich noch mehr Verwirrung stiftet.
    "Im Moment kann man gar nicht reagieren"
    Kuhlmann: Die Zitterpartie geht weiter, sagen Sie. Ist denn überhaupt den betroffenen Autofahrern zu raten, in irgendeiner Form jetzt schon zu reagieren?
    Jungbluth: Nein. Im Moment kann man gar nicht reagieren. Wir müssen erst mal warten, wie zum Beispiel die hoffentlich bald wieder vorhandene Bundesregierung reagiert, was für Lösungen sie konkret den Verbrauchern anbietet, und dann natürlich auch, welche Städte denn wirklich selber zu diesem Mittel greifen. Das werden sicherlich nicht viele sein, aber gestern haben ja schon ein paar auch angekündigt, dass sie das tun werden. Also noch ein bisschen Ruhe bewahren. Sicherlich wird da in den nächsten Wochen auch noch ein bisschen mehr Klarheit reinkommen. Das hoffe ich jedenfalls.
    Kuhlmann: Das Bundesverwaltungsgericht hat ja auch gesagt, dass Autobesitzer nicht unverhältnismäßig belastet werden dürfen. Was heißt das im Einzelnen, wenn jemand seinen Wagen beruflich braucht, oder aber in einer Straße wohnt, die demnächst für Dieselautos gesperrt werden könnte?
    Jungbluth: Zum einen hat das Verwaltungsgericht ganz klar gesagt, dass Euro-fünf-Fahrzeuge, die ja noch gar nicht so lange auf dem Markt sind, erst frühestens ab 1. 9. 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden dürfen. Dann sind die vier Jahre auf dem Markt und vorher wäre das unverhältnismäßig. Das finde ich ganz gut, weil das ein bisschen Zeit gibt der Politik und der Industrie, dieses Problem der Hardware-Nachrüstung anzugehen und da dann sowohl ein Programm aufzulegen, zu sagen, an welchen Fahrzeugen Hardware-Nachrüstungen machbar sind und natürlich auch die Kostenfrage zu klären.
    Alle in einen Raum sperren, bis Lösung gefunden wurde
    Kuhlmann: Sie halten es für möglich, dass diese Nachrüstmöglichkeiten und die Entscheidung über die Kostenfrage noch früh genug kommen könnte?
    Jungbluth: Wenn man das möchte und das ernst nimmt, zum Beispiel zur Chefsache macht, wenn die Kanzlerin sich mit den Autoherstellern mal in einen Raum sperren würde und irgendwie nicht vorher rauskommt, bis sie eine Lösung gefunden haben, wie sie das Problem auch für die vielen Menschen in Deutschland, die jetzt betroffen sind, lösen werden, dann, denke ich, ist das schon möglich. Aber man muss es auch ernst nehmen und aussitzen, das darf nicht weiter passieren. Es kann ja nicht sein, dass in Deutschland Gerichte die Politik zum Handeln zwingen müssen. Das halte ich für wirklich unglaublich.
    Kuhlmann: Ganz kurz noch zum Schluss. Müssen Dieselfahrer eigentlich alle Einbußen ohne Ausgleich tragen, oder wäre es denkbar, zum Beispiel die Kfz-Steuer zu reduzieren?
    Jungbluth: Dieselfahrer haben ja bis jetzt einige Vergünstigungen schon durch die Kraftstoffsteuer und da muss man jetzt erst mal gucken. Die Frage nach einer möglichen Entschädigung hat das Gericht zumindest wahrscheinlich für die Städte abgelehnt. Das muss man jetzt erst mal weiter noch verfolgen und sicherlich wird es da ein Gesamtpaket geben, was man auch für die vielen unterschiedlichen Fahrzeuge, die jetzt betroffen sind, schnüren muss.
    Kuhlmann: Soweit Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband zu möglichen Auswirkungen des Dieselurteils auf Autofahrer. Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.